Steuerbüro Bachmann

Für Arbeitnehmer: Steuermindernder Sturz im Bierzelt

Werbungskosten sind Aufwendungen zur Erwerbung, Sicherung und Erhaltung der Einnahmen. So die konkrete Definition in § 9 des Einkommensteuergesetzes. Damit Aufwendungen also beispielsweise bei den Einkünften aus nichtselbstständiger Arbeit steuermindernd angesetzt werden können, muss ein entsprechender konkreter Zusammenhang bestehen.

Bei Aufwendungen im Zusammenhang mit einer Krankheit oder einer Verletzung ist dies häufig problematisch. Für die Praxis sind hier Rechtsprechungsgrundsätze entwickelt worden. So können Aufwendungen für eine typische Berufskrankheit durchaus als beruflich veranlasst angesehen werden und somit steuermindernd zum Werbungskostenabzug zugelassen werden. Nicht anders sieht es bei entsprechenden Aufwendungen im Zusammenhang mit einem Dienstunfall aus. Auch diese Kosten können regelmäßig steuermindernd angesetzt werden.

Das dennoch bestehende praktische Problem dabei: Zunächst einmal muss geklärt werden, ob die Krankheitskosten auch tatsächlich Folge einer typischen Berufskrankheit sind oder ob die entstandenen Aufwendungen auch wirklich im Zusammenhang mit einem Dienstunfall stehen.

Es muss also in erster Linie geklärt werden ob die durch die Rechtsprechung definierten Voraussetzungen im konkreten und individuellen Einzelfall auch tatsächlich zutreffen. Dass das Steuerrecht dabei regelmäßig seltsame Blüten schlägt, zeigt aktuell eine Entscheidung des Verwaltungsgerichts Stuttgart vom 31. Januar 2013 (Az: 1 K 173/13). Darin hatten die Verwaltungsrichter zu entscheiden, ob die Verletzung einer Lehrerin auf einer Klassenfahrt als Dienstunfall gewertet werden kann. Schon der Leitsatz der Entscheidung bringt ein Schmunzeln ins Gesicht, und zwar nicht zuletzt weil das beklagte Regierungspräsidium verpflichtet wird, den Unfall als Dienstunfall anzuerkennen. Konkret lautet der Leitsatz nämlich: „Stürzt eine Lehrerin beim Besuch eines Volksfestes, der offizieller Programmpunkt einer Klassenfahrt ist, im Bierzelt von der Festzeltbank und verletzt sich dabei, ist dies ein Dienstunfall.“

Zunächst einmal zu den Einzelheiten, denn schwierige Fälle sollte man immer in ihre Einzelbestandteile zerlegen: Natürlich ist die Klassenfahrt einer Lehrerin eine dienstliche Angelegenheit. Ergo: Verletzt sie sich dabei, ist dies aller Wahrscheinlichkeit auch ein Dienstunfall.

Auch im Rahmen einer Klassenfahrt gibt es jedoch auch private Bereiche für die Lehrer, weshalb insoweit geprüft werden muss, ob der Unfall im Rahmen eines solchen Privatbereiches geschehen sein kann. Auch dies konnte im vorliegenden Fall klar abgegrenzt werden: Weil der Besuch des Volksfestes ein offizieller Programmpunkt der Klassenfahrt war, lag insoweit auch eine dienstliche Aufgabe vor. Soweit zum Besuch des Volksfestes.

Aber ist es denn immernoch Dienst, wenn auf dem Volksfest das Bierzelt besucht wird. Frei nach dem Motto „Dienst ist Dienst und Schnaps ist Schnaps“ urteilte das Verwaltungsgericht auch hier, dass der Besuch des Bierzelts für die Klägerin Dienst war. Die wortwörtliche Begründung im Urteil: „Der Besuch des Bierzelts war vom offiziellen Programmpunkt des Besuchs des Frühlingsfestes umfasst. Auf Volksfesten gehört ein regelmäßig vorhandenes Bierzelt in gleichem Maße zu den dort üblichen Attraktionen wie die typischerweise vorhandenen Fahr- und Schaustellerbetriebe oder Verkaufsstände. Daher ist der Besuch eines Bierzelts in gleicher Weise durch den Programmpunkt „Besuch des Frühlingsfestes“ erfasst, wie der Gang über das Festgelände oder die Nutzung der dort vorhandenen Geschäfte.“ Im Klartext kann daher festgehalten werden, dass die Lehren auch noch im Bierzelt im Dienst war.

