Schon mehrfach haben wir an dieser Stelle darüber berichtet, wann Kosten für eine Berufsausbildung als vorweggenommene Werbungskosten oder vorweggenommene Betriebsausgaben steuermindernd angesetzt werden dürfen. Dies soll jedoch an dieser Stelle nicht das Thema sein. Vielmehr ist die Frage relevant, wie denn aus den vorweggenommenen Werbungskosten oder vorweggenommenen Betriebsausgaben ein Verlustvortrag wird.
Die meisten Fälle laufen wie folgt: Es wird eine Einkommensteuererklärung mit den negativen Einkünften abgegeben. Weil die Berufsausbildungskosten als Werbungskosten oder Betriebsausgaben mit keinen positiven Einkünften verrechnet werden können, wird ein so ermittelter Verlust gesondert festgestellt und steht dann schließlich in zukünftigen Jahren zur steuermindernden Verrechnung zur Verfügung.
Ausweislich des Gesetzes gilt dabei die Regel in § 10d Abs. 4 Satz 4 des Einkommensteuergesetzes (EStG): „Bei der Feststellung des verbleibenden Verlustvortrags sind Besteuerungsgrundlagen so zu berücksichtigen, wie sie der Steuerfestsetzung des Veranlagungszeitraums, auf dessen Schluss der verbleibende Verlustvortrag festgestellt wird, (…) zugrunde gelegt worden sind (…).“
In der Praxis trat aufgrund dieser Regelung schließlich die streitbefangene Frage auf: Kann ein Feststellungsbescheid über einen vortragsfähigen Verlust noch erlassen werden, wenn ein Einkommensteuerbescheid für das entsprechende Verlustentstehungsjahr wegen Eintritts der Festsetzungsverjährung nicht mehr erlassen werden darf?
Das Finanzamt stellte sich natürlich auf den Standpunkt, dass die Verlustfeststellung entsprechend der zuvor zitierten Regelungen nur so stattfinden kann, wie sie im Einkommensteuerbescheid errechnet wurde. Mangels Einkommensteuerbescheid soll daher auch die gesonderte Feststellung des vortragfähigen Verlusts und damit auch die zukünftige steuermindernde Verrechnung des Verlustes nicht möglich sein. So zumindest die gewünschte Vorgehensweise des Fiskus.
Gegen diese profiskalische Meinung stellte sich jedoch erfreulicherweise der Bundesfinanzhof in München mit seiner Entscheidung vom 13.01.2015 unter dem Aktenzeichen IX R 22/14. Darin urteilten die obersten Finanzrichter der Republik, dass ein verbleibender Verlustvortrag auch dann erstmals gesondert festgestellt werden kann, wenn ein Einkommensteuerbescheid für das Verlustentstehungsjahr wegen Eintritts der Festsetzungsverjährung nicht mehr erlassen werden kann.
Im Hinblick auf die gesetzliche Regelung, die (vermeintlich) mit dem aktuellen Urteil des Bundesfinanzhofs in Widerspruch steht, äußerten sich die Richter die folgt: „Eine durch § 10d Abs. 4 Satz 4 EStG angeordnete Bindungswirkung, wonach bei der Feststellung des verbleibenden Verlustvortrags die Besteuerungsgrundlagen so zu berücksichtigen sind, wie sie der Steuerfestsetzung des Veranlagungszeitraums, auf dessen Schluss der verbleibenden Verlustvortrag festgestellt wird, zugrunde gelegt worden sind, besteht nicht, wenn keine Einkommensteuerveranlagung durchgeführt worden ist.“
Dies bedeutet im Ergebnis: Der bisherigen Meinung des Fiskus, wonach ohne Einkommensteuerbescheid auch kein Verlustfeststellungsbescheid erlassen werden kann, ist damit die Grundlage entzogen. Insbesondere in vielen Fällen von Studenten, die erst nach dem Studium und/oder der Ausbildung einen Verlust für die Ausbildungsjahre feststellen lassen wollen, hilft dieses Urteil, noch eine steuersparende Wirkung zu erreichen.