Steuerbüro Bachmann

Erleichterungen beim Vorsteuerabzug

Die Frage, ob eine ordnungsgemäße Rechnung vorliegt und somit der Vorsteuerabzug auch tatsächlich in Anspruch genommen werden kann, ist bei jeder Betriebsprüfung Kern der Prüfung und häufig auch ein kritischer Streitpunkt. In gleich zwei Entscheidungen des Bundesfinanzhofs vom 21.6.2018 unter den Aktenzeichen V R 25/15 und V R 28/16 erleichtert der Bundesfinanzhof in München nun deutlich die Voraussetzungen mit Blick auf die Angabe der Anschrift des leistenden Unternehmers in der Rechnung.

Zum Hintergrund des höchstrichterlichen Urteils: Eine Rechnung muss für den Vorsteuerabzug eine Anschrift des leistenden Unternehmers enthalten, unter der er postalisch erreichbar ist. Unter Aufgabe der bisherigen höchstrichterlichen Rechtsprechung hat der Bundesfinanzhof mit seinen beiden oben zitierten Urteil nun entschieden, dass es nicht mehr erforderlich ist, dass die Rechnung weitergehend einen Ort angibt, an dem der leistende Unternehmer seine Tätigkeit auch tatsächlich ausübt. Die rein postalische Erreichbarkeit ist daher voll und ganz ausreichend, damit die Voraussetzungen für den Vorsteuerabzug gegeben sind.

Bei der Umsatzsteuer setzt der Vorsteuerabzug aus Leistungsbezügen anderer Unternehmer eine Rechnung voraus, die (neben zahlreichen anderen Pflichtangaben) unter anderem auch die vollständige Anschrift des leistenden Unternehmers angeben muss. So geregelt in § 14 Abs. 4 Satz 1 Nummer 1 des Umsatzsteuergesetzes (UStG) in Verbindung mit der Regelung zum Vorsteuerabzug in § 15 Abs. 1 Nummer 1 Satz 2 UStG.

In den Streitfällen vor dem Bundesfinanzhof ging es nun um folgendes: Im ersten Fall unter dem Aktenzeichen V R 25/15 erwarb der Kläger, ein Autohändler, Kraftfahrzeuge von einem Einzelunternehmer, der im Onlinehandel tätig war, ohne dabei ein Autohaus zu betreiben. Dieser erteilte dem Kläger Rechnungen, in denen er als Anschrift einen Ort angab, an dem er lediglich postalisch erreichbar war. Die eigentliche unternehmerische Tätigkeit fand dort jedoch nicht statt.

Im zweiten Fall unter dem Aktenzeichen V R 28/16 bezog die Klägerin als Unternehmen in neun Einzellieferungen 200 Tonnen Stahlschrott von einer GmbH. In den Rechnungen war der Sitz der GmbH entsprechend der Handelsregistereintragung als Anschrift angegeben. Tatsächlich befanden sich dort die Räumlichkeiten einer Anwaltskanzlei. Die von der GmbH für die Korrespondenz genutzten Festnetz- und Faxnummern gehörten der Kanzlei, die als Domiziladresse für etwa 15 bis 20 Firmen diente. Ein Schreibtisch in der Kanzlei wurde gelegentlich von einem Mitarbeiter der GmbH genutzt, ansonsten fand dort jedoch keine unternehmerische Tätigkeit der GmbH statt.

In beiden Fällen bejahte der Bundesfinanzhof in München nun den Vorsteuerabzug aufgrund von ordnungsgemäßen Rechnungen. Für die Angabe der vollständigen Anschrift des leistenden Unternehmers reicht die Angabe eines Ortes mit postalischer Erreichbarkeit aus. Insoweit sind die Urteile als erfreulich und positiv zu werten, da sie in der Praxis, gerade bei sogenannten Online-Unternehmen, erhebliche Erleichterung bringen.

Dennoch muss auch darauf hingewiesen werden, dass der Bundesfinanzhof seine Rechtsprechungsänderung nicht ganz freiwillig eingeleitet hat. Vorangehenden sind nämlich Urteile des Europäischen Gerichtshofs vom 15.11.2017 unter den Aktenzeichen C 374/16 und C 375/16 zu nennen, bei denen schon der Europäische Gerichtshof darauf abgestellt hat, dass es für die vollständige Anschrift lediglich auf die postalischer Erreichbarkeit des leistenden Unternehmers ankommt und der Ort, an dem das Unternehmen tatsächlich betrieben wird, in diesem Zusammenhang zweitrangig ist.

Auch wenn die Rechtsprechungsänderung des Bundesfinanzhofs nicht ganz freiwillig geschah, ist sie doch für Unternehmer, die nach ihrer Geschäftstätigkeit zum Vorsteuerabzug berechtigt sind, von enormer Bedeutung. Immerhin kann der Leistungsempfänger prüfen, ob er den leistenden Unternehmer unter der in der Rechnung angegebenen Adresse auch postalisch erreichen kann. Ob an diesem Ort jedoch auch tatsächlich das Unternehmen betrieben wird, ist schon schwerer festzustellen und insbesondere in Onlinebranchen nahezu unmöglich. Das Urteil ist daher für die Praxis eine große Erleichterung, die allerdings auch unbedingt notwendig ist, da ansonsten dem Leistungsempfänger eine zu große Bürde auferlegt worden wäre. Beiträge