Steuerbüro Bachmann

Abgeltungssteuer auf Scheingewinne im Schneeballsystem

Schneeballsysteme an sich sind schon eine Plage. Im Kern geht es dabei um einen Betrug, bei dem die Initiatoren Gewinne aus einer meist vorgetäuschten Kapitalanlage zum Schein dem Kunden gutschreiben, diese Scheinerträge dann wiederum thesauriert und der Anlagesumme des Kunden zugeschlagen werden. Als wäre dieser Betrug für den Anleger noch nicht schlimm genug, muss er in aller Regel auch noch die lediglich auf dem Papier gutgeschriebenen Scheinrenditen der Steuer unterwerfen.

Insoweit vertritt nämlich der Bundesfinanzhof in München in ständiger Rechtsprechung die Meinung, dass entsprechende „Schneeballgutschriften“ versteuert werden müssen. Beispielsweise hatte er in diesem Zusammenhang mit Urteil vom 16.3.2010 unter dem Aktenzeichen VIII R 4/07 klargestellt, dass Gutschriften aus Schneeballsystemen zu Einnahmen aus Kapitalvermögen führen. Dies ist zumindest immer dann der Fall, wenn der Betreiber des Schneeballsystems bei entsprechendem Verlangen des Anlegers zur Auszahlung der gutgeschriebenen Beträge leistungsbereit und leistungsfähig gewesen wäre. An der Leistungsbereitschaft des Betreibers des Schneeballsystems kann es jedoch fehlen, wenn er auf einen Auszahlungswunsch des Anlegers hin eine sofortige Auszahlung ablehnt und stattdessen über anderweitige Zahlungsmodalitäten verhandelt.

In der Vielzahl der Fälle ist es jedoch so, dass die Thesaurierung der Scheingewinne schon zum vorgetäuschten Anlagekonzept gehört, weshalb eine Auszahlung seitens des Anlegers überhaupt nicht verlangt wird. Sofern dann im betrügerischen Schneeballsystem Auszahlungen an andere Anleger nachgewiesen werden können, wird es regelmäßig schwerfallen, dass auch die Anleger, die selber keine Ausschüttung verlangt und bekommen haben, der Besteuerung noch entgehen können.

Aufgrund einer aktuellen, leider jedoch nur erstinstanzlichen Entscheidung des Finanzgerichtes Nürnbergs vom 11.10.2017 unter dem Aktenzeichen 3 K 348/17 wird die Problematik rund um die Besteuerung der Scheinrenditen im betrügerischen Schneeballsystem zumindest ein wenig entschärft. Voraussetzung dabei ist natürlich immer, dass die erstinstanzliche Rechtsprechung auch Bestand haben wird. Aber hier nun zunächst zum Sachverhalt der zu begrüßenden Entscheidung:

Im Urteilsfall hatte ein Betrüger im Rahmen eines Schneeballsystems Scheingewinne auf dem Papier bescheinigt, dabei jedoch auch die Abgeltungssteuer in Abzug gebracht. Tatsächlich ist die ausgewiesene Kapitalertragsteuer jedoch niemals beim Finanzamt angemeldet und dem folgend natürlich auch niemals abgeführt worden. Das Finanzamt vertrat daher die Meinung, dass die Scheingewinne keinem Steuerabzug unterlegen haben und dementsprechend eine Besteuerung in der Steuererklärung des Betrugsopfers nachzuholen ist. Anders ausgedrückt: Dem Fiskus ist es egal, ob eine Steuer auf etwas nicht Vorhandenes (Scheingewinne) ausgewiesen ist oder nicht, ihn interessiert nur, dass die Steuer auch zu ihm fließt.

Erfreulicherweise teilt jedoch das Finanzgericht in Nürnberg diese fiskalische Auffassung nicht. Die erstinstanzlichen Richter kommen zu dem Schluss, dass das Finanzamt die Steuer auf die Scheingewinne zu Unrecht festgesetzt hat, da sowohl die Einkommensteuer als auch der Solidaritätszuschlag insoweit bereits mit dem Steuerabzug, sprich mit der in Abzug gebrachten Abgeltungssteuer, abgegolten ist.

Klar und deutlich arbeiten die Richter in Nürnberg in der Entscheidung heraus, dass sie die Frage der Anmeldung und der Abführung der Abgeltungssteuer für vollkommen irrelevant halten. Für die Auffassung des Finanzamtes, dass Kapitalerträge der Abgeltungssteuer nur unterlegen haben, wenn diese auch beim Finanzamt angemeldet und auch ans Finanzamt abgeführt worden sind, gibt es nach Auffassung der Nürnberger Richter weder im Gesetz noch in der Gesetzesbegründung Anhaltspunkte.

Allein durch den Abzug der Abgeltungssteuer auf dem Papier hat daher der Betreiber des Schneeballsystems im Zeitpunkt des Zuflusses der Kapitalerträge beim Gläubiger den Steuerabzug für Rechnung des Gläubigers (also des betrogenen Anlegers) vorgenommen.

Die Tatsache, dass der Betrüger weder die vereinbarten Kapitalanlagen durchgeführt hat und dementsprechend daraus auch keine Erträge erzielt hat, von denen er die Steuer hätte einbehalten können, spielt für die erstinstanzlichen Richter in Nürnberg keine Rolle. Schlicht vertreten sie die zu begrüßende Meinung: Wenn Scheinrenditen steuerbar sind, dann müssen auch von einem nur scheinbar erzielten Ertrag scheinbar einbehaltene Steuerabzugsbeträge berücksichtigt werden. Damit hat der Steuerabzug abgeltende Wirkung und eine Berücksichtigung in der Einkommensteuererklärung kommt nicht mehr in Betracht.

Immerhin gilt es zu bedenken, dass der Betroffene Anleger nicht gewusst hat, dass der Betreiber des Schneeballsystems die einbehalte Kapitalertragsteuer entgegen seiner Verpflichtung nicht angemeldet und an das Finanzamt abgeführt hat. Insoweit muss der betrogene Anleger die Scheinrenditen zumindest nicht in seiner Einkommensteuererklärung nachversteuern, da ja schon scheinbare Abgeltungssteuer einbehalten wurde.

Exkurs: Ob diese positive Rechtsprechung erhalten bleibt, ist aktuell noch abzuwarten, da das Finanzamt (wie nicht anders zu erwarten) in die Revision vor dem Bundesfinanzhof gezogen ist. Unter dem Aktenzeichen VIII R 17/17 müssen daher noch die obersten Richter der Republik klären, ob scheinbare Gewinne auch mit einer scheinbaren Abgeltungssteuer abgegolten sind.

Aus unserer Sicht scheint dies richtig zu sein. Denn: Wer etwas versteuern muss, was es nicht gibt und was er auch niemals bekommen hat, sollte eine auf dieses Nichts einbehaltene Steuer auch nutzen können. Wenn ein scheinbarer Ertrag steuerpflichtig ist, muss doch eine scheinbare Abgeltungssteuer auch abgezogen werden. Alles andere wäre aus unserer Sicht scheinheilig.