Mit Urteil vom 07.12.2016 hat der Bundesfinanzhof unter dem Aktenzeichen II R 21/14 entschieden, dass ein vom Erblasser nicht geltend gemachter Pflichtteilsanspruch zum Nachlass gehört und beim Erben der Besteuerung aufgrund des Erbanfalls unterliegt. Das außerordentlich Pikante an der Entscheidung: Auf die Geltendmachung des geerbten Pflichtteilsanspruchs durch den Erben kommt es überhaupt nicht an.
Was sich zunächst ein wenig verworren anhört, wird durch die Schilderung des Urteilssachverhalts deutlicher: Im Streitfall war der Kläger Alleinerbe seines Vaters. Dem Vater stand wegen einer Erbausschlagung noch ein Pflichtteilsanspruch in Höhe von immerhin 400.000 Euro zu. Tatsächlich hat der verstorbene Vater diesen Anspruch jedoch zu seinen Lebzeiten gegenüber dem Verpflichteten nicht geltend gemacht.
Steuerlich ist es an dieser Stelle für den verstorbenen Vater so, dass die Erbschaftsteuer für den Pflichtteilsberechtigten erst entsteht, wenn er die Erfüllung seines Pflichtteilsanspruchs verlangt. Tatsächlich tat dies der Vater jedoch niemals, sodass lediglich der Anspruch auf Zahlung von 400.000 Euro zum Nachlass gehört.
Der Bundesfinanzhof hat mit der vorgenannten Entscheidung nun deutlich gemacht, dass ein vom Erblasser (hier der Vater) nicht geltend gemachter Pflichtteilsanspruch bereits aufgrund des Erbanfalls bei dem Erben (Sohn) der Besteuerung unterliegt. Dabei ist es vollkommen irrelevant, ob der Erbe (Sohn) den Pflichtteilsanspruch geltend macht. Das Vermögen des Erblassers geht im Wege der Gesamtrechtsnachfolge als Ganzes auf den Erben über. Dazu gehört auch ein dem Erblasser zustehender Pflichtteilsanspruch, weil dieser kraft Gesetzes vererblich ist. Für die Besteuerung ist es folglich nicht erforderlich, dass der Erbe den Pflichtteilsanspruch geltend macht.
Demgegenüber unterliegt der Pflichtteilsanspruch, der in der Person des Pflichtteilsberechtigten entsteht (also in unserem Fall in der Person des verstorbenen Vaters), erst mit der Geltendmachung der Erbschaftsteuer. Der Pflichtteilsberechtigte kann also (anders als sein eigener Erbe) die Erbschaftsteuer dadurch vermeiden, dass er nicht die Erfüllung seines Pflichtteilsanspruchs verlangt.
Problematisch ist die vorgenannte Entscheidung des Bundesfinanzhofs aus München in solchen Fällen, in denen aus gestalterischen Gründen auf die Geltendmachung des Pflichtteils verzichtet wurde. Beim Pflichtteilsberechtigten hat dies keine Folge, da hier allein auf den Anspruch keine Erbschaftsteuer anfällt. Verstirbt jedoch der Pflichtteilsberechtigte vor der Verjährung seines Pflichtteilsanspruches, wird dieser vererbt und sein Erbe muss als Gesamtrechtsnachfolger darauf Erbschaftsteuer zahlen, selbst wenn er den Pflichtteilsanspruch tatsächlich nicht geltend macht.
Menschlich eine nur schwer nachvollziehbare Entscheidung, welche jedoch in der steuerlichen und juristischen Subsumtion leider als richtig eingeordnet werden muss.