Wer im Rahmen der Auflösung seines Arbeitsverhältnisses eine Abfindungs- oder Entschädigungszahlung erhält, kann diese in der Regel als außerordentliche Einkünfte tarifbegünstigt versteuern.
Dafür sind jedoch einige Voraussetzungen zu erfüllen: So sind außerordentliche Einkünfte im Sinne der Regelung von § 34 Abs. 1 und 2 des Einkommensteuergesetzes (EStG) grundsätzlich nur dann gegeben, wenn die zu begünstigenden Einkünfte in einem Veranlagungszeitraum zufließen und durch diese Zusammenballung von Einkünften sich aufgrund der Progression des Einkommensteuertarifs erhöhte steuerliche Belastungen ergeben. Vom Grundsatz her kann daher eine tarifbegünstigte Besteuerung der Abfindungs- oder Entschädigungszahlung nur stattfinden, wenn diese in einem einzigen Veranlagungszeitraum zufließt. Andersfalls würde es an der notwendigen Zusammenballung der Einkünfte fehlen.
In der Praxis ist es jedoch leider häufig der Fall, dass die erste Zahlung im Dezember eines Jahres geleistet wird und die Abschlusszahlung der Abfindung oder Entschädigung erst zu Beginn des darauffolgenden Jahres entrichtet wird. Fraglich ist dann, ob eine tarifbegünstigte Besteuerung der Abfindungs- oder Entschädigungszahlung wegen einer nicht stattfinden Zusammenballung der Einkünfte überhaupt noch möglich ist.
Tatsächlich ist die Tarifbegünstigung trotz des Zuflusses in zwei Veranlagungszeiträumen nach der früheren höchstrichterlichen Rechtsprechung des Bundesfinanzhofs unter anderem dann noch anwendbar, wenn der Steuerpflichtige in einem Veranlagungszeitraum nur eine geringfügige Teilleistung erhalten hat und die ganz überwiegende Hauptentschädigungsleistungen in einem Betrag in einem anderen Veranlagungszeitraum ausgezahlt wird. In solchen Fällen liegt schlicht schon hinsichtlich der deutlich überwiegenden Hauptleistung eine Zusammenballung von Einkünften vor.
Wann nun im Umkehrschluss eine geringfügige Teilleistung gegeben ist und wann nicht, ist aktuell streitanhängig und muss insoweit höchstrichterlich durch den Bundesfinanzhof in München unter dem Aktenzeichen IX R 46/14 entschieden werden.
Zu betonen ist allerdings, dass in diesem Zusammenhang bereits eine erfreuliche Entscheidung aus dem Hause des Finanzgerichts Baden-Württemberg mit Urteil vom 03.11.2014 unter dem Aktenzeichen 10 K 2655/13 in der Welt ist. Danach gilt folgendes: Wann von einer unschädlichen, weil geringfügigen Teilleistung auszugehen ist, bestimmt sich nach dem Vorliegen einer Ausnahmesituation in der individuellen Steuerbelastung des einzelnen Steuerpflichtigen. Der Einzelfall entscheidet also insoweit.
Eine starre Prozentgrenze für die Definition der geringfügigen Teilleistung sieht das Gesetz weder vor, noch kann eine solche die gesetzliche Prüfung der Außerordentlichkeit im Einzelfall ersetzen. Das Finanzgericht stellt also insoweit konkret auf das Wesen der Teilleistung in Form seiner Außerordentlichkeit ab. Damit stellt sich das erstinstanzliche Finanzgericht Baden-Württemberg gegen einen Erlass des Bundesfinanzministeriums vom 01.11.2013. Dort wurden seitens der Finanzverwaltung eine geringfügige Teilleistung nur in einer Höhe von bis zu maximal 5 % der Hauptleistung angenommen. Insofern wäre eine tarifbegünstigte Besteuerung schon nicht mehr möglich, wenn die Teilleistung mehr als 5 % der Hauptleistung beträgt. So zumindest der Wille des Fiskus.
Das Finanzgericht Baden-Württemberg führt dagegen aus: Bereits nach dem allgemeinem Verständnis ist noch eine Teilleistung von unter 10 % der Hauptleistung als geringfügig anzusehen.
Im Fazit kann damit festgehalten werden, dass das Finanzgericht Baden-Württemberg die Möglichkeit der tarifbegünstigten Besteuerung von Abfindungs- und Entschädigungszahlungen schon deutlich erweitert hat, indem es die Höhe der Teilleistung von 5 % der Hauptleistung auf 10 % der Hauptleistung verdoppelt hat. Ob diese Entscheidung jedoch Bestand hat, muss abgewartet werden, da insoweit (wie oben schon erwähnt) der BFH das letzte Wort haben wird.
Tipp: | Betroffene, denen daher die tarifbegünstigte Besteuerung einer Abfindungs- oder Entschädigungszahlung verweigert wurde, weil ein Teilbetrag in einem anderen Veranlagungszeitraum gezahlt wurde, sollten gegen den Bescheid Einspruch einlegen und auf das anhängige BFH-Verfahren verweisen. Immerhin kann dieses auch zu dem Schluss kommen, dass auch eine Teilleistung von mehr als 10 % der Hauptleistung tarifbegünstigt besteuert werden kann. Die höchstrichterliche Entscheidung muss daher insoweit abgewartet werden. |