Lange Zeit war die Entscheidung des Bundesverfassungsgerichtes rund um die Frage der Verfassungsmäßigkeit des aktuellen Erbschaft- und Schenkungsteuerrechts erwartet worden. Kurz vor Weihnachten war es schließlich soweit, denn am 17. Dezember 2014 verkündeten die obersten Verfassungsrichter in Karlsruhe ihre Entscheidung.
Zunächst zum Hintergrund: Nachdem das Bundesverfassungsgericht schon das vorige Erbschaft- und Schenkungsteuergesetz für verfassungswidrig erklärt hatte, war der Gesetzgeber gezwungen, bis Anfang 2009 eine neue Regelung zu schaffen, die im Einklang mit dem Grundgesetz steht. Schon seinerzeit hatte das Bundesverfassungsgericht einen Verstoß gegen das Grundgesetz angenommen, die Normen jedoch bis Ende 2008 weiter gelten lassen, damit dem Gesetzgeber ausreichend Zeit verbleibt, seine Fehler zu korrigieren.
Schon zu Beginn des Jahres 2009, nachdem das neue Recht verabschiedet wurde, wurden Stimmen laut, dass auch hier deutliche Verstöße gegen das Grundgesetz gegeben seien. Diesen Stimmen folgend, hatte bereits der Bundesfinanzhof mit seinem Beschluss vom 05.10.2011 (Az: II R 9/11) grundsätzliche Zweifel an der Verfassungsmäßigkeit und forderte insoweit das Bundesministerium für Finanzen auf, dem anhängigen Revisionsverfahren beizutreten. Im Ergebnis brachte schließlich der Zweite Senat des Bundesfinanzhofs ein Normenkontrollverfahren in Richtung Verfassungsgericht auf den Weg, in dem die Frage vorgelegt wurde, ob das aktuelle Erbschaft- und Schenkungsteuergesetz nach Art. 100 Abs. 1 des Grundgesetzes (GG) verfassungswidrig ist.
Nachdem das Gesetz zu Beginn 2009 in Kraft getreten war, wissen wir nun seit Ende 2014 konkret, dass einzelne Vorschriften der Erbschaft- und Schenkungsteuernormen wegen des Verstoßes gegen den Gleichheitsgrundsatz in Art. 3 Abs. 1 GG verfassungswidrig sind. Trotz dieser eindeutigen und richtigen Entscheidung gewähren die obersten Verfassungsschützer der Republik dem Gesetzgeber abermals Zeit, und lassen die der verfassungswidrigen Regelungen erst einmal weiter gelten.
Diesmal soll das Gesetz bis zum 30.06.2016 weiter anzuwenden sein, sodass dem Gesetzgeber so lange Zeit verbleibt, ein neues verfassungsgemäßes Gesetz zu schaffen. Anders ausgedrückt: Dem Gesetzgeber bleibt so lange Zeit, ein neues Gesetz zu schaffen, das er als verfassungsgemäß bezeichnet. Tatsächlich könnte nämlich auch die Neuregelung grundrechtlich problembehaftet sein, aber dem wollen und können wir an dieser Stelle nicht vorgreifen.
Darüber hinaus äußerten sich die Richter des Bundesverfassungsgerichts jedoch auch dahingehend, dass ein Vertrauensschutz gegen eine rückwirkende Verschärfung des Gesetzes bei Anwendung der als verfassungswidrig bezeichneten Vorschriften nicht besteht. Mit anderen Worten: Die Richter sagen, dass das Gesetz noch weiter anzuwenden ist. Wenn der Gesetzgeber jedoch dann irgendwann bis zum 30.06.2016 ein neues (wahrscheinlich verschärftes) Gesetz herausgibt, kann dies rückwirkend angesetzt werden.
Das hat einen faden Beigeschmack, ist aber der Tenor des Urteils des Bundesverfassungsgerichts.
Ein altes steuerliches Sprichwort sagt: Ist das Urteil noch so schlecht, das Gericht hat immer Recht. Es nützt also nichts, sich über die Entscheidung zu beschweren, denn diese ist nun mal da. Fraglich ist vielmehr, welche Handlungsempfehlungen sich für betroffene Steuerbürger aus der vorliegenden Entscheidung der obersten Verfassungshüter ergeben können.
