Grundsätzlich erfasst das Erbschaftsteuer- und Schenkungsteuergesetz lediglich Fälle, bei denen der Erblasser bzw. Schenker oder der Erwerber des Vermögens in der Bundesrepublik Deutschland ansässig ist. Diese Fälle bezeichnet man im Bereich der Erbschaft- und Schenkungsteuer als unbeschränkte Steuerpflicht.
Sofern jedoch weder der Erblasser bzw. Schenker zur Zeit des Todes bzw. der Schenkung und auch nicht der Erwerber zur Zeit der Entstehung der Steuer in der Bundesrepublik Deutschland ansässig gewesen ist, fällt der anzuwendende Freibetrag deutlich geringer aus, wenn im Rahmen dieser Erbschaft bzw. Schenkung auch in Deutschland belegenes Vermögen übertragen wird. Man spricht in solchen Fällen von einer beschränkten Steuerpflicht im Erbschaft- und Schenkungsteuerrecht. Diese ist beispielsweise regelmäßig der Fall, wenn in Deutschland Immobilien gehalten werden, die Familien jedoch mittlerweile im Ausland leben. Exakt in solchen Fällen wurde gerade höchstrichterlich ein Verstoß gegen europäisches Recht seitens der Bundesrepublik Deutschland festgestellt.
Mit Entscheidung vom 04.09.2015 hat der Europäische Gerichtshof unter dem Aktenzeichen C-211/13 entschieden, dass die Bundesrepublik Deutschland mit der Gewährung eines geringeren Freibetrags in Fällen der beschränkten Steuerpflicht gegen die Kapitalverkehrsfreiheit zwischen den Mitgliedstaaten der Europäischen Union sowie zwischen den Mitgliedstaaten und Drittländern verstößt.
Zum Hintergrund: Ist entweder der Erblasser bzw. Schenker oder der Erwerber des Vermögens in Deutschland ansässig (unbeschränkte Steuerpflicht) greifen die allgemeinen Freibeträge des § 16 Abs. 1 Erbschaftsteuer- und Schenkungsteuergesetz (ErbStG).
So sind beispielsweise Erwerbe unter Ehegatten und unter Lebenspartnern in Höhe von 500.000 Euro steuerfrei. Erwerben die Kinder das Vermögen, steht immerhin noch ein Freibetrag von 400.000 Euro zur Verfügung. Die weiteren Freibeträge staffeln sich dann nach der Steuerklasse und dem persönlichen Verhältnis zwischen Erblasser bzw. Schenker und Erwerber.
Diese Freibeträge greifen jedoch nach § 16 Abs. 2 ErbStG nicht, wenn der Erblasser bzw. Schenker und der Erwerber in einem anderen Mitgliedstaat ansässig sind und nur in Deutschland belegenes Vermögen übergeht. In solchen Fällen der beschränkten Steuerpflicht soll vollkommen unabhängig von Steuerklasse und persönlichem Verhältnis immer ein Freibetrag von lediglich 2.000 Euro greifen. Wäre hingegen nur einer der Beteiligten in Deutschland ansässig gewesen, könnten die hohen Freibeträge des § 16 Abs. 1 ErbStG in Anspruch genommen werden. Insbesondere im Hinblick auf in der Bundesrepublik Deutschland belegenes Immobilienvermögen muss der Freibetrag von 2.000 Euro als nahezu lächerlich gering bezeichnet werden. Es wundert daher wenig, dass ein entsprechendes Klageverfahren vor dem Europäischen Gerichtshof angestrengt wurde. Mit Hinblick auf den geschilderten Ausgang wird die Bundesrepublik Deutschland die Regelung ändern und auch in den angesprochenen Fällen die deutlich höheren Freibeträge des § 16 Abs. 1 ErbStG steuermindernd anerkennen müssen.