Steuerbüro Bachmann

Für alle Steuerpflichtigen: Zur Anerkennung von außergewöhnlichen Belastungen

Damit Kosten als außergewöhnliche Belastungen allgemeiner Art steuermindernd wirken können, ist eine Grundvoraussetzung, dass diese Aufwendungen zwangsläufig entstanden sind. Insbesondere bei Krankheitskosten muss die Zwangsläufigkeit dabei besonders nachgewiesen werden. Dabei sind zwei Varianten zu unterscheiden: So ist die Zwangsläufigkeit von krankheitsbedingten Aufwendungen für Arznei-, Heil- und Hilfsmittel durch Verordnung eines Arztes oder Heilpraktikers nachzuweisen. Dies ist es gesetzlich in § 64 Absatz 1 Nummer 1 der Einkommensteuerdurchführungsverordnung (EStDV) geregelt. Darüber hinaus gibt es in § 64 Absatz 1 Nummer 2 EStDV die so genannten Katalogfälle, welche später noch exakt aufgezählt werden. Bei diesen Katalogfällen ist der Nachweis der Zwangsläufigkeit durch ein vor Beginn der Maßnahme oder dem Erwerb des medizinischen Hilfsmittels ausgestelltes amtsärztliches Gutachten oder eine vorherige ärztliche Bescheinigung eines medizinischen Dienstes der Krankenversicherung zu führen.

Fehlt es an diesen Voraussetzungen, können die aufgewendeten Kosten nicht als außergewöhnliche Belastung angesetzt werden. Dies gilt insbesondere dann, wenn nicht vor Beginn der Maßnahme ein entsprechendes Gutachten bzw. eine entsprechende Bescheinigung eines medizinischen Dienstes vorliegt. Insoweit kommt den Katalogfällen besondere Bedeutung zu, denn schließlich muss man ja wissen, wann man schon im Vorfeld tätig werden muss. Zu diesem Katalogfällen gehören in abschließender Aufzählung die folgenden Sachverhalte:

  • Bade- oder Heilkuren, bei einer Vorsorgekur ist auch die Gefahr einer durch die Kur abzuwenden Krankheit, bei einer Klimakur der medizinisch angezeigte Kurort und die voraussichtliche Dauer zu bescheinigen
  • psychotherapeutische Behandlungen (die Fortführung einer Behandlung nach Ablauf der Bezuschussung durch die Krankenversicherung steht einem Behandlungsbeginn gleich, so dass auch dann die Voraussetzungen herbeigeführt werden müssen)
  • medizinisch erforderliche auswärtige und Unterbringung eines an Legasthenie oder einer anderen Behinderung leidenden Kindes des Steuerpflichtigen
  • die Notwendigkeit der Betreuung des Steuerpflichtigen durch eine Begleitperson, sofern sich diese nicht bereits aus dem Nachweis der Behinderung ergibt
  • medizinische Hilfsmittel, die als allgemeine Gebrauchsgegenstände des täglichen Lebens entsprechend des fünften Sozialgesetzbuches anzusehen sind
  • wissenschaftlich nicht anerkannten Behandlungsmethoden, wie zum Beispiel Frisch- und Trockenzellenbehandlungen, Sauerstoff-, Chelat- und Eigenbluttherapie.

In der Praxis ist tunlichst darauf zu achten, dass gerade bei solchen krankheitsbedingten Maßnahmen die Voraussetzungen vor Beginn der Maßnahme bzw. vor Verausgabung der Kosten gegeben sein müssen. Dies zeigt auch ein Urteil des Bundesfinanzhofs vom 15.01.2015 unter dem Aktenzeichen VI R 85/13.

Im Urteilssachverhalt geht es um ein Kind, das an ADHS erkrankt ist. Die Eltern hatten einen Eigenanteil für die Heimunterbringung des Kindes zu tragen, den sie als außergewöhnliche Belastung geltend machten. Weil jedoch vor Beginn der Maßnahme ein amtsärztliches Gutachten oder eine Bescheinigung eines medizinischen Dienstes der Krankenversicherung nicht vorgelegen hatte, lehnte das Finanzamt den Abzug der Heimunterbringungskosten als außergewöhnliche Belastung ab. Im vorgenannten Urteil des Bundesfinanzhofs gaben die obersten Finanzrichter der Republik der Finanzverwaltung damit recht.

Exkurs: Für die Praxis muss folglich darauf geachtet werden, dass, auch wenn die Krankheit und dem folgend die Notwendigkeit der krankheitsbedingten Maßnahmen vollkommen klar sind, dennoch formale Voraussetzungen beachtet werden müssen. Da gerade in solchen außergewöhnlichen und angespannten Lebenssituationen Eile geboten ist, wäre es sicherlich nicht falsch, wenn der Gesetzgeber hier seinen formalen Bürokratismus ein wenig einschränken würde. Menschlichkeit sollte insoweit vor dem genauen Wortlaut und der wörtlichen Auslegung des Gesetzes gehen.