Steuerbüro Bachmann

Für alle Steuerpflichtigen: Für Kinder gibt es keinen Freibetrag für Pflegeleistungen!?

Im deutschen Erbschaftssteuergesetz wird ein steuerpflichtiger Erwerb von Todes wegen bis zu 20.000 EUR von der Steuer befreit, soweit der Erwerber unentgeltlich oder gegen unzureichendes Entgelt Pflege oder Unterhalt dem Erblasser gewährt hat und soweit das Zugewendete als angemessenes Entgelt anzusehen ist. In der Praxis spricht man bei dieser Regelung vom so genannten Pflegefreibetrag, welcher in § 13 Abs. 1 Nummer 9 des Erbschaftssteuergesetzes geregelt ist.

Strittig ist in diesem Zusammenhang indes schon immer, ob Kinder, die ihre Eltern gepflegt haben, im Erbfall diesen Freibetrag in Anspruch nehmen können. Das Gesetz schweigt insoweit. Da Schweigen auch bedeutet, dass keine Einschränkungen gegeben sind, sollte der Leser des Gesetzes davon ausgehen dürfen (und müssen), dass auch Kindern ein entsprechender Freibetrag gewährt wird. Weit gefehlt, wie die aktuelle Meinung der Finanzverwaltung zeigt.

Nach dem Ergebnis der Erörterung durch die für die Erbschaftssteuer zuständigen Referatsleiter der obersten Finanzbehörden der Länder gilt zu der Frage, ob Kindern, die ihre Eltern gepflegt haben, im Erbfall der Freibetrag für Pflegeleistungen gewährt werden kann, offiziell folgendes:

Die fiskalisch denkenden Referatsleiter haben beschlossen, dass der Freibetrag nicht bei Erwerbern in Betracht kommt, die gesetzlich zur Pflege oder zum Unterhalt verpflichtet sind. Nach § 1353 des Bürgerlichen Gesetzbuches (BGB) sind insbesondere Ehegatten zur Pflege verpflichtet. Gleiches gilt gemäß § 3 Lebenspartnerschaftsgesetz für eingetragene Lebenspartner einer gleichgeschlechtlichen Beziehung.

Nach § 1360 BGB sind Ehegatten auch zum Unterhalt verpflichtet. Die Verpflichtung zum Unterhalt gilt dabei insbesondere auch für Verwandte in gerader Linie (also insbesondere Kinder) nach § 1601 BGB.

Wegen dieser Verpflichtungen wollen daher die Referatsleiter den Freibetrag für Pflegeleistungen bei Kindern nicht zu lassen. So heißt es in der Verfügung des Bayerischen Landesamtes für Steuern vom 08.04.2014 (Az: S 3812.1.1-1/15 St34): Der Freibetrag kann Kindern, die ihre Eltern gepflegt haben, nicht gewährt werden. Für sie besteht zwar keine gesetzliche Verpflichtung zur Pflege (diese besteht nur bei Ehegatten und Lebenspartnern), aber eine gesetzliche Unterhaltspflicht (vgl. oben § 1601 BGB). Es reichte daher aus, wenn eine dieser Verpflichtungen besteht, um die Gewährung des Freibetrags auszuschließen. So die Meinung der Referatsleiter.

Exkurs: Leider ist das Vorstehende nicht nur die Meinung des Bayerischen Landesamtes für Steuern. Der Erlass ergeht im Einvernehmen mit den obersten Finanzbehörden aller anderen Bundesländer, weshalb diese Auffassung auch über die Landesgrenzen des Freistaates Anwendung finden soll. So zumindest der Wille der Referatsleiter. Dennoch muss diese Auffassung angezweifelt werden. Schließlich trifft das Gesetz keinerlei Einschränkungen, dass der Pflegefreibetrag nicht doch durch Kinder in Anspruch genommen werden kann. Ebenso trifft das Gesetz keine Einschränkung, dass nur Personen, die keine Pflege- oder Unterhaltspflicht unterliegen, den Freibetrag in Anspruch nehmen können. Insoweit sollte die Meinung des fiskalisch geprägten Erlasses nicht akzeptiert werden. Hätte der Gesetzgeber dies so konkret regeln wollen, wäre es eine Kleinigkeit gewesen. Der Wortlaut des Gesetzes trifft jedoch keinerlei Einschränkungen, weshalb im Zweifelsfall auch Kinder mittels Klage versuchen sollten, den Freibetrag für Pflegeleistungen nach § 13 Abs. 1 Nummer 9 Erbschaftssteuergesetzes zu erhalten. Ohne Klage wird es jedoch leider nicht gehen – und dann kommt es auf die Meinung der angerufenen Richter an.