Steuerbüro Bachmann

Beruflich veranlasste Krankheitskosten rechtfertigen Werbungskostenabzug

Krankheitskosten stellen in aller Regel keine Werbungskosten bei den Einkünften aus nichtselbstständiger Arbeit dar. Vielmehr gehören die Aufwendungen zur Vorbeugung oder Genesung einer Krankheit in den Bereich der außergewöhnlichen Belastungen. Aktuell hat der Bundesfinanzhof jedoch im Hinblick auf eindeutig beruflich veranlasste Krankheitskosten auch den Werbungskostenabzug nicht für ausgeschlossen gehalten.

Zum Hintergrund der aktuellen Rechtsprechung: In seiner Entscheidung vom 11.07.2013 (Az: VI R 37/12) urteilten die obersten Finanzrichter der Republik: Aufwendungen zur Wiederherstellung der Gesundheit können sehr wohl zum Werbungskostenabzug zugelassen werden. Dies gilt grundsätzlich immer dann, wenn sie betrieblich oder beruflich veranlasst sind. Eine solche Veranlassung ist dabei gegeben, wenn es sich um eine typische Berufskrankheit handelt oder der Zusammenhang zwischen der Erkrankung und dem Beruf eindeutig feststeht.

Im Urteilsfall ging es um eine nichtselbstständig tätige Geigerin. Aufgrund von Bewegungseinschränkungen in der Schulter machte sie krankengymnastische Behandlungen, konkret Aufwendungen für Dispokinese, als Werbungskosten geltend. Zur Begründung führte sie an, dass die Bewegungseinschränkungen sie an ihrer Erwerbstätigkeit hinderten. Im Ergebnis werden daher die Krankheitskosten aufgewendet, damit die Einnahmen aus nichtselbständiger Tätigkeit weiterhin erzielt werden können.

Wie nicht anders zu erwarten, lehnte sowohl das Finanzamt als auch das erstinstanzliche Finanzgericht, die beruflich veranlassten Krankheitskosten als Werbungskosten ab und setzte diese lediglich als außergewöhnliche Belastung an.

Weil außergewöhnliche Belastung jedoch nur steuermindernd wirken, soweit sie die individuell zu errechnende zumutbare Belastung überschreiten, dürfte grundsätzlich der Abzug als Werbungskosten günstiger sein. So war es auch im Fall der angestellten Geigerin.

Daher zog die Musikerin weiter zum Bundesfinanzhof nach München, welcher dem erstinstanzliche Finanzgericht sowie dem Finanzamt die Meinung geigte.

Weil es sich bei den Aufwendungen für die Dispokinese um eine Bewegungsschulung zur Veränderung der für die berufliche Tätigkeit relevanten körperlichen Prozesse (z. B. der Haltung) handelt, führten die obersten Richter zum einen aus, dass es sich dabei grundsätzlich auch um Fortbildungskosten handeln könnte.

Schließlich beabsichtigt die Steuerpflichtige durch die durchgeführte Bewegungsschulung ihre Körperhaltung für ihre berufliche Tätigkeit als Geigerin zu verbessern, damit dem folgend die Berufsausübung wieder bzw. wieder besser möglich ist.

Daneben erkannten die obersten Finanzrichter jedoch auch, dass gegebenenfalls eine Berufskrankheit in Betracht kommt. Diese würde wiederum den Abzug der Krankheitskosten als Werbungskosten rechtfertigen. Laut richterlicher Definition ist eine Berufskrankheit immer dann gegeben, wenn die Verminderung oder Behebung einer gesundheitlichen Störung vorliegt, die typischerweise mit der Berufstätigkeit verbunden ist.

Im Ergebnis erklärte daher der Bundesfinanzhof den individuellen Streitfall für nicht spruchreif und wies ihn an das erstinstanzliche Finanzgericht zurück. Dieses hat nun durch Sachverständigengutachten zu prüfen, ob es sich bei den Aufwendungen für die Dispokinese um Fortbildungskosten oder um die Verminderung bzw. Behebung einer typischen Berufskrankheit handeln kann. Unabhängig vom Ergebnis dieser Einordnung hat der Bundesfinanzhof jedoch die Möglichkeit des Werbungskostenabzugs bereits eröffnet.

Tipp: Auch wenn es für den Fiskus wahrscheinlich undenkbar ist, muss geprüft werden, ob nicht auch noch andere Krankheitskosten regelmäßig durch den Beruf veranlasst sind. In der Tat wird wahrscheinlich das Vorliegen einer Fortbildungsmaßnahme eher selten der Fall sein. Das Vorhandensein dieser Abzugsmöglichkeit liegt schlicht an den Besonderheiten des entschiedenen Einzelfalls. Wesentlich weniger selten (um nicht häufig zu sagen) dürfte jedoch die Verringerung oder Behebung von gesundheitlichen Störungen aufgrund einer typischerweise mit der Berufstätigkeit verbundenen Krankheit sein. Zu denken sei hier nur mal an die zahlreichen Tätigkeiten im Büro, die Haltungsschäden verursachen. Um Rücken- bzw. Nackenschmerzen an Computerarbeitsplätzen einzudämmen, können daher auch die Kosten für entsprechende Gymnastik-, Bewegungs- oder Wirbelsäulenkurse den Werbungskostenabzug ermöglichen. In der Praxis sollte daher darüber nachgedacht werden, dass entsprechende Aufwendungen auch bei den Werbungskosten im Rahmen der Einkünfte aus nichtselbstständiger Arbeit zum Einsatz kommen.

 

Exkurs: Zu beachten ist, dass es dem Steuerpflichtigen obliegt darzulegen, dass die entsprechenden Werbungskosten auch tatsächlich mit der Verringerung bzw. Behebung einer gesundheitlichen Störung zusammenhängen, welche definitiv durch die berufliche Tätigkeit verursacht wird. Die Beweislast für die Möglichkeit des steuermindernden Werbungskostenabzugs trägt (wie immer) der Steuerpflichtige.