Damit die Erbschaftsteuerbefreiung für ein Wohnheim im Sinne des § 13 Abs. 1 Nummer 4c Satz 1 des Erbschaftsteuergesetzes (ErbStG) gewährt werden kann, muss der begünstigte Erwerber nach dem Erbfall in das Familienwohnheim unverzüglich einziehen und es selbst für eigene Wohnzwecken nutzen.
Als unverzüglichen Einzug versteht man dabei, dass die Selbstnutzung ohne schuldhaftes Zögern angetreten wird. Dazu muss der Erwerber, also der Erbe, innerhalb einer angemessenen Zeit nach dem Erbfall die Absicht zur Selbstnutzungen fassen und durch den Einzug in die Wohnung tatsächlich umsetzen. Hört sich unproblematisch an, ist in der Praxis aber nicht so leicht zu beurteilen, wie das folgende Urteil zeigt.
In einem vor dem Bundesfinanzhof entschiedenen Sachverhalt wurden der Kläger und seine Schwester je zur Hälfte Erben ihres verstorbenen Vaters. Zum Nachlass gehörte auch das Familienheim des Vaters, in welches der Kläger mit seiner Familie nach dem Ableben des Vaters einzog. Erst später erhielt der Kläger im Wege der Erbauseinandersetzung mit seiner Schwester das Alleineigentum an dem Familienheim. Die Folge: Der Fiskus wollte die Steuerbefreiung für die selbstgenutzte Wohnung nur in Höhe des ursprünglichen Erbteils des Klägers, also insoweit nur in Höhe von 50 % des Familienwohnheims anerkennen. Die Argumentation des Fiskus ist dabei in Hinweis 13.4 „freie Erbauseinandersetzung“ zu den Erbschaftsteuerrichtlinien 2011 enthalten. Danach kann eine Begünstigung nur gewährt werden, wenn die Auseinandersetzungsvereinbarung auch innerhalb von sechs Monaten nach dem Erbfall geschlossen wird. Dies war im vorliegenden Sachverhalt nicht der Fall, denn die Erbauseinandersetzung hat wesentlich später stattgefunden.
Schon das erstinstanzliche Niedersächsische Finanzgericht entschied jedoch in seinem Urteil vom 26.09.2013 unter dem Aktenzeichen 3 K 525/12, dass die Befreiungsvorschrift für das Familienwohnheim keine zeitliche Beschränkung für die Übertragung des erworbenen begünstigten Vermögens im Rahmen der Nachlassteilung durch den Erben auf einen Dritten enthält. Folglich verlangt die Erbschaftsteuerfreistellung eines Familienheims im Falle der Erbauseinandersetzung nicht, dass diese zeitnah (also wie von der Finanzverwaltung gefordert innerhalb von sechs Monaten) erfolgen muss.
Aktuell hatte nun der Bundesfinanzhof in München mit seiner Entscheidung vom 23.06.2015 unter dem Aktenzeichen II R 39/13 den Tenor der niedersächsischen Richter bestätigt. Denn auch die obersten deutschen Finanzrichter entschieden: Erwirbt ein Miterbe im Rahmen der Teilung des Nachlasses das Alleineigentum an einem steuerbegünstigten Familienheim, erhöht sich sein begünstigtes Vermögen unabhängig davon, ob die Vereinbarung über die Erbauseinandersetzung zeitnah, also innerhalb von sechs Monaten nach dem Erbfall, erfolgt oder nicht. Da das Gesetz insoweit keine zeitliche Frist vorgegeben hat, ist unter dem Strich entscheidend, wieviel begünstigtes Vermögen der Erbe tatsächlich erhält.
Exkurs: | Die vorgenannten Grundsätze des aktuellen Urteils des Bundesfinanzhofs gelten dabei auch für die Steuerbefreiung von zu Wohnzwecken vermieteten Grundstücken im Sinne des § 13c Abs. 3 ErbStG. |