Wir berichteten schon mehrfach über die gesetzliche Regelung, wonach für die seit 2009 geltende Abgeltungssteuer ein Ausnahmetatbestand geschaffen wurde. Danach soll die Abgeltungssteuer immer dann keine Anwendung finden, wenn der Gläubiger und der Schuldner von Zinsen (also von Kapitalerträgen) einander nahestehende Personen sind und der Schuldner zudem die Zinszahlung steuerlich als Betriebsausgaben oder Werbungskosten absetzen kann.
Das Problem an dieser Regelung: Zum einen hängt die Frage, wie der Gläubiger die Zinseinnahmen zu versteuern hat, davon ab, wie der Schuldner das hingegebene Darlehen nutzt. Insoweit ist es schon etwas komisch und für das Einkommensteuergesetz untypisch, dass die Besteuerung des einen davon abhängig ist, wie der andere sich verhält.
Darüber hinaus knüpft das Gesetz jedoch noch daran an, dass es sich zwischen Schuldner und Gläubiger um einander nahestehende Personen handeln muss. Dies führt zu einem weiteren Problem in der Praxis: Der Begriff der nahestehenden Personen ist nämlich gesetzlich nirgends definiert. Lediglich in der seinerzeit veröffentlichten Begründung des Gesetzesentwurfes in der Bundestagsdrucksache war zu lesen, dass mit „unter einander nahestehenden Personen“ ein Näheverhältnis gemeint ist, bei dem der Schuldner auf den Gläubiger oder umgekehrt der Gläubiger auf den Schuldner einen beherrschenden Einfluss ausüben kann oder wenn einer von ihnen ein eigenes wirtschaftliches Interesse an der Erzielung der Einkünfte des anderen hat. Mehr Definition gibt es dazu jedoch nicht.
Da dies alles in allem recht dürftig ist, regte sich sowohl in der Literatur als auch in der Rechtsprechung erheblicher Widerstand gegen die Vorschrift. Wir berichteten bereits in früheren Mandantenbriefen über anhängige Verfahren in diesem Zusammenhang. Ganz aktuell können wir eine erfreuliche Mitteilung machen: Einige Verfahren sind abgeurteilt – und zwar im Sinne der Steuerpflichtigen. Mit mehreren Entscheidungen vom 29.04.2014 entschied der VIII. Senat des Bundesfinanzhofs, dass die Anwendung des gesonderten Steuertarifs für Einkünfte aus Kapitalvermögen in Form des Abgeltungssteuersatzes von 25 % nicht schon deshalb ausgeschlossen ist, weil Gläubiger und Schuldner der Kapitalerträge Angehörige oder einander nahestehende Personen sind. Damit widerspricht der Bundesfinanzhof klar dem Gesetzeswortlaut unter der Fundstelle des § 32d Absatz 2 Satz 1 Nummer 1 Buchstabe a des Einkommensteuergesetzes (EStG).
Zu den Verfahren im Einzelnen ist zu sagen, dass unter dem Aktenzeichen VIII R 9/13 ein Fall abgeurteilt wurde, in dem ein Ehepaar seinem Sohn und seinen Enkeln ein Darlehen gewährte.
Unter dem Aktenzeichen VIII R 44/13 ging es sogar um einen Fall in dem der Ehemann seinen Kindern und seiner Ehefrau ein verzinsliches Darlehen zur Anschaffung eines Vermietungsobjektes hingab. Dieser Fall ist besonders von Bedeutung, da im Hinblick auf die Eheleute ein deutlicher Steuervorteil entsteht, wenn der persönliche Steuersatz der Ehegatten jenseits des Abgeltungssteuersatzes von 25 % liegt. In diesem Fall kann nämlich dann die Ehefrau die Schuldzinsen für das Vermietungsobjekt zum persönlichen Steuersatz oberhalb des Abgeltungssteuersatzes steuermindernd ansetzen, während der Ehegatte die Zinseinnahmen nur mit 25 % Abgeltungssteuer zu besteuern hat. Die Differenz ist quasi ein Reingewinn für die Eheleute, der direkt aus der gemeinsamen Einkommensteuererklärung hervorgeht.