Unter dem Strich bleibt daher nur eine Frage: Was hat die gute Frau auf der Festzeltbank zu suchen? Denn immerhin muss bedacht werden, dass, wenn die Lehrerin nicht auf die Bank geklettert wäre um auf dieser zu tanzen, der Unfall wahrscheinlich auch nicht geschehen wäre. Kann also das Tanzen auf der Bierbank im Bierzelt im Rahmen eines Volksfestes auch noch Dienst sein?

Ganz klare Antwort: Ja!

Der folgende Auszug aus der Urteilsbegründung des oben genannten Verfahrens verdeutlicht dies: „Schließlich ist der Unfall dadurch, dass die Klägerin auf eine Festzeltbank gestiegen war, auch nicht durch eine Verhaltensweise der Klägerin eingetreten, die schlechthin nicht mehr mit ihrer Dienstausübung in Zusammenhang gebracht werden konnte. Zu dem konkreten Unfall wäre es zwar wahrscheinlich nicht gekommen, wenn sich die Klägerin nicht dem Verhalten des Rests ihrer Gruppe angeschlossen hätte und stattdessen sitzen geblieben wäre, als alle anderen auf die Bänke gestiegen waren. Das Steigen auf die Bank stand aber noch in einem engen natürlichen Zusammenhang mit ihren Dienstaufgaben.“

So weit so gut. Tanzen auf einer Bierbank hat also einen engen natürlichen Zusammenhang zum Dienst. Die Begründung des Verwaltungsgerichtes wird aber noch besser:

„Es ist derzeit durchaus üblich, dass Besucher eines Bierzelts, in dem Livemusik dargeboten wird, kollektiv auf die Bänke steigen und dort zur Musik tanzen. Insoweit verhielt sich die Schülergruppe nicht anders als eine Vielzahl der übrigen Gäste im Zelt. Obwohl ein solches Verhalten in den meisten anderen Gastronomieeinrichtungen als inakzeptabel anzusehen wäre, ist dieser weit verbreitete Brauch – insbesondere zu später Stunde und bei allgemein gehobener Stimmung – heutzutage als durchaus sozialadäquat anzusehen, weshalb es nicht verwundert und auch nicht zu beanstanden ist, dass es die Lehrerinnen den Schülern erlaubt hatten, auf die Bänke zu steigen. Das gilt nach Auffassung des Gerichts trotz der relativen Gefährlichkeit eines solchen Verhaltens. Obwohl diese Gefährlichkeit im Falle der Klägerin tatsächlich zu einem Unfall geführt hat, erscheint die abstrakte Gefährlichkeit des Besteigens einer Festzeltbank doch nicht so groß, dass dieses Verhalten hätte untersagt werden müssen. Wenn nun aber die gesamte Gruppe auf den Bänken stand, konnte die Klägerin praktisch nicht anders, als sich diesem Verhalten anzuschließen. Wäre sie als Einzige sitzengeblieben und hätte sie sich dem Gruppenzwang verweigert, wäre sie dadurch zwangsläufig ins Abseits geraten und hätte sich ostentativ von ihren Schülern distanziert. Das wäre mit ihrem pädagogischen Gesamtauftrag, wie er oben beschrieben wurde, aber nicht ohne Weiteres zu vereinbaren gewesen. Folglich kann ihr nicht der die Anerkennung eines Dienstunfalls ausschließende Vorwurf gemacht werden, sie habe den Unfall durch ein Verhalten provoziert, das nicht mehr mit ihrer Dienstausübung in Zusammenhang gebracht werden kann.“

Diesen Urteilszitaten ist wohl nichts mehr hinzuzufügen.

Exkurs: An dieser Stelle sei versichert, dass sämtliche als Zitat gekennzeichnet Passagen auch tatsächlich aus dem Urteil stammen. Wer dies nicht glaubt, kann sich unter http://openjur.de/u/676085.html gerne davon überzeugen.

Tipp: Im Allgemeinen kann daher nur ein Fazit bleiben: Es ist zu erwarten, dass der Beruf des Lehrers in der Zukunft wieder deutlich beliebter werden wird. Der Grund: Man kann die nachfolgenden Generationen unterrichten, sie prägen und sieht immer wieder junge Menschen heranwachsen. Zudem darf man zu später Stunde bei allgemein gehobener Stimmung auf Bierbänken in Bierzelten zur dargebotenen Livemusik tanzen und einen eventuell erlittenen Unfall von der Steuer absetzen. Nicht geklärt ist indes, ob die konsumierten Getränke ebenfalls im Rahmen einer Bewirtungsquittung steuermindernd als Werbungskosten angesetzt werden können. Wahrscheinlich wäre dies aber zu viel des Guten.