Mit dem Zeitalter der Abgeltungssteuer hat auch das Werbungskostenabzugsverbot Einzug ins Steuerrecht genommen. Danach dürfen bei Einkünften aus Kapitalvermögen die tatsächlich angefallenen Werbungskosten grundsätzlich nicht mehr steuermindernd angesetzt werden. An Stelle der Werbungskosten dürfen lediglich die sogenannten Sparer-Pauschbeträge in Höhe von 801 EUR bei Ledigen und 1.602 EUR bei Verheirateten steuermindernd berücksichtigt werden. Da es sich um Pauschbeträge handelt, können diese Beträge auch angesetzt werden, wenn tatsächlich keine Werbungskosten in dieser Höhe vorhanden sind. Andersherum gilt jedoch auch: Wenn höhere Werbungskosten vorhanden sind darf auch nur der Sparer-Pauschbetrag steuermindernd berücksichtigt werden.
Aktuell sind gegen das Werbungskostenabzugsverbot die ersten Finanzgerichtsverfahren anhängig. Aber auch bei den Verfahren muss Obacht geboten werden, denn es gilt das für den individuellen Fall thematisch richtige Musterverfahren zu treffen.
Das erste Verfahren ist eine Entscheidung des Finanzgerichts Baden-Württemberg vom 17.12.2012 (Az: 9 K1637/10). In diesem Verfahren haben die erstinstanzlichen Richter bereits gegen das Werbungskostenabzugsverbot entschieden. Das Gericht plädierte also für den Abzug der tatsächlichen Werbungskosten, wenn diese den Sparer-Pauschbetrag übersteigen.
Aber Achtung: Das Urteil gilt nur in Fällen, in denen die tarifliche Einkommensteuer unter dem Abgeltungssteuersatz von 25 % liegt.
Kein Sterbenswörtchen hingegen hat das erstinstanzliche Gericht dazu gesagt, wie Fälle zu handhaben sind, bei denen es bei der Abgeltungssteuer verbleibt. Also solche Fälle, bei denen die persönliche tarifliche Steuer des Kapitalanlegers höher ist als der Abgeltungssteuersatz von besagten 25 %. Auch in diesen Fällen dürfen nämlich nach der Gesetzeslage keine Werbungskosten mindernd berücksichtigt werden.
In dieser Frage ist mittlerweile ein weiteres Verfahren vor dem Finanzgericht Münster unter dem Aktenzeichen 3 K 1277/11 anhängig. Die Münsteraner haben hier zu prüfen, ob das generelle Abzugsverbot für Werbungskosten vereinbar ist mit dem verfassungsrechtlichen Gebot der Besteuerung nach der Leistungsfähigkeit und dem objektiven Nettoprinzip. Die Argumentation der hier klagenden Steuerpflichtigen: Die Nichtabziehbarkeit der tatsächlichen Werbungskosten verstößt aufgrund einer erdrosselnden Steuerwirkung gegen das Grundgesetz.
Mittlerweile hat sich die Oberfinanzdirektion Rheinland in einem Erlass vom 26.02.2013 (Az: S 2252 – 1084 – St 223 bzw. akt. Kurzinfo ESt 8/2011) zur praktischen Handhabung der beiden Urteile bzw. des Verfahrens vor dem Finanzgericht Münster geäußert.
Soweit es das Urteil des Finanzgerichts Baden-Württemberg betrifft, sieht die Finanzverwaltung die Entscheidung nicht als geeignet an, kommende Einspruchsverfahren auf Basis dieser Thematik ruhen zu lassen. Dies dürfte jedoch mittlerweile nicht mehr gelten, da gegen das Urteil des Finanzgerichts Baden-Württemberg die Revision beim Bundesfinanzhof unter dem Aktenzeichen VIII R 13/13 geführt wird. Da insoweit eine Anhängigkeit vor dem obersten deutschen Finanzgericht besteht, sind entsprechende Verfahren, die sich darauf berufen, zwingend ruhend zu stellen. Ein Ermessen hat die Finanzverwaltung hierbei nicht mehr.
Hinsichtlich des anhängigen Verfahrens beim Finanzgericht Münster gibt sich wiederum die Oberfinanzdirektion Rheinland gemäßigter. Danach gilt aufgrund des oben genannten Erlasses: Es bestehen keine Bedenken, anhängige Rechtsbehelfe in denen primär eine Verletzung des objektiven Nettoprinzips geltend gemacht wird ruhend zu stellen. Voraussetzung für die eigene Verfahrensruhe ist dabei lediglich, dass auch tatsächlich Werbungskosten oberhalb des Sparer-Pauschbetrages angefallen sind.
Tipp: | Betroffene Anleger sollten daher entweder unter Verweis auf das anhängige Verfahren vor dem Bundesfinanzhof oder auf das Verfahren beim Finanzgericht Münster Einspruch einlegen und die eigene Verfahrensruhe beantragen. Da die Thematik noch nicht ausgestanden ist, werden wir sicherlich weiterhin berichten. |