Das deutsche Steuerrecht wäre nicht das deutsche Steuerrecht, wenn es nicht zu jedem Paragraphen mindestens ein Urteil geben würde. Zur Steuerminderung im Bereich der außergewöhnlichen Belastungen gibt es sogar zahllose Steuerstreite, wie nicht zuletzt der vorherige Beitrag zeigt. Trotz der vielen Gerichtsentscheidungen sind immer wieder beachtliche und interessante Entscheidungen dazwischen. So auch aktuell. Im vorliegenden Fall hatte ein Steuerpflichtiger Zahnarztkosten in Höhe von 45.000 Euro im Voraus bezahlt. Die Zahlung, die der Kläger geleistet hatte, wollte er gemäß dem Zufluss- und Abflussprinzip im selben Jahr als außergewöhnliche Belastungen steuermindernd ansetzen. Die Zahnarztbehandlung selber erstreckte sich jedoch über einen Zeitraum von circa zwei Jahren in der Zukunft.
Im Sinne des Fiskus entschied das Finanzgericht München mit Urteil vom 12.05.2014 (Az. 7 K 3486/11), dass es sich bei den angesetzten Zahnarztkosten in Höhe von 45.000 Euro nicht um zwangsläufig entstandene Aufwendungen handelt. Tatsächlich ist die Zwangsläufigkeit der Aufwendungen jedoch Grundvoraussetzung für den Abzug der außergewöhnlichen Belastungen. Anders gesagt, es muss ein klar erkennbarer außersteuerlicher Grund zu erkennen sein, weswegen man sich aus rechtlichen, tatsächlichen oder sittlichen Gründen den Aufwendungen nicht entziehen kann und diese deshalb den Umständen nach notwendig sind.
Nicht zuletzt aufgrund der Tatsache, dass der Steuerpflichtige im Jahr der Zahlung aufgrund einer erhaltenen Abfindung im Spitzensteuersatz besteuert wurde, waren die Richter der Auffassung, dass ein außersteuerlicher Grund für die Vorauszahlung der Behandlungskosten nicht gegeben war. Unter Berücksichtigung der zu erwartenden Steuerermäßigung ergab sich, dass die vom Kläger als unabdingbar angesehene Maßnahme nicht der üblichen Zwangsläufigkeit entspricht. Das Finanzgericht München sah in der Höhe der Aufwendungen einen Gestaltungsmissbrauch gemäß § 42 Abgabenordnung (AO). Ebenso bemängelten die Richter, dass die Festpreisvereinbarung nicht der Klarheit wegen getroffen worden sei. Vielmehr sei die Vereinbarung zustande gekommen, um eine maximale Steuervergünstigung zu erreichen. Weiterhin stellte sich die vom Kläger genannte „Festpreisvereinbarung“ im Nachhinein als Kostenvoranschlag heraus. Auf diesem war klar zu erkennen, dass sich die Kosten auch noch erhöhen könnten, sobald sich Veränderungen bei der geplanten Behandlung ergeben.
Zu guter Letzt stellten die Richter klar, dass ein Großteil der Behandlungsleistungen erst in den folgenden zwei Jahren erbracht wurde. Und mal ehrlich: Wer zahlt eine solch immense Summe im Voraus, ohne vorher sicher gehen zu können, dass sich die Kosten in keinem Fall mehr erhöhen?
Exkurs: | In Abgrenzung zum vorliegenden Urteilssachverhalt muss man jedoch hervorheben: Die in der Steuererklärung angesetzten außergewöhnlichen Belastungen sind grundsätzlich nicht zu beanstanden. Kosten, die im Voraus bezahlt werden, können sehr wohl als außergewöhnliche Belastung angesetzt werden. Voraussetzung ist dabei lediglich: Die Vorauszahlung erfolgt nicht nur aus rein steuerlichen Gründen. Anders ausgedrückt: Die Behandlungskosten würden in jedem Fall entstehen, egal ob mit einer Abfindung zu rechnen ist oder nicht. Insgesamt ist es bei Vorauszahlungen von außergewöhnlichen Belastungen von Vorteil, dem Finanzamt einen aktuellen Heil- und Kostenplan vorlegen zu können sowie darzulegen, warum eine Vorauszahlung geboten war. |