Wenn der Steuerbescheid erst einmal bekannt gegeben und die Einspruchsfrist abgelaufen ist, kann ein Steuerbescheid nur noch im Rahmen bestimmter Vorschriften der Abgabenordnung geändert werden. Man spricht bei diesen Vorschriften auch von den sogenannten Berichtigungsvorschriften. Eine dieser Regelungen ist § 173 der Abgabenordnung (AO). Diese Norm greift, wenn dem Finanzamt neue Tatsachen bekannt werden. Die Grundregel dabei: Steuerbescheide können aufgehoben oder geändert werden, soweit Tatsachen oder Beweismittel nachträglich bekannt werden, die zu einer höheren Steuer führen. Auf der anderen Seite gilt: Auch bei einer niedrigeren Steuer nach der Bescheidänderung ist die Änderungsmöglichkeit gegeben, allerdings sind dann weitere Voraussetzungen zu erfüllen. So kann ein Steuerbescheid dann nur geändert werden, wenn Tatsachen und Beweismittel nachträglich bekannt werden, die zu einer niedrigeren Steuer führen und den Steuerpflichtigen am nachträglichen Bekanntwerden kein grobes Verschulden trifft.
Exakt einen solchen Fall hatten die Richter des Bundesfinanzhofs zu entscheiden. Im Urteilssachverhalt hatte ein Steuerpflichtiger in seiner elektronisch abgegebenen Einkommensteuererklärung schlicht vergessen, eine steuermindernde Tatsache einzutragen. Der Steuerpflichtige konnte dabei darlegen, dass er die Besteuerungsgrundlagen in Form der steuermindernden Tatsache tatsächlich ermittelt hatte, jedoch vergessen hatte diese in das elektronische Formular zu übertragen. Darin erkannte der Fiskus jedoch eine grobe Fahrlässigkeit und somit ein grobes Verschulden, weshalb die Änderungsmöglichkeit nach § 173 AO verwehrt wurde.
Dem widersprach der Bundesfinanzhof in seiner Entscheidung vom 10.02.2015 unter dem Aktenzeichen IX R 18/14. Klar und deutlich urteilten die Richter darin, dass der Begriff des Verschuldens im Sinne des § 171 der Abgabenordnung bei elektronisch angefertigten Steuererklärungen genauso auszulegen ist, wie es bei einer auf Papier angefertigten Steuererklärung der Fall ist. Allerdings gelten Besonderheiten bei der elektronischen Steuererklärung im Hinblick auf ihre Übersichtlichkeit. So muss bei der elektronischen Steuererklärung berücksichtigt werden, dass am Computerbildschirm ein Überblick über die auszufüllenden Felder und die vorzunehmenden Eintragungen wesentlich schwieriger zu erlangen ist, als dies bei den Papierformularen der Fall ist. Insoweit ist in der Nachlässigkeit, dass die ermittelte Besteuerungsgrundlage (welche steuermindernd wirkt) dem Finanzamt erst nachträglich bekannt wird, ein unbewusster, mechanischer Fehler zu sehen. Solche Fehler sind jedoch keine grobe Fahrlässigkeit.
Tipp: | Eine Änderung ist folglich in ähnlichen Fällen auch noch nach Ablauf der Einspruchsfrist möglich, sofern keine Anhaltspunkte gegeben sind, dass der fehlende Eintrag nicht doch aufgrund grober Fahrlässigkeit unterblieben ist. |