Steuerbüro Bachmann

Deutliche Worte zum einheitlichen Vertragswerk

Das einheitliche Vertragswerk ist vereinfacht gesagt ein Rechtsinstitut, wonach bei der Anschaffung eines unbebauten Grundstücks und des Abschlusses eines Gebäudeerrichtungsvertrags auf letzteren sowohl Umsatzsteuer als auch Grunderwerbsteuer anfallen kann. Voraussetzung für diese doppelte Besteuerung ist, dass die beiden Verträge in einem objektiv sachlichen Zusammenhang stehen.

Für Immobilieninvestoren ist ein solcher Fall des einheitlichen Vertragswerks regelmäßig unangenehm und teuer, denn zu der Umsatzsteuer auf die Bauleistung in Höhe von bundeseinheitlich 19 % fällt dann auch noch Grunderwerbsteuer an, die je nach Bundesland immerhin auch noch mit stolzen 6,5 % zu Buche schlagen kann.

In einem sehr steuerzahlerunfreundlichen Urteil des II. Senats des Bundesfinanzhofs in München hat dieser am 04.12.2014 unter dem Aktenzeichen II R 22/13 folgende Leitsätze in die Welt gesetzt: Der objektiv sachliche Zusammenhang zwischen dem Grundstückskaufvertrag und weiteren Vereinbarungen wird schon dann indiziert (und führt damit zum Doppelanfall von Grunderwerbsteuer und Umsatzsteuer auf die Baukosten), wenn der Veräußerer dem Erwerber vor Abschluss des Kaufvertrags über das Grundstück aufgrund einer in bautechnischer und finanzieller Hinsicht konkreten und bis (annähernd) zur Baureife gediehenen Vorplanung ein bestimmtes Gebäude zusammen mit dem Grundstück zu einem im Wesentlichen feststehenden Preis angeboten hatte und der Erwerber dieses Angebot später unverändert oder mit geringen Abweichungen, die den Charakter der Baumaßnahmen nicht verändert haben, angenommen hat.

Auf der Veräußererseite können dabei mehrere Personen als Vertragspartner auftreten, so dass sich die Ansprüche des Erwerbers auf Übereignung des Grundstücks und auf Errichtung des Gebäudes zivilrechtlich gegen verschiedene Personen richten können, ohne dass dadurch das doppelte Lottchen aus Grunderwerbsteuer und Umsatzsteuer verhindert wird. Entscheidend ist insoweit, dass (auch) der den Grundstücksübereignungsanspruch begründende Vertrag in ein Vertragsgeflecht miteinbezogen ist, das unter Berücksichtigung aller Umstände darauf gerichtet ist, dem Erwerber als einheitlichen Erwerbsgegenstand das Grundstück in bebautem Zustand zu verschaffen.

Als wenn die Richter die Kritik an ihrer Entscheidung erahnt hätten, heißt es in dem Urteil weiter: Die Rechtsprechung des Bundesfinanzhofs zum „einheitlichen Erwerbsgegenstand“ verstößt nicht gegen das verfassungsrechtliche Gleichbehandlungsgebot und gegen Unionsrecht. Es besteht auch keine Divergenz zu der Rechtsprechung des V. Senats des Bundesfinanzhofs, der für Zwecke der Umsatzsteuer unter bestimmten Voraussetzungen ebenfalls von einer einheitlichen Leistung ausgeht und die Umsatzsteuer durch die grunderwerbsteuerrechtliche Beurteilung des Leistungsgegenstandes nicht betroffen sieht.

Gegen ganz konkret diese Entscheidung des II. Senats des Bundesfinanzhofs wettert aktuell in einer sehr extremen Deutlichkeit das erstinstanzliche niedersächsische Finanzgericht in einem Beschluss zur Aussetzung der Vollziehung unter dem Aktenzeichen 7 K 150/17.

So heißt es beispielsweise in dem Beschluss: Dass das beklagte Finanzamt bei der Grunderwerbsteuerfestsetzung der Rechtsprechung des für Grunderwerbsteuer zuständigen II. Senats des Bundesfinanzhofs zum sogenannten „fiktiven einheitlichen Leistungsgegenstand“ (auch „einheitliches Vertragswerk“ oder „einheitlicher Erwerbsgegenstand“ genannt) gefolgt ist, ändert nichts an der Rechtswidrigkeit der angefochtenen Grunderwerbsteuerbescheide. Denn das Gericht (gemeint ist hier das erkennende erstinstanzliche Finanzgericht Niedersachsen) ist nach Art. 20 Absatz 3 des Grundgesetzes (GG) an „Gesetz und Recht“ gebunden, nicht aber an die gesetzes- und rechtswidrige Rechtsprechung des II. Senats des Bundesfinanzhofs, die in dem Auslegungsergebnis eines „fiktiven einheitlichen Erwerbsgegenstands“ gipfelt. Das Gericht vertritt die Auffassung, dass die Rechtsprechung des II. Senats des Bundesfinanzhofs gegen das Grunderwerbsteuergesetz, gegen die Einheit der Steuerrechtsordnung, gegen das verfassungsrechtliche Gleichbehandlungsgebot, gegen das Verfahrensgrundrecht des Bürgers auf seinen gesetzlichen Richter und gegen europäisches Gemeinschaftsrecht verstößt.

