Seit 2009 gibt es die Abgeltungssteuer. In der Folge werden grundsätzlich alle Einkünfte aus Kapitalvermögen der 25prozentigen Abgeltungssteuer zuzüglich Solidaritätszuschlag und (im Einzelfall gegebenenfalls) Kirchensteuer unterworfen. Wohl gemerkt: Grundsätzlich! Es gibt nämlich auch einige Ausnahmen. So beispielsweise die Regelung des § 32d Absatz 2 Nummer 1 Satz 1 Buchstabe a EStG.
Nach dieser Spezialregelung, die ebenfalls mit Einführung der Abgeltungsbesteuerung im Gesetz normiert wurde, sind Einnahmen aus Kapitalvermögen nämlich gerade nicht dem Abgeltungssteuersatz, sondern dem persönlichen Steuersatz zu unterwerfen, sofern die Kapitalerträge aus einer Darlehenshingabe stammen und Gläubiger sowie Schuldner des Darlehens einander nahestehende Personen sind. Dies sind aber nicht die einzigen Voraussetzungen, die erfüllt werden müssen, damit der Abgeltungssteuersatz sozusagen ausgehebelt wird. Der persönliche Steuersatz beim Darlehensgläubiger greift nämlich nur, soweit die den Kapitalerträgen entsprechenden Aufwendungen beim Schuldner Betriebsausgaben oder Werbungskosten im Zusammenhang mit einer Einkunftsart sind, die der inländischen Besteuerung unterliegt.
Mit anderen, vom Gesetz abgehobenen und daher einfacheren, Worten: Sofern der Darlehensschuldner die gezahlten Zinsen irgendwo steuermindernd ansetzten kann, darf der Darlehensgläubiger nicht mehr dem Abgeltungssteuersatz von (nur!) 25 Prozent anwenden, sondern muss sich die Besteuerung mit seinem persönlichen (wahrscheinlich deutlich höheren) Steuersatz gefallen lassen.
Folgendes Beispiel verdeutlicht den Sachverhalt, der hinter dieser Regelung stecken kann: Der Ehemann gibt seiner Frau ein Darlehen zwecks Anschaffung einer Immobilie zur Vermietung und Verpachtung. Der Steuersatz der Eheleute beträgt 35 Prozent (aus Vereinfachungsgründen werden im weiteren Solidaritätszuschlag und Kirchensteuer außer Acht gelassen).
Die zu zahlenden Schuldzinsen auf das Darlehen in Höhe von 10.000 EUR sind bei der Ehefrau Werbungskosten bei den Einkünften aus Vermietung und Verpachtung. Entsprechend des Steuersatzes von 35 Prozent führen diese Werbungskosten zu einer Steuerminderung von 3.500 EUR (10.000 EUR x 35 Prozent).
Würde der Ehemann die Zinseinnahmen von 10.000 EUR der Abgeltungssteuer unterwerfen müssen, würde für ihn nur eine Besteuerung von 2.500 EUR (10.000 EUR x 25 Prozent) resultieren. Im Ergebnis hätten die Eheleute als Einheit also einen positiven Schnitt von 1.000 EUR gemacht, obwohl Geld einfach nur zwischen ihnen hin und her gewechselt ist. Dies hatte seinerzeit auch der Gesetzgeber erkannt und in Form der oben bereits vorgestellten Spezialregelung einen Riegel vor diese Variante geschoben.
In der Fachwelt und der Fachliteratur ist diese Norm jedoch arg umstritten. Immerhin ist zu bedenken, dass die Besteuerung beim Darlehensgläubiger davon abhängig gemacht wird, wie der Darlehnsnehmer das Geld aus dem Kredit verwendet. Da man jedoch grundsätzlich auch bei zusammenveranlagten Eheleuten von zwei unterschiedlichen Steuersubjekten ausgehen muss, ist fraglich, ob eine solche Vorgehensweise rechtens sein kann.
Daneben ergeben sich jedoch auch noch weitere Bedenken. So wird auch die Frage aufgeworfen, ob eine solche Regelung überhaupt im Einklang mit dem Grundgesetz steht. In diesem Zusammenhang ist aktuell ein Verfahren vor dem Bundesfinanzhof in München unter dem Aktenzeichen VIII R 8/14 anhängig, in dem die obersten Finanzrichter der Republik klären müssen, ob die Regelung, wonach der Abgeltungssteuersatz auf Kapitalerträge aus Darlehensverhältnissen zwischen einander nahestehenden Person keine Anwendung findet, gegen den Gleichbehandlungsgrundsatz und das Grundrecht auf Schutz von Ehe und Familie verstößt.
Tipp: | In Sachverhalten, in denen daher die Regelung angewendet werden muss und der persönliche Steuersatz tatsächlich oberhalb des Abgeltungssteuersatzes liegt, sollte daher Einspruch eingelegt werden, damit von einem etwaigen positiven Verfahrensausgang profitiert werden kann. |
Exkurs: | Da es im Kern der Streitfrage um verfassungsrechtliche Bedenken geht, wird wahrscheinlich am Ende das Bundesverfassungsgericht in Karlsruhe sich mit der Sache befassen müssen. Dennoch muss schon jetzt Einspruch eingelegt werden, damit etwaige Steuerfestsetzungen nicht in die Festsetzungsverjährung hinein wachsen.
Da der Begriff des „nahestehen“ im Sinne der hier maßgeblichen Vorschrift gesetzlich nicht definiert ist, sind hierzu bereits zahlreiche weitere Verfahren beim Bundesfinanzhof anhängig. So muss unter dem Aktenzeichen VIII R 31/11 geklärt werden, ob die Großmutter oder Mutter eines GmbH-Gesellschafters als nahestehende Person im Sinne der Regelung bezeichnet werden kann. Ebenso ist unter dem Aktenzeichen VIII R 9/13 zu prüfen, ob Großeltern oder Eltern als nachstehende Person für diese Regelung infrage kommen. Unter dem Aktenzeichen VIII R 44/13 wird geklärt, wie es mit Müttern und Vätern aussieht, sowie unter dem Aktenzeichen VIII R 35/13, ob Geschwister als nachstehende Person im Sinne von § 32d Absatz 2 Nummer 1 Satz 1 Buchstabe a EStG bezeichnet werden können. Diesbezüglich hat das erstinstanzliche Finanzgericht Baden-Württemberg in seinem vorhergehenden Urteil vom 16.04.2013 bereits entschieden, dass der Abgeltungssteuersatz nicht zum Tragen kommt, wenn Gläubiger und Schuldner der Kapitalerträge Geschwister sind. |