Steuerbüro Bachmann

Für alle Steuerpflichtigen: Treppenlift auch ohne vorheriges Attest absetzbar

Sofern einem Steuerpflichtigen größere Aufwendungen als der überwiegenden Mehrzahl der Bevölkerung gleicher Einkommensverhältnisse, gleicher Vermögensverhältnisse und gleichen Familienstandes erwachsen, können diese Aufwendungen auf Antrag bei der Einkommensteuer als so genannte außergewöhnliche Belastung steuermindernd angesetzt werden.

In der Gegenrechnung muss sich der Steuerpflichtige lediglich die so genannte zumutbare Belastung gefallen lassen. Dies bedeutet: In Abhängigkeit von seinem Familienstand und seinem Einkommen kann ein bestimmter Prozentsatz nicht steuermindernd angesetzt werden. Erst wenn die außergewöhnliche Belastung die zumutbare Belastung übersteigt, tritt tatsächlich eine Steuerminderung ein.

In einem aktuellen Fall vor dem Bundesfinanzhof musste das oberste Finanzgericht der Republik aktuell klären, ob ein Treppenlift wegen Gehbehinderung als außergewöhnliche Belastung angesetzt werden kann. Grundsätzlich besteht in diesem Zusammenhang kein Streit. Es ist allgemeine Meinung, dass die Kosten für einen Treppenlift tatsächlich in den Bereich der außergewöhnlichen Belastung fallen. Allerdings pocht das Finanzamt auch noch auf einige formale Voraussetzungen, damit die Steuerminderung auch wirklich greift.

Entsprechend der Regelungen in der Einkommensteuer-Durchführungsverordnung ist ein Abzug von Kosten für Zwecke der Heilung einer Krankheit oder mit dem Ziel, eine Krankheit erträglicher zu machen, lediglich möglich, wenn die Zwangsläufigkeit der Kosten durch die Verordnung eines Arztes oder Heilpraktikers vor Beginn der Heilmaßnahme bzw. dem Erwerb des medizinischen Geräts bescheinigt wird. Anders ausgedrückt: Auch wenn dem Grunde nach definitiv eine außergewöhnliche Belastung vorliegt, lässt die Finanzverwaltung keinen steuermindernden Abzug zu, wenn die Notwendigkeit bzw. Zwangsläufigkeit der außergewöhnlichen Belastung nicht oder erst nach Verausgabung der Kosten durch ein Attest nachgewiesen wird.

In diesem Zusammenhang urteilte zunächst das erstinstanzlich angerufene Finanzgericht Münster in seiner Entscheidung unter dem Aktenzeichen 11 K 3982/11 E. Weil die erstinstanzlichen Richter einen Treppenlift als ein medizinisches Hilfsmittel ansehen, ist Voraussetzung für den Abzug als außergewöhnliche Belastung, dass im Vorhinein ein amts- oder vertrauensärztliches Attest über dessen Notwendigkeit vorliegt. Ist dies nicht gegeben, mangelt es schlicht an den notwendigen Formalien.

Erfreulicherweise widersprachen dieser Auffassung nun jedoch die obersten Finanzrichter der Republik in ihrer Entscheidung vom 06.02.2014 (Az: VI R 61/12). Der Bundesfinanzhof definiert nämlich Gebrauchsgegenstände des täglichen Lebens im Sinne von § 33 Abs. 1 des fünften Sozialgesetzbuches nur als solche technischen Hilfen, die getragen oder mit sich geführt werden können, um sich im jeweiligen Umfeld zu befähigen, zurechtzufinden und die elementaren Grundbedürfnisse des täglichen Lebens zu befriedigen.

Ein Treppenlift ist nach Meinung der obersten Finanzrichter des Bundesfinanzhofs kein Hilfsmittel im Sinne dieser Legaldefinition, weshalb an den Nachweis der Zwangsläufigkeit auch keine formalisierten Anforderungen gestellt werden dürfen. Anders ausgedrückt: Die Richter sind der Meinung, dass es zum Abzug der Kosten für einen Treppenlift als außergewöhnliche Belastung vollkommen ausreichend ist, wenn die Gehbehinderung und damit die Notwendigkeit und Zwangsläufigkeit des Treppenlifts auch erst nach Einbau nachgewiesen werden.

Exkurs: In der Praxis wird sich nun die Frage stellen, inwieweit die zu begrüßende Entscheidung des Bundesfinanzhofs auch auf andere Gegenstände angewendet werden kann, die im Bereich der außergewöhnlichen Belastung abgezogen werden können. Da der Bundesfinanzhof darauf abstellt, dass es sich um technische Hilfen handelt, die nicht getragen oder mit sich geführt werden können, dürften beispielsweise in Badezimmer eingebaute Behindertenhilfen ebenso ohne vorheriges Attest als außergewöhnliche Belastung abgesetzt werden.

 

Tipp: Da aktuell noch nicht klar ist, wie die Finanzverwaltung auf die Rechtsprechung reagiert, sollte aus Sicherheitsgründen immer im Vorhinein ein entsprechendes Attest über die jeweilige Behinderung und damit die Zwangsläufigkeit der Investitionen eingeholt werden. Dann ist man in jedem Fall auf der sicheren Seite und kann die Aufwendungen jenseits der zumutbaren Belastung als außergewöhnliche Belastung steuermindernd zum Abzug bringen. Sofern jedoch die Ausgabe schon getätigt ist, obwohl ein entsprechendes Attest nicht vorlag, sollte man als Rettungsanker zum aktuellen Urteil des Bundesfinanzhofs greifen.