Steuerbüro Bachmann

Für alle Steuerpflichtigen: Zivilprozesskosten doch keine außergewöhnlichen Belastungen

Nachdem sich die Rechtsprechung des Bundesfinanzhofs in 2011 hinsichtlich der Abziehbarkeit von Zivilprozesskosten vollkommen ins Gegenteil gewandelt hat, vollzieht derselbe Senat des Bundesfinanzhofs keine vier Jahre später wieder eine 180 Grad Drehung und kehrt zu seiner alten Meinung zurück. Konstante Rechtsprechung sieht sicher anders aus. Aber der Reihe nach:

Hintergrund ist die Frage, ob Zivilprozesskosten im Rahmen der außergewöhnlichen Belastungen allgemeiner Art nach § 33 Einkommensteuergesetz (EStG) steuermindernd abgezogen werden können. Die frühere Rechtsprechung zu diesem Thema war eindeutig. Danach konnten entsprechende Prozesskosten nicht als außergewöhnliche Belastung steuermindernd berücksichtigt werden, weil ihnen die entsprechende Zwangsläufigkeit fehlte. Schließlich hätte man es ja selber in der Hand, ob ein Zivilprozess angestrebt wird oder auch nicht.

Diesem althergebrachten Gedankengang ist der sechste Senat des Bundesfinanzhofs in seiner Entscheidung vom 12.05.2011 unter dem Aktenzeichen VI R 42/10 nicht mehr gefolgt. Danach war die neue Botschaft aufgrund der 2011er Entscheidung, dass auch Zivilprozesskosten als außergewöhnliche Belastung angesetzt werden können, sofern die beabsichtigte Rechtsverfolgung hinreichende Aussicht auf Erfolg bietet und nicht mutwillig erscheint.

Hintergrund der Rechtsprechungsänderung in 2011 war der (durchaus nachvollziehbare) Gedanke, dass auch Zivilprozesskosten zwangsläufig erwachsen. Grundsätzlich können nämlich streitige Ansprüche wegen des staatlichen Gewaltmonopols regelmäßig nur gerichtlich durchgesetzt oder abgewehrt werden. Anders ausgedrückt: Weil sich die Bürger nicht mit Hilfe der Keule gewaltsam ihr Recht verschaffen dürfen, bleibt nur der Weg zu einem Gericht, weshalb Zivilprozesskosten für den Kläger (wie auch den Beklagten) zwangsläufig entstehen. Da damit durchaus eine Zwangsläufigkeit gegeben ist, müssen auch Zivilprozesskosten als außergewöhnliche Belastung allgemeiner Art steuermindernd berücksichtigt werden können. Wie gesagt: Alles in allem eine logische und nachvollziehbare Begründung.

Nun, keine viereinhalb Jahre später, vollzieht der sechste Senat des Bundesfinanzhofs in seinem Urteil vom 18.06.2015 unter dem Aktenzeichen VI R 17/14 eine komplette Kehrtwendung und schmeißt seine 2011er Begründung wieder über den Haufen. Der Senat hält an seiner in den letzten vier Jahren vertretenen Auffassung nicht mehr fest. Danach sind die Kosten eines Zivilprozesses grundsätzlich nur dann als zwangsläufig anzusehen, wenn eine Rechtsstreit einen für den Steuerpflichtigen existenziell wichtigen Bereich oder den Kernbereich menschlichen Lebens berührt.

Exkurs: Aktuell sind zwar noch zahlreiche Verfahren zu diesem Thema anhängig, es ist jedoch zu erwarten, dass auch diese alle abschlägig entschieden werden und Prozesskosten nur dann als außergewöhnliche Belastung angesetzt werden dürfen, wenn sie existenziell wichtig sind oder den Kernbereich des menschlichen Lebens berühren. Leider hat sich der Bundesfinanzhof nicht um eine Definition dieser Begrifflichkeit bemüht, sodass zumindest in der Zukunft (zahlreiche) Verfahren zu erwarten sind, in denen es darum geht, ob der Grund für den angegangenen Rechtsstreit existenziell notwendig ist bzw. den Kernbereich des menschlichen Lebens berührt.