Steuerbüro Bachmann

Doppelte Haushaltsführung auch beim Zusammenleben am Beschäftigungsort?

Unter dem Aktenzeichen VIII R 29/16 müssen die obersten Finanzrichter des Bundesfinanzhofs in München aktuell folgende Rechtsfrage klären: Verstößt die Versagung der steuerlichen Anerkennung einer doppelten Haushaltsführung in den Fällen, in denen beiderseits berufstätige Eheleute mit ihren Kindern am Beschäftigungsort aus beruflichen Gründen eine familiengerechte Wohnung unterhalten, gegen das Grundgesetz?

Hintergrund des anhängigen Verfahrens vor dem obersten Finanzgericht der Republik ist ein Sachverhalt, in dem der Kläger aus beruflichen Gründen in eine andere Stadt zog. Da die Ehefrau des Klägers bei ihrem Ehegatten angestellt war, zog sie mit ihm um. Mit den Eheleuten zogen auch deren beide Kinder mit in die neue Stadt, sodass am Beschäftigungsort eine entsprechende familientaugliche Wohnung angemietet wurde.

Obwohl daher die gesamte (enge) Familie nun am Beschäftigungsort bzw. in dessen Umfeld wohnte, wollte der Kläger Aufwendungen für die doppelte Haushaltsführung als Werbungskosten bzw. Betriebsausgaben steuermindernd geltend machen, da er seinen ursprünglichen Wohnsitz nach wie vor als Hauptwohnung ansah.

Der für die doppelte Haushaltsführung zwingend notwendige Lebensmittelpunkt war nach Meinung des klagenden Steuerpflichtigen schon deshalb weiterhin am ursprünglichen Wohnort, da dort auch die restliche Familie sowie Freunde wohnten und sich dort zudem auch ein von ihm erbautes und finanziertes Eigenheim befand. Eine Verlegung des Lebensmittelpunktes an den Ort der Beschäftigung negierte der Kläger daher.

Allerdings sah das Finanzgericht München die Argumentation des Klägers als nicht zielführend an. Mit Entscheidung vom 23.09.2016 entschieden die Richter unter dem Aktenzeichen 1 K 1125/13, dass eine doppelte Haushaltsführung nicht gegeben ist, wenn am Ort der Beschäftigung zugleich der Lebensmittelpunkt liegt.

Eine doppelte Haushaltsführung ist demnach beendet, wenn keine Aufteilung in zwei Haushalte mehr gegeben ist, weil der Familienhaushalt an den Beschäftigungsort oder in dessen Einzugsbereich verlegt wird und der Arbeitnehmer bzw. Unternehmer seinen am Beschäftigungsort bisher unterhaltenen zweiten Haushalt aufgibt.

Dies ist in der Regel immer dann der Fall, wenn die Ehefrau (gegebenenfalls auch mit den Kindern) zu dem anderenorts beschäftigten Ehemann (nach-) zieht, auch wenn der Arbeitnehmer bzw. Unternehmer die frühere Familienwohnung beibehält, in der man sich zeitweilig aufzuhalten pflegt.

Die Regelung des Grundgesetzes, wonach Ehe und Familie unter dem besonderen Schutz der staatlichen Ordnung stehen, kann für beiderseits erwerbstätige Ehegatten nur dann einen gewissen Schutzcharakter entfalten, wenn Aufwand zur Disposition steht, der sich als zwangsläufig erweist, um Ehe und Beruf unter den Bedingungen hoher Mobilität zu vereinbaren.

Insgesamt ist jedoch der Lebensmittelpunkt einer Familie dort gegeben, wo sie sich überwiegend gemeinsam aufhält, ohne dass es maßgeblich auf weitere Kontakte zu Verwandten oder Freunden zur Bestimmung eines Lebensmittelpunktes ankommen könnte.

Im Ergebnis ist daher nach dem Tenor der erstinstanzlichen Entscheidung eine doppelte Haushaltsführung nicht möglich, wenn der Ehegatte und dann auch noch die Kinder an den Beschäftigungsort oder in dessen Umfeld (nach-) ziehen. Lediglich bis zum Nachzug der Familie kann unter den übrigen Voraussetzungen ggfs. eine doppelte Haushaltsführung zu bejahen sein.

Exkurs: Die Frage nach Kontakten zu Verwandten oder Freunden ist für die Bestimmung des Lebensmittelpunktes nur dann von Bedeutung, wenn es um die Frage der doppelten Haushaltsführung eines Alleinstehenden geht. In Familiensachverhalten wird hingegen vordringlich auf den Kreis der (engen) Familie abgestellt.

 

Tipp: Behält der Bundesfinanzhof die bisherigen Rechtsgrundsätze aus seiner Rechtsprechung zur doppelten Haushaltsführung bei, wird in entsprechenden Fällen wohl auch mit dem Familienumzug der Lebensmittelpunkt der Familie umziehen. Dies gilt dann vollkommen unabhängig von weiteren Kontakten zu Verwandten oder Freunden.

Sofern der Bundesfinanzhof diese Annahme jedoch aufhebt oder einschränkt, stehen die Chancen auf eine positive Entscheidung des Klägers nicht schlecht. Für Betroffene könnte sich daher empfehlen, die eigene Einkommensteuerveranlagung offen zu halten und auf das entsprechende Musterverfahren beim Bundesfinanzhof unter dem Aktenzeichen VIII R 29/16 zu verweisen – man hat ja nichts zu verlieren.