Steuerbüro Bachmann

Änderungsmöglichkeit bei falsch übermittelten elektronischen Lohnsteuerdaten

Zwischen den Steuerpflichtigen und der Finanzverwaltung ist der Streit, ob eine offenbare Unrichtigkeit gemäß § 129 der Abgabenordnung (AO) vorliegt, seit jeher in vollem Gang. Ausweislich der Regelung kann die Finanzbehörde nämlich Schreibfehler, Rechenfehler und ähnliche offenbare Unrichtigkeiten, die beim Erlass eines Verwaltungsaktes unterlaufen sind, jederzeit berichtigen. Dies gilt insbesondere auch für sogenannte Übernahmefehler. Das bedeutet, dass ursprünglich der Steuerpflichtige in seiner Einkommensteuererklärung einen Fehler begangen hat, dieser jedoch für den Sachbearbeiter im Finanzamt so offensichtlich gewesen ist, dass er ihn hätte erkennen und berichtigen müssen. Unterlässt er dies, macht er sich den Fehler des Steuerpflichtigen zu Eigen.

Der bisher eher in analoger Sicht geführte Streit ist nun sozusagen um eine digitale Ebene bei den offenbaren Unrichtigkeiten erweitert worden. Gemeint sind damit Sachverhalte, bei denen die Daten, die dem Finanzamt in elektronischer Form übermittelt werden, falsch sind, jedoch dennoch Eingang in die Veranlagung des Steuerpflichtigen bekommen, obwohl der Sachbearbeiter beim Finanzamt den Fehler im Rahmen der Steuererklärung bzw. bei ordnungsgemäßer Kontrolle der damit eingereichten Belege hätte erkennen können.

In einem Fall vor dem Finanzgericht Hamburg hat dieses mit der Entscheidung vom 04.10.2018 unter dem Aktenzeichen 3 K 69/18 eine für den Steuerpflichtigen positive Entscheidung getroffen. Im Urteilssachverhalt erhielt der Steuerpflichtige Versorgungsbezüge in Höhe des Bruttoarbeitslohns. Diese waren auch in der Lohnsteuerbescheinigung entsprechend ausgewiesen. Ein Fehler lag allerdings in den an das Finanzamt elektronisch übermittelten Daten. Dort fehlte die Angabe, dass es sich bei dem Bruttoarbeitslohn zur Gänze auch um Versorgungsbezüge handelte. Stattdessen wurde nur ein voll steuerpflichtiger Bruttoarbeitslohn gemeldet. Auch in der Einkommensteuererklärung gab der Steuerpflichtige lediglich den Bruttoarbeitslohn an und versäumte es, diesen im Formular als Versorgungsbezug zu kennzeichnen. Lediglich aus der beigefügten Lohnsteuerbescheinigung ging hervor, dass es sich bei dem Bruttoarbeitslohn zur Gänze um einen Versorgungsbezug handelte.

Ein Abgleich mit den in Papierform eingereichten Belegen erfolgt jedoch beim Finanzamt offensichtlich nicht, da lediglich die Daten aus der elektronischen Datenübermittlung Eingang in den Einkommensteuerbescheid gefunden haben. So zumindest zunächst. Im weiteren Verlauf ergänzte nämlich ein Steuerbeamter die fehlenden Angaben zum Versorgungsbezug. Aufgrund eines Fehlers wurde jedoch in diesem Arbeitsschritt nicht nur der Freibetrag für Versorgungsbezüge berücksichtigt, sondern ebenso ein Arbeitnehmerpauschbetrag sowie ein Altersentlastungsbetrag fälschlicherweise steuermindernd angesetzt. Erst als der Arbeitgeber die falsch elektronisch übermittelten Daten in einer weiteren elektronischen Übermittlung korrigierte, fiel dem Finanzamt dieser Fehler auf und es erließ einen Einkommensteuerbescheid, der nun weder einen Arbeitnehmerpauschbetrag noch einen Altersentlastungsbetrag enthielt. Hiergegen richtete sich die Klage des Steuerpflichtigen, welcher schließlich durch die oben genannte Entscheidung des Finanzgerichts Hamburg stattgegeben wurde.

