Steuerbüro Bachmann

Adoptionskosten als außergewöhnliche Belastung?

In der Praxis ist es regelmäßig schwierig einzuordnen, welche Kosten zu den außergewöhnlichen Belastungen gehören und welche nicht steuermindernd berücksichtigt werden können. Tatsächlich gilt: Nach § 33 Abs. 1 des Einkommensteuergesetzes (EStG) wird die Einkommensteuer auf Antrag ermäßigt, wenn einem Steuerpflichtigen zwangsläufig größere Aufwendungen als der überwiegenden Mehrzahl der Steuerpflichtigen gleicher Einkommensverhältnisse, gleicher Vermögensverhältnisse und gleichen Familienstandes erwachsen. Liest und überdenkt man nur diese vorstehenden Zeilen, könnte man meinen, dass Adoptionskosten in jedem Fall als außergewöhnliche Belastungen allgemeiner Art zur Steuerminderung beitragen müssen.

Mit den vorstehenden Ausführungen ist jedoch die Regelung bzw. deren Definition noch nicht zu Ende. In § 33 Abs. 2 EStG ist nämlich geregelt, wann die unbedingt nötige Zwangsläufigkeit der Aufwendungen vorliegt. Danach gilt: Aufwendungen entstehen einem Steuerpflichtigen zwangsläufig, wenn er sich ihnen aus rechtlichen, tatsächlichen oder sittlichen Gründen nicht entziehen kann, soweit die Aufwendungen den Umständen nach notwendig sind und einen angemessenen Betrag nicht übersteigen.

Auf dieser Basis hatte der Bundesfinanzhof in den letzten Jahren insbesondere entschieden, dass auch die Kosten für eine künstliche Befruchtung als außergewöhnliche Belastungen allgemeiner Art steuermindernd angesetzt werden dürfen. Dabei soll irrelevant sein, ob es sich um ein Ehepaar oder um ein nicht verheiratetes Paar handelt. Ebenso ist es genauso irrelevant, ob es sich um eine homologe künstliche Befruchtung handelt, bei der die Eizelle der empfängnisunfähigen Frau und die Samenzelle des männlichen Partners verwendet wird. In einem solchen Fall hatte der Bundesfinanzhof bereits mit Urteil vom 10.05.2007 unter dem Aktenzeichen III R 47/05 den Abzug als außergewöhnliche Belastung zugelassen.

In 2007 ist der Bundesfinanzhof mit Urteil vom 16.12.2007 unter dem Aktenzeichen VI R 43/10 dann noch einen Schritt weiter gegangen, in dem er auch für die heterologe künstliche Befruchtung, also unter Verwendung der Samenzellen eines Spenders, den Abzug als außergewöhnliche Belastung zugelassen hat.

Diese Urteile zur künstlichen Befruchtung fußen auf der ständigen Rechtsprechung des Bundesfinanzhofs, in der davon ausgegangen wird, dass Krankheitskosten ohne Rücksicht auf Art und Ursache der Erkrankung dem Steuerpflichtigen aus tatsächlichen Gründen zwangsläufig erwachsen. Als Krankheitskosten werden solche Aufwendungen berücksichtigt, die zum Zwecke der Heilung einer Krankheit entstehen oder mit dem Ziel getätigt werden, die Krankheit erträglicher zu machen. Insoweit erkennt der Bundesfinanzhof die organisch bedingte Sterilität eines Partners als objektiv regelwidrigen Zustand des Körpers an, der im Sinne der steuerrechtlichen Rechtsprechung (und wohlgemerkt nur in diesem) als Krankheit eingeordnet werden kann. Die Folge: Die Maßnahmen zur künstlichen Befruchtung können als Krankheitskosten eingestuft werden, die zwangsläufig erwachsen und somit in den Bereich der außergewöhnlichen Belastungen fallen. Eine Steuerminderung ist daher möglich.

Dies sieht der Bundesfinanzhof in München jedoch bei Kosten einer Adoption anders. Die Aufwendungen, die einem Paar aufgrund der Adoption eines Kindes im Fall einer organisch bedingten Sterilität eines Partners entstehen, stellen keine Krankheitskosten dar. Insoweit werden die Adoptionskosten aufgewendet, um der Kinderlosigkeit des Paares ein Ende zu bereiten. Da jedoch der Zustand der Kinderlosigkeit schwerlich als Krankheit eingeordnet werden kann, fehlt es nach der Subsumtion des Bundesfinanzhofs bei Adoptionskosten an der zwingend notwendigen Zwangsläufigkeit. Die Folge: Adoptionskosten dürfen nicht als außergewöhnliche Belastung anerkannt werden.

In der Tat muss man sagen, dass an der Argumentation und auch der Subsumtion der Vorschrift durch den Bundesfinanzhof durchaus etwas dran ist. Insoweit fehlt es bei den Adoptionskosten an der nötigen Zwangsläufigkeit, weil das entsprechende Paar auch einfach im Zustand der Kinderlosigkeit hätte verweilen können. Dennoch muss auch berücksichtigt werden, dass die Kinderlosigkeit in solchen Fällen definitiv die Folge der als Krankheit einzustufenden Sterilität eines Partners ist, weshalb insoweit auch wieder der Bogen zu den außergewöhnlichen Belastungen allgemeiner Art geschlagen werden könnte.

Exkurs: Auch wenn es sich bei der vorstehenden Entscheidung um eine Entscheidung des Bundesfinanzhofs in München handelt, ist die gerichtliche Reise damit noch nicht zu Ende. Gegen die negativ ausfallende Entscheidung des obersten Finanzgerichts der Republik wurde nämlich Verfassungsbeschwerde eingelegt, so dass sich nun die Karlsruher Bundesverfassungsrichter unter dem Aktenzeichen 2 BvR 208/15 mit der Frage beschäftigen müssen. Es bleibt zu hoffen, dass es ihnen gelingt, den angedeuteten Bogen zu den außergewöhnlichen Belastungen zu schlagen.