Steuerbüro Bachmann

Finanzamt muss mehr Verluste aus der Veräußerung von Aktien anerkennen

Ausweislich der gesetzlichen Regelung in § 20 Abs. 2 Satz 1 Nummer 1 des Einkommensteuergesetzes (EStG) gehört zu den Einkünften aus Kapitalvermögen auch der Gewinn aus der Veräußerung von Anteilen an einer Kapitalgesellschaft. Auch wenn die gesetzliche Regelung das Wort „Verlust“ nicht ausdrücklich nennt, ist mittlerweile vollkommen unumstritten, dass auch der Verlust aus der Veräußerung von Anteilen an einer Körperschaft zu (negativen) Einkünften aus Kapitalvermögen führt. Gerade im Hinblick auf den volatilen und häufig unplanbaren Aktienmarkt ist dies besonders wichtig, da so auch erlittene Verluste aus der Veräußerung von Wertpapieren insbesondere auch mit Aktiengewinnen steuermindernd verrechnet werden können.

Insoweit ist im Gesetz in § 20 Abs. 2 Satz 2 EStG ebenso geregelt, dass als Veräußerung im vorgenannten Sinne auch die Einlösung, Rückzahlung, Abtretung oder verdeckte Einlage in eine Kapitalgesellschaft gilt. Weiterhin stellt die Regelung klar, dass als Veräußerung neben der entgeltlichen Übertragung des zumindest wirtschaftlichen Eigentums auch die Abtretung einer Forderung, die vorzeitige oder vertragsmäßige Rückzahlung einer Kapitalforderung und die Einlösung einer Forderung oder eines Wertpapiers anzusehen ist. Entsprechendes gilt nach Auffassung der Finanzverwaltung auch für die verdeckte Einlage von Wirtschaftsgütern in eine Kapitalgesellschaft. Lediglich die Sicherungsabtretung von Wertpapieren ist keine Veräußerung im Sinne dieser Vorschrift.

Weitergehend vertritt die Finanzverwaltung im Schreiben des Bundesfinanzministeriums vom 18.01.2016 (Az: IV C 1-S 2252/08/10004) in Rz. 59 die fiskalisch geprägte Auffassung, dass eine Veräußerung nicht vorliegen soll, wenn der Veräußerungspreis die tatsächlichen Transaktionskosten nicht übersteigt. Wird folglich die Höhe der in Rechnung gestellten Transaktionskosten nach Vereinbarung mit dem depotführenden Geldinstitut dergestalt begrenzt, dass sich die Transaktionskosten nach der Höhe des Veräußerungserlöses errechnen, soll ein Veräußerungsverlust nach den Wünschen der Finanzverwaltung nicht zu berücksichtigen sein.

Weder wirtschaftlich noch nach irgendeiner steuerrechtlichen Logik ist diese fiskalische Auffassung nachvollziehbar, sodass man davon ausgehen muss, dass sie einzig und allein darauf abzielt, tatsächlich erlittene Verluste nicht steuermindernd verrechnen zu dürfen. So der Wille des Finanzamtes.

Entgegen der Finanzamtsauffassung und der offiziellen Auffassung der Finanzverwaltung hat jedoch der Bundesfinanzhof mit Urteil vom 12.06.2018 unter dem Aktenzeichen VIII R 32/16 den Verlust aus der Veräußerung von Aktien auch in solchen Fällen anerkannt. Konkret führt der Bundesfinanzhof ausdrücklich aus: Eine Veräußerung ist weder von der Höhe der Gegenleistung noch von der Höhe der anfallenden Veräußerungskosten abhängig. Damit ist die Finanzamtsauffassung im oben genannten Schreiben des Bundesfinanzministeriums nicht mehr in der Praxis haltbar. Vielmehr stellt nach der klaren Entscheidung des Bundesfinanzhofes jede entgeltliche Veräußerung des zumindest wirtschaftlichen Eigentums auf einen Dritten eine Veräußerung im Sinne der Vorschrift des § 20 Abs. 2 Satz 1 Nummer 1 EStG dar.

Die obersten Finanzrichter der Republik führen insoweit nämlich erfreulicherweise aus, dass das Gesetz keine weiteren Tatbestandsmerkmale nennt, weshalb solche auch nicht durch eine Verwaltungsauffassung geschaffen werden können.

Ebenso erkennt der Bundesfinanzhof in einer entsprechenden Vorgehensweise keinen Missbrauch von rechtlichen Gestaltungsmöglichkeiten im Sinne des § 42 der Abgabenordnung (AO). Vielmehr hat ein Steuerpflichtiger, der seine Aktien zu einem Veräußerungspreis in Höhe der Transaktionskosten oder auch geringer verkauft, nicht gegen eine vom Gesetzgeber vorgegebene Wertung verstoßen, sondern lediglich von einer ihm durch das Gesetz eingeräumten Möglichkeit Gebrauch gemacht.

Es steht grundsätzlich im Belieben des Steuerpflichtigen, ob, wann und mit welchem Ertrag er Wertpapiere erwirbt und wieder veräußert. Dies hatte im Wesentlichen der Bundesfinanzhof bereits schon einmal mit einem Urteil vom 25.08.2009 unter dem Aktenzeichen IX R 55/07 klargestellt. Auch in dieser Entscheidung haben die obersten Finanzrichter herausgearbeitet, dass es keinen Gestaltungsmissbrauch im Sinne des § 42 AO darstellt, wenn der Steuerpflichtige innerhalb der seinerzeitigen Jahresfrist des privaten Veräußerungsgeschäftes Wertpapiere mit Verlust veräußert und unmittelbar anschließend oder zumindest kurz danach gleichartige Wertpapiere zu unterschiedlichen Preisen wieder erwirbt.

Mit einem solchen Vorgehen macht der Steuerpflichtige lediglich von gesetzlich vorgesehenen Gestaltungsmöglichkeiten Gebrauch, er missbraucht diese aber nicht, weshalb ein so erlittener Verlust auch gegen den Willen des Fiskus steuermindernd berücksichtigt werden muss.

Exkurs: Neben der allein schon positiven Kernaussage des Urteils des Bundesfinanzhofes ergibt sich noch ein weiterer praktischer Effekt, den die Richter jedoch ebenso erfreulich positiv behandeln. Im entschiedenen Urteilssachverhalt konnte der Kläger nämlich keine Steuerbescheinigung seines Kreditinstitutes über den entstandenen Verlust vorlegen. Darin erkannte der Bundesfinanzhof jedoch auch kein Kriterium, das der Verlustverrechnung entgegensteht. Insoweit ist nämlich die tatsächliche Steuerbescheinigung des Kreditinstitutes über den erlittenen Verlust entbehrlich, wenn keine Gefahr der Doppelberücksichtigung des Verlustes besteht.

Mangels Entscheidungserheblichkeit im vorliegenden Fall haben die obersten Richter leider nicht dazu Stellung genommen, wie Sachverhalte zu behandeln sind, bei denen lediglich die bloße Ausbuchung von wertlos gewordenen Aktien aus dem Wertpapierdepot stattfindet. Unseres Erachtens kann hier jedoch auch nichts anderes gelten, wenn auch in diesem Fall sichergestellt ist, dass die Gefahr der Doppelberücksichtigung des Verlustes nicht besteht. Mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit werden zu dieser konkreten Fallgestaltung jedoch auch noch weitere Entscheidungen des Bundesfinanzhofs folgen, über die wir selbstverständlich wieder berichten werden.