Dabei ist insbesondere auch die politische Ebene nicht außer Acht zu lassen. So trat bereits der Kanzleramtsminister Peter Altmaier vor Kameras und Mikrofone, und kündigte neue Regelungen als Reaktion auf das Urteil schon in der ersten Jahreshälfte 2015 an. Fraglich darf jedoch in diesem Zusammenhang sein, was unter Neuregelungen zu verstehen ist. Aufgrund der politischen Machtgegebenheiten sowie der doch relativ kurzen Zeit innerhalb eines Halbjahres erwarten wir daher in dieser Zeit allenfalls neue Eckpunkte für ein zukünftiges Recht.
Keinesfalls rechnen wir zum jetzigen Zeitpunkt bereits mit der Gesetzeskraft von angestrebten Neuregelungen oder auch nur entsprechenden Gesetzesentwürfen. Auch die Erfahrung zeigt in diesem Zusammenhang, dass sich der Gesetzgeber insoweit bis kurz vor Toresschluss Zeit lassen wird, sodass wahrscheinlich eine gesetzliche Neuregelung erst zum 30.06.2016 in Kraft treten wird. Dies sind jedoch in weiten Teilen auch nur Mutmaßungen, die sich auf Basis der Vergangenheit ergeben.
Betroffenen kann daher zum jetzigen Zeitpunkt nur geraten werden, dass die Übergangsfristen zu schenkungsteuerlichen Gestaltungen genutzt werden sollten. Dabei müssen sicherlich Gestaltungen vermieden werden, die die verfassungswidrigen Punkte des aktuell vorliegenden Erbschaft- und Schenkungsteuergesetzes exzessiv ausnutzen.
Dennoch ist unserer Ansicht nach ein jetziges Handeln geboten, denn auch hier zeigt die Erfahrung, dass Gesetze (insbesondere Steuergesetze) nicht günstiger für den Bürger werden.
Natürlich bedeutet eine Nutzung der Übergangsfrist nicht ein überstürztes Handeln. So sind insbesondere bei steuermotivierten Übertragungen auch wirtschaftliche Absicherungen für den Vermögensübergeber zu treffen. Dies kann beispielsweise durch Nießbrauchsgestaltungen oder durch Versorgungsleistung geschehen. Der Einzelfall weist hier den optimalen Weg.
Darüber hinaus sollten jedoch auch Absicherungsregeln eingebaut werden, die das nun startende Gesetzgebungsverfahren betreffen. Immerhin besteht auch gegen alle Wahrscheinlichkeiten die geringe Möglichkeit, dass das künftige Recht günstiger sein könnte. Auch ist es je nach politischen Konstellationen und Streitigkeiten in der Großen Koalition nicht unmöglich, dass der Gesetzgeber es überhaupt nicht schafft, ein neues Gesetz rechtzeitig zu erlassen. Dies könnte zumindest zu einem Zeitfenster führen, in dem steuerfreie Übertragungen möglich sind. Der unwahrscheinlichste Fall, der jedoch dennoch möglich ist, ist das bewusste Nichtstun des Gesetzgebers, was faktisch zu einer Aufhebung des Erbschaft- und Schenkungsteuergesetzes führen würde.
Auch wenn alle drei Möglichkeiten sicherlich nicht sonderlich wahrscheinlich erscheinen, sollten sie bei jetzigen Gestaltungen bedacht werden. Dies kann in der Regel durch Rücktritts- oder auch Widerrufsrechte im Rahmen der vertraglichen Übergaberegelungen stattfinden. Auf diese Weise kann man das jetzige Recht, was allem Vorausschauen nach günstiger sein dürfte, ausnutzen, und hat sich dennoch ein Hintertürchen geschaffen, sofern die eher unwahrscheinlichen, jedoch erfreulichen, Fälle eintreten.
Über den konkreten Fortgang der Dinge werden wir Sie selbstverständlich weiter informieren.