Weiterhin entschied der Bundesfinanzhof unter dem Aktenzeichen VIII R 35/13 auch noch über einen Fall, in dem eine Schwester ihrem Bruder einen Kaufpreis für Gesellschaftsanteile verzinslich stundet.
In all diesen Fällen kam der Bundesfinanzhof zu dem Schluss, dass der Gläubiger sehr wohl seine Einnahmen aus Kapitalvermögen mit dem Abgeltungssteuersatz besteuern kann.
In all diesen Fällen führte dies zu einem deutlichen Steuervorteil, weil der persönliche Steuersatz der Gläubiger oberhalb des Abgeltungssteuersatzes lag.
In einer weiteren Entscheidung ging der Bundesfinanzhof sogar noch einen Schritt weiter, da es dabei um ein Darlehen zwischen der GmbH und einem ihrer Anteilseigner bzw. eine dem Anteilseigner nahestehende Person ging. Auch in diesem Fall lautete am 14.05.2014 unter dem Aktenzeichen VIII R 31/11 das Urteil: Der gesonderten Steuertarif für Einkünfte aus Kapitalvermögen in Form der Abgeltungssteuer ist bei einer Darlehensgewährung an eine GmbH nicht schon deshalb ausgeschlossen, weil der Gläubiger der Kapitalerträge ein Angehöriger des zu mehr als 10 % an der Schuldnerin beteiligten Anteilseigners ist.
Im Sinne dieses Urteils ist zu erwarten, dass auch die Abgeltungssteuer angewendet werden kann, wenn der Anteilseigner selber seiner GmbH ein entsprechendes Darlehen gibt. Schließlich sind keine Umstände zu erkennen, warum in solchen Fällen ein anderes Ergebnis gelten sollte.
Alles in allem ist klar und deutlich herauszuheben, dass der Bundesfinanzhof ausdrücklich erwähnt hat, dass die Abgeltungssteuer auch dann greift, wenn aufgrund des Steuersatzgefälles bei dem Gläubiger und dem Schuldner der Kapitalerträge ein so genannter Gesamtbelastungsvorteil entsteht. Soll heißen: Selbst wenn in Betrachtung des Familienverbundes unter dem Strich ein deutlicher Vorteil entsteht, darf die Abgeltungssteuer beim Gläubiger angewendet werden. Dies begründet der Bundesfinanzhof damit, dass bei Ehe und Familie im Hinblick auf Einkünfteermittlung keine Gemeinschaft begründet wird. Insbesondere ist dies auch bei Eheleuten der Fall, denn auch bei einer Zusammenveranlagung werden die Einkünfte noch getrennt ermittelt.
Insgesamt kommt der Bundesfinanzhof zu dem Schluss, dass die gesetzliche Regelung nach dem Willen des Gesetzgebers einschränkend auszulegen ist, so dass ein Näheverhältnis nur dann vorliegt, wenn auf eine der Vertragsparteien ein beherrschender oder außerhalb der Geschäftsbeziehung liegender Einfluss ausgeübt werden kann oder ein eigenes wirtschaftliches Interesse an der Erzielung der Einkünfte des anderen besteht. In diesem Zusammenhang hat sich der Bundesfinanzhof sehr an der Begründung des Gesetzesentwurfes orientiert. Folglich gilt: Ein lediglich aus der Familienangehörigkeit abgeleitetes persönliches Interesse ist nicht ausreichend, um ein im Gesetz gefordertes Näheverhältnis zu begründen und die Abgeltungssteuer nicht zum Zug kommen zu lassen.
Exkurs: | Es bleibt abzuwarten, wie die Finanzverwaltung mit diesen Entscheidungen umgeht. Über Neuigkeiten werden wir unmittelbar berichten. Insbesondere weil zu befürchten ist, dass am Ende der Geschichte eine Änderung des Gesetzes stehen wird. |
Tipp: | Bis dahin gilt jedoch: In der Praxis ist zu prüfen, ob die vorgenannten Urteile des Bundesfinanzhofs nicht zur Steuergestaltung genutzt werden können. Insbesondere unter Ehegatten können so deutliche Steuervorteile erzielt werden, wie die obige Schilderung bereits zeigt. |