Ist ein Einkommensteuerbescheid einmal in der Welt, kann er nicht mehr so einfach geändert werden. Dies gilt zumindest dann, wenn die Einspruchsfrist abgelaufen und der Bescheid nicht unter dem Vorbehalt der Nachprüfung ergangen ist. Um in solchen Fällen noch eine Änderung des Steuerbescheids zu erreichen, bedarf es einer verfahrensrechtlichen Änderungs- oder Korrekturvorschrift, die im Einzelfall greift. Dies gilt nicht nur für eine Änderung, die der Steuerpflichtige begehrt, sondern auch für Änderungen, die das Finanzamt durchsetzen möchte. Darauf hat ganz deutlich das erstinstanzliche Finanzgericht Baden-Württemberg in einem Urteil vom 19.07.2013 unter dem Aktenzeichen 9 K 2541/11 hingewiesen.
Im Urteilssachverhalt hatte ein Steuerpflichtiger seine Einkommensteuererklärung abgegeben und darin das Honorar für eine Aufsichtsratstätigkeit erklärt. Vollkommen pauschal und ohne Rechtsgrundlage hatte der Steuerpflichtige von den Einnahmen aus dieser Aufsichtsratstätigkeit 50 Prozent als Betriebsausgaben gegengerechnet. Der Einkommensteuererklärung beigefügt war allerdings eine Bescheinigung des Geldinstitutes über die Einnahme, so dass das Finanzamt problemlos hätte sehen können, dass 50 Prozent als Betriebsausgaben angesetzt worden sind, ohne dass es dafür Belege gab.
Obwohl keine Gründe für die gegengerechneten Betriebsausgaben ersichtlich waren, fragte das Finanzamt nicht nach und vernachlässigte damit seine Ermittlungspflicht. Erst als der (nicht unter dem Vorbehalt der Nachprüfung ergangene) Bescheid schon in der Welt und die einmonatige Einspruchsfrist abgelaufen war, flatterte dem Finanzamt eine Kontrollmitteilung über die exakte Höhe der Aufsichtsratseinnahmen auf den Tisch, und der Fiskus wollte den längst bestandskräftigen Bescheid ändern. Dabei stützten sich die Finanzbeamten auf die Vorschrift des § 173 Absatz 1 Nummer 1 der Abgabenordnung (AO). Danach sind Steuerbescheide aufzuheben oder zu ändern, soweit Tatsachen oder Beweismittel dem Finanzamt erst nachträglich bekannt werden und zu einer höheren Steuer führen.
Diese Vorschrift kann aber nur angewendet werden, wenn das Finanzamt bei Erlass des ersten Bescheides seine Pflichten nicht verletzt hat. Dies ist aber exakt hier der Fall, auch wenn die Finanzverwaltung dies nicht wahrhaben möchte. So entschied das erstinstanzliche Finanzgericht Baden-Württemberg mit oben bereits genanntem Urteil: „Erklärt der Steuerpflichtige einen Gewinn aus seiner Aufsichtsratstätigkeit, der genau 50 Prozent der Einnahmen aus dieser Tätigkeit entspricht, sind Zweifel an der Höhe der Betriebsausgaben naheliegend und weitere Ermittlungen des Finanzamtes grundsätzlich geboten, so dass eine Änderung aufgrund nachträglich bekanntgewordener Tatsache nach Treu und Glauben ausgeschlossen ist.“
Klar und deutlich urteilten die Richter, dass die der Steuererklärung beigefügte Bescheinigung über die Höhe der erhaltenen Einnahmen auch dann Bestandteil der Finanzamtsakten ist, wenn sie nach Erstellen des ersten Bescheides wieder an den Steuerpflichtigen zurückgesandt wird. Schließlich wäre es noch schöner, wenn der Steuerpflichtige mit seiner Einkommensteuererklärung Belege einreicht und das Finanzamt im Nachhinein behauptet, von diesen Belegen keine Kenntnis zu haben, weil sie wieder zurückgeschickt wurden.
An Deutlichkeit nicht zu überbieten heißt es daher weiter: „Nicht nur der amtliche Vordruck, sondern auch formlose Anlagen oder Bescheinigungen sind Bestandteil der Akten. Der Steuerpflichtige muss daher nicht zwingend in den amtlichen Vordrucken auf die formlose Anlage verweisen oder sie dort als Anlage bezeichnen bzw. auf sie in sonstiger Weise Bezug nehmen. Es genügt, dass sie der Steuererklärung beigefügt ist.“
Exkurs: | Das Urteil ist höchst erfreulich. Steuerpflichtige mit ähnlich gelagerten Problemen sollten daher auf die erstinstanzliche Entscheidung aus Baden-Württemberg Bezug nehmen, wenn sie der Meinung sind, dass Unterlagen zu steuermindernden Tatsachen bereits der Steuererklärung beigefügt waren und dementsprechend eine Änderung des ersten Bescheides nicht mehr in Betracht gezogen werden darf. Darüber hinaus zeigt das Urteil abermals, welch teilweise merkwürdige Arbeitseinstellung offensichtlich bei einigen Finanzbeamten herrscht. So ist die Argumentation, dass eingereichte Belege deshalb nicht bekannt sind, weil das Finanzamt diese wieder zurückgereicht hat, mehr als abenteuerlich. Ohne Zweifel ist hier ein Steuerschaden entstanden. Die Verantwortung dafür obliegt aber auch eindeutig dem zuständigen Finanzbeamten, der schlampig gearbeitet hat. Einmal mehr drängt sich daher auch wieder die Frage auf, ob nicht auch Finanzbeamte bei entsprechenden Fehlern haftbar gemacht werden sollten. |