Mit Urteil vom 31.07.2018 hat das Finanzgericht Hamburg unter dem Aktenzeichen 1 K 92/18 klargestellt, dass Ehegatten, die ihre Lebenspartnerschaft in eine Ehe umgewandelt haben, die Zusammenveranlagung zur Einkommensteuer auch bereits für bestandskräftig einzelveranlagte Jahre verlangen können.
Grund für diese Auffassung ist, dass die Umwandlung einer Lebenspartnerschaft nach § 20 a des Lebenspartnerschaftgesetzes (LPartG) in eine Ehe ein rückwirkendes Ereignis im Sinne von § 175 Abs. 1 Satz 1 Nummer 2 der Abgabenordnung (AO) ist. Im Ergebnis ist damit verfahrensrechtlich ein Ereignis gegeben, welches steuerliche Wirkung für die Vergangenheit hat.
Konkret heißt es in § 20 a LPartG, dass eine Lebenspartnerschaft in eine Ehe umgewandelt wird, wenn zwei Lebenspartnerinnen oder Lebenspartner gegenseitig persönlich und bei gleichzeitiger Anwesenheit erklären, miteinander eine Ehe auf Lebenszeit führen zu wollen.
Insofern hat das Finanzgericht Hamburg mit der oben bereits zitierten Entscheidung der Klage eines gleichgeschlechtlichen Ehepaares stattgegeben, dass die Zusammenveranlagung zur Einkommensteuer rückwirkend (man höre und staune) ab dem Jahr 2001 begehrte.
Die hanseatischen Richter begründen ihre Entscheidung wie folgt: Die Kläger hatten nach Inkrafttreten des Gesetzes über die eingetragene Lebenspartnerschaft am 01.08.2001 im Jahr 2001 eine Lebenspartnerschaft begründet, die sie nach Inkrafttreten des sogenannten Eheöffnungsgesetzes im November 2017 in eine Ehe umwandelten.
Aufgrund der gesetzlichen Regelung ist der Tag der Begründung der Lebenspartnerschaft nach der Umwandlung in eine Ehe für die Rechte und Pflichten der Partner maßgeblich. Weil die Zusammenveranlagung nach dem Splittingtarif in vielen Fällen zu einer Verringerung der Steuerlast führt, beantragten die Kläger, die für Eheleute vorgesehene Zusammenveranlagung nachträglich für alle Jahre seit Beginn ihrer Lebenspartnerschaft, also ab dem Jahr 2001, durchzuführen. Weil beide Partner bis in das Jahr 2012 bereits mit bestandskräftigen Bescheiden jeweils einzeln zur Einkommensteuer veranlagt worden waren, lehnte das Finanzamt die rückwirkende Zusammenveranlagung aufgrund verfahrensrechtlicher Vorschriften ab.
Dieser Argumentation des Finanzamtes ist das Gericht jedoch nicht gefolgt und hat der Klage stattgegeben. Das Eheöffnungsgesetz bestimmt nämlich in Art. 3 Abs. 2, dass nach der Umwandlung der Lebenspartnerschaft in eine Ehe für die Rechte und Pflichten der Lebenspartner der Tag der Begründung der Lebenspartnerschaft maßgebend sei. Nach der Umwandlung seien die Lebenspartner so zu stellen, als ob sie am Tag der Begründung der Lebenspartnerschaft geheiratet hätten. Das Eheöffnungsgesetz sei ein außersteuerliches Gesetz und damit grundsätzlich geeignet, ein rückwirkendes Ereignis im Sinne von § 175 Abs. 1 Satz 1 Nummer 2 AO darzustellen, sodass eine Änderung der bestandskräftigen Einkommensteuerbescheide gerechtfertigt ist. Eine solche Rückwirkung sei direkt aus Art. 3 Abs. 2 des Eheöffnungsgesetzes herzuleiten. Insoweit sei die Bestandskraft kein derart tragendes Prinzip des Rechts, dass eine Änderung bestandskräftiger Bescheide infolge einer Gesetzesänderung in jedem Fall einer ausdrücklichen gesetzlichen Anordnung der Rückwirkung bedürfe.
Exkurs: | Da das Finanzgericht Hamburg mit dieser Entscheidung durchaus in Bezug auf die nachträgliche Zusammenveranlagung für gleichgeschlechtliche Ehegatten Neuland betritt, war die Revision wegen grundsätzlicher Bedeutung der Sache zuzulassen. Derzeit ist nicht bekannt, ob die Finanzverwaltung die Revision zum Bundesfinanzhof eingelegt hat.
Im Ergebnis wird jedoch wahrscheinlich damit zu rechnen sein, dass hier abermals der Bundesfinanzhof die Angelegenheit zur Prüfung vorgelegt bekommt. Sollte die Finanzverwaltung hier nicht den Revisionszug besteigen, hätte man eher den Eindruck, dass die positive Entscheidung des Finanzgerichtes Hamburgs totgeschwiegen werden sollte. Betroffenen kann daher in ähnlich gelagerten Fällen nur geraten werden, unter Verweis auf die Entscheidung des Finanzgerichtes Hamburgs in eigenen Fällen selbst die Zusammenveranlagung zu beantragen. Verbleibt es bei der erstinstanzlichen Entscheidung aus Hamburg, wird man wohl selbst den Klageweg beschreiten müssen. Kommt es zur Revision, kann man hingegen schon im Einspruchsverfahren gegen den Ablehnungsbescheid des Finanzamtes unter Verweis auf das eventuelle Revisionsverfahren die eigene Verfahrensruhe erhalten. |