Weiter heißt es dabei in dem Beschluss des Niedersächsischen Finanzgerichtes über den vorläufigen Rechtsschutz: So führt der II. Senat des Bundesfinanzhofs in seiner Entscheidung vom 4.12.2014 unter dem II R 22/13 aus, dass eine „Divergenz zu der Rechtsprechung des V. Senats des Bundesfinanzhofs, der für Zwecke der Umsatzsteuer unter bestimmten Voraussetzungen ebenfalls von einer einheitlichen Leistung ausgeht und die Umsatzsteuer durch die grunderwerbsteuerliche Beurteilung des Leistungsgegenstandes nicht betroffen sieht (…) angeblich nicht bestehe (…). Diese Aussage des II. Senats des Bundesfinanzhofs ist falsch. (So ist es tatsächlich wortwörtlich im Beschluss des erstinstanzlichen Finanzgerichtes zu lesen!). Denn die umsatzsteuerrechtliche Rechtsprechung des V. und XI. BFH-Senats weicht erkennbar von der Rechtsprechung des für Grunderwerbsteuer zuständigen II. Senats des Bundesfinanzhofs ab. Während nach Auffassung des II. BFH-Senats eine Einheit zwischen dem Grundstückskauf- und dem Bauerrichtungsvertrag auch angenommen werden kann, wenn – wie hier – auf der Veräußererseite mehrere Personen auftreten, kann ein einheitliches Vertragswerk nach Auffassung des V. sowie des XI. Senats nur vorliegen, wenn Personenidentität zwischen dem Veräußerer und dem Bauunternehmer besteht.

Nach derart deutlichen Worten der erstinstanzlichen Rechtsprechung in einem Aussetzungsbeschluss kann es daher rund um die Thematik des einheitlichen Vertragswerks nochmal spannend werden, wenn die Streitfrage des vorstehenden Beschlusses über den vorläufigen Rechtsschutz auch im Hauptsacheverfahren wieder zum Bundesfinanzhof gelangt.

Exkurs: Neben der ansonsten sehr drakonischen Rechtsprechung zum einheitlichen Vertragswerk wollen wir auch noch auf die Entscheidung des Bundesfinanzhofs vom 08.03.2017 unter dem Aktenzeichen II R 38/14 verweisen, wonach ein einheitlicher Erwerbsgegenstand bei wesentlicher Änderung des ursprünglich angebotenen Generalübernehmervertrags nach Abschluss des Grundstückskaufvertrags nicht gegeben ist.

Konkret lauten hier die Leitsätze der Entscheidung: Beruht der Vertrag zur Bebauung eines Grundstücks auf einem Angebot der Veräußererseite, das nach dem Abschluss des Grundstückskaufvertrags geändert wurde, ist ein Indiz für eine wesentliche Abweichung vom ursprünglichen Angebot und damit zugleich gegen das Vorliegen eines einheitlichen Erwerbsgegenstands, dass sich dadurch die Flächengrößen und/ oder die Baukosten um mehr als 10 % verändern. Die Errichtung eines zusätzlichen Gebäudes kann ebenfalls als Indiz für eine wesentliche Abweichung vom ursprünglichen Angebot zu werten sein. Ist das zusätzliche Bauwerk sogar derart prägend oder maßgebend für das gesamte Bauvorhaben, dass sich dadurch der Charakter der Baumaßnahme ändert, kann allein aufgrund des zusätzlichen Bauwerks eine wesentliche Änderung des ursprünglichen Angebots vorliegen, selbst wenn durch das zusätzliche Gebäude die 10 %-Grenze für die Flächen und die Baukosten nicht überschritten wird. Ändert sich die ursprünglich angebotene Baumaßnahme nach dem Abschluss des Grundstückskaufvertrags durch zusätzliche Bauten wesentlich, ist insgesamt ein einheitlicher Erwerbsgegenstand zu verneinen, und zwar unabhängig davon, ob daneben die weiteren, im ursprünglichen Angebot bereits enthaltenen Gebäude im Wesentlichen wie geplant errichtet werden.