Steuerbüro Bachmann

Änderung bestandskräftiger Einkommensteuerbescheide aufgrund nacherklärter Kapitaleinkünfte

Wenn ein bestandskräftiger Einkommensteuerbescheid vorliegt, kann dieser nur noch mittels einer sogenannten Änderungsvorschrift abgeändert werden. Fraglich ist dabei in der Praxis regelmäßig, welche der zahlreichen Änderungsvorschriften denn tatsächlich in Betracht kommt und schließlich überhaupt angewendet werden kann. Immerhin haben die einzelnen Vorschriften auch unterschiedliche Voraussetzungen, damit sie überhaupt angewendet werden dürfen. Eine der häufigsten Änderungsvorschriften ist § 173 der Abgabenordnung (AO) hinsichtlich der Aufhebung oder Änderung von Steuerbescheiden wegen neuer Tatsachen oder Beweismittel. Aber was verbirgt sich konkret dahinter?

Aufgrund der Regelung in § 173 AO gilt: Steuerbescheide sind aufzuheben oder zu ändern, wenn in der ersten Alternative Tatsachen oder Beweismittel nachträglich bekannt werden, die zu einer höheren Steuer führen.

Darüber hinaus sind Steuerbescheide allerdings ebenso aufzuheben und zu ändern, soweit Tatsachen oder Beweismittel nachträglich bekannt werden, die zu einer niedrigeren Steuer führen und den Steuerpflichtigen kein grobes Verschulden daran trifft, dass die Tatsachen oder Beweismittel erst nachträglich bekannt werden. Insoweit ist die Änderungsmöglichkeit an eine (für die Praxis nicht zu unterschätzende) Voraussetzung geknüpft, wenn die Änderung selbst zu einer niedrigeren Steuer führen würde. Diese Voraussetzung, also konkret das Verschulden des Steuerpflichtigen für das nachträgliche Bekanntwerden, ist erfreulicherweise auch wieder unbeachtlich, wenn die Tatsachen oder Beweismittel in einem unmittelbaren oder mittelbaren Zusammenhang mit Tatsachen oder Beweismitteln stehen, die zu einer höheren Steuer führen. In diesem Fall kann also die Steuerfestsetzung auch trotz eines Verschuldens des Steuerpflichtigen geändert werden.

In einem Urteilssachverhalt vor dem Niedersächsischen Finanzgericht war nun streitig, ob zwischen Kapitalerträgen mit und ohne inländischen Steuerabzug unter Berücksichtigung der Günstigerprüfung ein entsprechender Zusammenhang besteht, der ein Verschulden des Steuerpflichtigen unbeachtlich für die nachträgliche Kenntnis an den Tatsachen, die zu einer niedrigeren Steuer führen, macht.

Mit Urteil vom 17.05.2017 hat das Niedersächsische Finanzgericht unter dem Aktenzeichen 3 K 268/15 jedoch einen entsprechenden Zusammenhang erkannt. Aufgrund der Entscheidung gilt: Werden nach einer bestandskräftig durchgeführten Steuerfestsetzung bisher nicht erklärte und dem Steuerabzug unterworfene Kapitalerträge nachträglich bekannt und wird in diesem Zusammenhang erstmals ein Antrag auf Günstigerprüfung gestellt, ist für die Frage, ob die nachträglich bekannt gewordenen Tatsachen zu einer höheren oder einer niedrigeren Steuer führen, eine Gesamtbetrachtung unter Einbeziehung des Ergebnisses nach der Günstigerprüfung durchzuführen.

Gegebenenfalls ist bei dieser Betrachtung auch die mit der Abgeltungssteuerwirkung einbehaltene Kapitalertragsteuer einzubeziehen.

Konkret entschieden daher die Richter: Werden auch nicht dem inländischen Steuerabzug unterworfene Kapitalerträge nacherklärt, die auch ohne Antrag auf Günstigerprüfung zur Festsetzung der Steuer durch eine Erhöhung der tariflichen Einkommensteuer führen, ist das Verschulden des Steuerpflichtigen für das nachträgliche Bekanntwerden der Tatsachen unbeachtlich.

Klar und deutlich führten die Richter aus: Die Kapitalerträge sind selbst dann steuererhöhende Tatsachen, wenn die Anrechnung der ausländischen Quellensteuer zu einer Steuererstattung führt. Eine Gesamtbetrachtung unter Einbeziehung der Steueranrechnungsbeträge kommt insoweit nicht in Betracht.

Exkurs:Tatsächlich ist mit der erstinstanzlichen Entscheidung des Niedersächsischen Finanzgerichtes die Sache jedoch noch nicht erledigt. Vielmehr muss unter dem Aktenzeichen VIII R 7/18 auch noch der Bundesfinanzhof klären, ob zwischen Kapitalerträgen mit und ohne inländischen Steuerabzug unter Berücksichtigung der Günstigerprüfung ein unmittelbarer oder mittelbarer wirtschaftlicher Zusammenhang besteht. Da die Chancen, dass dies auch der Bundesfinanzhof in diesem Zusammenhang erkennt, durchaus gegeben sind, sollten Betroffene Einspruch einlegen und sich auf das anhängige Musterverfahren beim Bundesfinanzhof beziehen.