Noch mit Entscheidung vom 23.07.2015 urteilte das Finanzgericht Münster unter dem Aktenzeichen 6 K 93/13 E, dass Aufwendungen einer in gleichgeschlechtlicher Partnerschaft lebenden Frau für eine künstliche Befruchtung unter Verwendung von Samenzellen eines Spenders nicht als außergewöhnliche Belastungen abziehbar sind. Dies begründete das erstinstanzliche Gericht seinerzeit damit, dass entsprechende Aufwendungen nicht im Einklang mit den Richtlinien der ärztlichen Berufsordnung stehen.
Zum Hintergrund des Einzelfalles: Im Urteilsfall hatte eine in gleichgeschlechtlicher Partnerschaft lebende Steuerpflichtige sich aufgrund ihrer Unfruchtbarkeit entschlossen, ihren Kinderwunsch durch eine künstliche Befruchtung mit Samen eines anonymen Spenders zu verwirklichen. Man spricht in diesem Zusammenhang von der sogenannten heterologen künstlichen Befruchtung. Die Behandlung ließ die Klägerin in einer dänischen Klinik durchführen und wollte im Anschluss die Kosten dieser Behandlung von rund 8.500 EUR als außergewöhnliche Belastung allgemeiner Art bei ihrer deutschen Einkommensteuererklärung steuermindernd ansetzen.
Entgegen der Meinung der Finanzverwaltung sowie des oben bereits zitierten erstinstanzlichen Finanzgerichtes ließ der Bundesfinanzhof mit Urteil vom 05.10.2017 unter dem Aktenzeichen VI R 47/15 den Abzug der Aufwendungen als außergewöhnliche Belastungen zu.
Aufgrund der höchstrichterlichen Entscheidung gilt daher: Aufwendungen einer empfängnisunfähigen (unfruchtbaren) Frau für eine heterologe künstliche Befruchtung durch In-Vitro-Fertilisation sind als außergewöhnliche Belastung in Form von Krankheitskosten auch dann zu berücksichtigen, wenn die Frau in einer gleichgeschlechtlichen Partnerschaft lebt.
Der Bundesfinanzhof begründete seine positive Entscheidung wie folgt: Da die Aufwendungen dazu dienen, die Fertilitätsstörung der Steuerpflichtigen auszugleichen, sind sie als insgesamt auf dieses Krankheitsbild abgestimmte Heilbehandlung darauf gerichtet, besagte Störung zu überwinden. Insoweit können sämtliche Aufwendungen einschließlich der auf die Bereitstellung und Aufbereitung des Spendersamens entfallenden Kosten als außergewöhnliche Belastung steuermindernd berücksichtigt werden. Eine Aufteilung der Krankheitskosten kommt folglich nicht in Betracht.
Auch die obersten Finanzrichter der Republik gingen in ihrer Entscheidung davon aus, dass die den Aufwendungen zugrunde liegende Behandlung mit der innerstaatlichen Rechtsordnung im Einklang stehen muss. Maßnahmen zur Sterilitätsbehandlung führen daher nur zu einer außergewöhnlichen Belastung, wenn sie in Übereinstimmung mit den Richtlinien der ärztlichen Berufsordnung vorgenommen werden. Entgegen des erstinstanzlichen Finanzgerichtes bejahte der Bundesfinanzhof für den Streitfall dies jedoch, da die Richtlinien der ärztlichen Berufsordnung mehrerer Bundesländer der bei der Klägerin vorgenommenen Kinderwunschbehandlung nicht entgegenstanden. Zudem gehen die obersten Finanzrichter der Republik von einer Zwangslage zur Umgehung einer vorhandenen Sterilität aus. Diese könne auch bei gleichgeschlechtlichen Paaren nicht verneint werden.
Die erfreuliche Folge: Der Bundesfinanzhof sieht die Kosten in vollem Umfang als abziehbar an.