Danach gilt: Eine zu einer Berichtigung nach § 129 Satz 1 AO berechtigende offenbare Unrichtigkeit liegt nicht vor, wenn in der Einkommensteuererklärung in Papierform eine Eintragung zur Höhe der im Bruttoarbeitslohn enthaltenen Versorgungsbezüge fehlt und das Finanzamt aufgrund der vom Arbeitgeber elektronisch übermittelten Lohnsteuerdaten einen zu niedrigen Betrag einträgt, mit der Folge, dass zu Unrecht der Arbeitnehmerpauschbetrag und der Altersentlastungsbetrag gewährt werden.

Insoweit schließt sich das erstinstanzliche Finanzgericht Hamburg der Rechtsprechung des Bundesfinanzhofs vom 16.01.2018 unter dem Aktenzeichen VI R 41/16 an. Auch in diesem Streitfall hatten die obersten Finanzrichter der Republik bereits klargestellt: Gleicht das Finanzamt bei einer Papiererklärung den elektronisch übermittelten und in der Steuererklärung beigestellten Arbeitslohn generell nicht mit dem vom Steuerpflichtigen in der Einkommensteuererklärung erklärten Arbeitslohn ab und werden die Einnahmen aus nichtselbstständiger Arbeit im Einkommensteuerbescheid infolgedessen unzutreffend erfasst, liegt darin keine offenbare Unrichtigkeit im Sinne des § 129 AO. Stimmen nämlich der vom Steuerpflichtigen erklärte und der der Einkommensteuer aufgrund elektronisch übermittelter Daten beigestellten Arbeitslohn nicht überein, hat der Sachbearbeiter regelmäßig gegebenenfalls in weiteren Datenbanken zu ermitteln, welches der zutreffende Arbeitslohn ist. Unterlässt er dies, kann eine offenbare Unrichtigkeit nicht mehr gegeben sein und ein zu gering angesetzter Arbeitslohn kann nicht aufgrund einer offenbaren Unrichtigkeit mit seinem höheren, wenn auch materiell rechtlich korrekten, Wert angesetzt werden.

Im Streitfall vor dem Finanzgericht Hamburg gingen die erstinstanzlichen Richter sogar noch einen Schritt weiter und schlossen auch andere Änderungsmöglichkeiten aus. Hat der Steuerpflichtige nämlich die Eintragung zu den Versorgungsbezügen in der Anlage zur Einkommensteuererklärung versehentlichen unterlassen, der Erklärung aber wie hier eine Lohnsteuerbescheinigung mit dem zutreffenden Betrag beigefügt, überwiegt der Pflichtverstoß des Finanzamtes gegenüber dem Pflichtverstoß des Steuerpflichtigen deutlich. Dies verhindert nach Treu und Glauben eine Änderung aufgrund nachträglich bekannt gewordener Tatsachen oder Beweismittel, die zu einer höheren Steuer führen. So zumindest, wenn der Bearbeiter, der die Einkommensteuererklärung annimmt, dem Steuerpflichtigen die Lohnsteuerbescheinigung ungeprüft wieder aushändigt, weil das Finanzamt generell nur die elektronisch übermittelten Daten übernimmt.

Exkurs:Die positive Entscheidung besagt also, dass sich das Finanzamt nicht nur auf die ihm elektronisch übermittelten Daten verlassen darf, sondern diese (insbesondere bei auftretenden Diskrepanzen) auch hinterfragen und weiter ermitteln muss.Für die Praxis hat dies aber noch eine andere Problematik: Die vorgenannte Rechtsprechung ist nämlich zu Streitjahren ergangen, die vor 2017 lagen. Ab dem Besteuerungszeitraum 2017 hat der Gesetzgeber allerdings in § 175 b AO eine Änderungsmöglichkeit von Steuerbescheiden bei Datenübermittlung durch Dritte eingeführt und macht sich damit das Leben sehr einfach. Danach gilt nämlich, dass ein Steuerbescheid aufzuheben oder zu ändern ist, soweit von der mitteilungspflichten Stelle an die Finanzbehörde übermittelte Daten bei der Steuerfestsetzung nicht oder nicht zutreffend berücksichtigt wurden. Vereinfacht gesagt, könnte man auch behaupten, dass die Finanzverwaltung flankiert durch den Gesetzgeber den schwarzen Peter einfach weiterschiebt. Es würde daher nicht verwundern, wenn in der Zukunft auch die Regelung des § 175 b AO noch eine Überprüfung durch die Rechtsprechung erfährt.