Bis dato waren Unternehmer nach Auffassung der Finanzverwaltung stets an die amtlichen Abschreibungstabellen gebunden. Ein Abweichen von diesen Vorgaben in Sachen Nutzungsdauer war beim Finanzamt nicht gerne gesehen.
Zum Hintergrund: Die Abschreibungstabellen der Finanzverwaltung beruhen auf Erfahrungswerten. Die Abschreibung eines Wirtschaftsgutes soll sich am technischen Verschleiß, der wirtschaftlichen Entwertung und den rechtlichen Gegebenheiten orientieren. Denn genau diese Gegebenheiten können im Einzelfall die tatsächliche Nutzungsdauer eines Gegenstands erheblich beeinflussen. Dabei spielt es keine Rolle, ob es sich um eine Immobilie oder um ein mobiles Wirtschaftsgut handelt.
Dies bedeutet jedoch nicht, dass Steuerpflichtige die Abschreibungstabellen als das elfte Gebot hinnehmen müssen. In diesem Sinne erging auch die aktuelle Entscheidung des Niedersächsischen Finanzgerichts mit Urteil vom 09.07.2014 unter dem Aktenzeichen 9 K 98/14.
Aus Sicht der Finanzverwaltung sind die Abschreibungstabellen des Bundesfinanzministeriums eine Dienstanweisung und müssen befolgt werden. Dies bedeutet auch, dass die AfA-Tabellen die Nutzungsdauer eines Wirtschaftsguts im Einzelfall vertretbar abbilden, weshalb insoweit die Finanzverwaltung an die Werte der Abschreibungstabelle im Rahmen einer tatsächlichen Verständigung gebunden ist. Ein Abweichen von den Vorgaben hin zu einer längeren Nutzungsdauer ist also aus Sicht des Fiskus grundsätzlich nicht möglich.
Anders ist es hingegen aus Sicht des Steuerpflichtigen: Da dieser nicht an die Dienstanweisung des Bundesfinanzministeriums gebunden ist, weil eine solche Verwaltungsanweisung keinen Gesetzescharakter innehat, kann er auch von den Abschreibungstabellen abweichen. Dies gilt sowohl im Hinblick auf eine längere als auch bei einer kürzeren Nutzungsdauer.
Insbesondere im Rahmen der Annahme einer kürzeren Nutzungsdauer muss jedoch auch tatsächlich und nachvollziehbar dargelegt werden, dass die zeitliche Nutzungsmöglichkeit wirklich hinter den Angaben in den AfA-Tabellen zurück bleibt. Hier trägt der Steuerpflichtige die Beweislast.
Tipp: | In der Praxis wird es daher regelmäßig problembehaftet sein, eine kürzere Nutzungsdauer objektiv nachvollziehbar zu untermauern. Dies kann regelmäßig anhand eines Gutachtens geschehen, jedoch wird es auch zahlreiche Wirtschaftsgüter geben, bei denen sich ein Gutachten schlicht nicht lohnen wird. Da ein Gutachten jedoch keine zwingende Voraussetzung ist, müssen solche Sachverhalte besonders gut argumentativ untermauert werden. |