Steuerbüro Bachmann

Änderung bei der Ermittlung der zumutbaren Belastung

Außergewöhnliche Belastungen allgemeiner Art können leider grundsätzlich nicht ab dem ersten Euro steuermindernd wirken. Häufig muss man daher sagen, dass außergewöhnliche Belastungen allgemeiner Art zwar dem Grunde nach steuermindernd abzugsfähig sind, jedoch zunächst in jedem Einzelfall noch zu prüfen ist, ob auch eine steuermindernde Abzugsfähigkeit der Höhe nach erreicht wird. Das Stichwort lautet hier „zumutbare Belastung“.

Tatsächlich können außergewöhnliche Belastungen nämlich nur insoweit steuermindernd wirken, als sie die sogenannte zumutbare Belastung übersteigen. Diese zumutbare Belastung ermittelt sich ausweislich einer Tabelle im Einkommensteuergesetz in § 33 Abs. 3 Einkommensteuergesetz (EStG). Über diese Tabelle wird in jedem konkreten Einzelfall die zumutbare Belastung in Abhängigkeit der Höhe des Gesamtbetrags der Einkünfte sowie der persönlichen Verhältnisse ermittelt.

Bisher hat man die Tabelle des Einkommensteuergesetzes so verstanden, dass bei Überschreiten des jeweiligen Gesamtbetrags der Einkünfte der aufgrund der persönlichen Verhältnisse und des Familienstandes anzuwendende Prozentsatz auf den gesamten Gesamtbetrag der Einkünfte anzuwenden ist.

Folgendes Beispiel verdeutlicht die bisherige Anwendung:

Ausgangssachverhalt: Eine Familie mit zwei Kindern hat einen Gesamtbetrag der Einkünfte von 60.000 Euro

Ermittlung der zumutbaren Belastung nach der bisherigen Sichtweise:

Da der Gesamtbetrag der Einkünfte über 51.130 Euro liegt und es sich um Steuerpflichtige mit einem oder zwei Kindern handelt, beträgt der Prozentsatz zur Ermittlung der zumutbaren Belastung 4 Prozent des Gesamtbetrags der Einkünfte.

Die zumutbare Belastung beträgt daher: 60.000 Euro Gesamtbetrag der Einkünfte mal 4 Prozent, also 2.400 Euro.

Aufgrund einer aktuellen Entscheidung des Bundesfinanzhofs in München vom 19.01.2017 unter dem Aktenzeichen VI R 75/14 wird die zumutbare Belastung nach § 33 Abs. 3 EStG nun jedoch stufenweise ermittelt.

Abweichend von der bisherigen (auch durch die Rechtsprechung gebilligten) Verwaltungsauffassung, wonach sich die Höhe der zumutbaren Belastung ausschließlich nach dem höheren Prozentsatz richtet, sobald der Gesamtbetrag der Einkünfte eine der im Gesetz genannten Grenzen überschreitet, ist die Regelung ab sofort vielmehr so zu verstehen, dass nur der Teil des Gesamtbetrags der Einkünfte, der den im Gesetz genannten Grenzbetrag übersteigt, mit dem jeweils höheren Prozentsatz belastet wird.

Die Regelung stellt also für die Anwendung eines bestimmten Prozentsatzes des Gesamtbetrags der Einkünfte gerade nicht auf den gesamten Gesamtbetrag der Einkünfte ab. Der Gesetzeswortlaut legt es nach der Meinung der Richter des Bundesfinanzhofs vielmehr nahe, dass sich der gesetzlich festgelegte Prozentsatz nur auf den Gesamtbetrag der Einkünfte in der Spalte der Tabelle bezieht, in der sich auch die jeweilige Prozentzahl befindet. Bei diesem wörtlichen Verständnis des Gesetzes ergibt sich daher auf Basis des Ausgangssachverhalts unseres oben begonnenen Beispiels folgende Berechnung:

Berechnung ausgehend von der neuen Sichtweise des BFH-Urteils:

Der Gesamtbetrag der Einkünfte beträgt 60.000 Euro. Die zumutbare Belastung ermittelt sich daher deutlich komplizierter, aber Steuerzahler-freundlicher, wie folgt:

– bis 15.340 Euro wird mit 2 Prozent multipliziert (Ergebnis: 306,80 Euro)

– 35.790 Euro (51.130 Euro abzüglich 15.340 Euro) wird mit 3 Prozent multipliziert (Ergebnis: 1.073,70 Euro)

– 8.870 Euro (60.000 Euro abzüglich 51.130 Euro) wird mit 4 Prozent multipliziert (Ergebnis: 354,80 Euro)

Zusammengerechnet beträgt die Höhe der zumutbaren Belastung also 1.735,30 Euro

Das Beispiel zeigt, dass die Neuberechnung zu einer deutlich geringeren zumutbaren Belastung als bisher führt, was im weiteren Schritt bedeutet, dass außergewöhnliche Belastungen allgemeiner Art auch viel früher der Höhe nach steuermindernd wirken können. Im Beispielsfall ist die zumutbare Belastung immerhin um etwa 665 Euro geringer als nach der alten Sichtweise der Dinge.

Exkurs: Zum jetzigen Zeitpunkt ist noch nicht bekannt, wie die Finanzverwaltung mit diesem Urteil des Bundesfinanzhofs umgehen wird. Es ist daher zu befürchten, dass der Gesetzgeber mit einem so genannten Nichtanwendungsgesetz reagieren wird, wonach der Gesetzestext der bisherigen Sichtweise der Dinge schlicht angepasst wird. Bis auf weiteres kann jedoch von der positiven Entscheidung des Bundesfinanzhofs profitiert werden. Also sollte jetzt bei der Berechnung der zumutbaren Belastung ganz genau hingesehen werden. Dies gilt umso mehr, als dass die einschlägigen Steuerberechnungsprogramme diese Berechnung wohl noch nicht beinhalten werden.