In Sachen Vorsteuerabzug sind die gesetzlichen Regelungen des Umsatzsteuergesetzes (UStG) sehr streng. Ausweislich der Regelung in § 14 Abs. 4 muss eine Rechnung folgende Angaben enthalten: Den vollständigen Namen und die vollständige Anschrift des leistenden Unternehmers und des Leistungsempfängers, die dem leistenden Unternehmer erteilte Steuernummer oder erteilte Umsatzsteuer-Identifikationsnummer, das Ausstellungsdatum der Rechnung, eine fortlaufende Rechnungsnummer, die Menge und die Art der gelieferten Gegenstände oder den Umfang und die Art der sonstigen Leistung, den Zeitpunkt der Lieferung oder sonstigen Leistung, das nach Steuersätzen bzw. einzelnen Steuerbefreiungen aufgeschlüsselte Entgelt, den anzuwendenden Steuersatz bzw. einen Hinweis auf die Steuerbefreiung. In bestimmten Fällen muss auch die Aufbewahrungspflicht des Leistungsempfängers und bei Ausstellung der Rechnung durch den Leistungsempfänger das Wort Gutschrift vorhanden sein.
Fehlt es an nur einer dieser Angaben, ist der Vorsteuerabzug nach § 15 UStG nicht mehr möglich. Der Fiskus wird dann keine Umsatzsteuer mehr erstatten. Man muss nicht extra erwähnen, dass die Finanzverwaltung in Sachen Einhaltung dieser Formalien sehr streng ist, denn ein nicht möglicher Vorsteuerabzug ist schließlich grundsätzlich ein Vorteil für den Fiskus. Daher wird der Vorsteuerabzug regelmäßig nicht gewährt, wenn auch nur eine der vorgenannten Angaben nicht oder nicht vollständig in der Rechnung vorhanden ist.
Wie streng die Kriterien dabei sind, zeigte die bisherige Rechtsprechung in Sachen Anschrift. So muss eine zum Vorsteuerabzug berechtigende Rechnung unter anderem die vollständige Anschrift des leistenden Unternehmers enthalten. Das Wort vollständig ist dabei durchaus ernst zu nehmen. Die bisherige Rechtsprechung urteilte hierzu nämlich grundsätzlich: Sofern die Angabe einer Anschrift gegeben ist, an der im Zeitpunkt der Rechnungserstellung keinerlei geschäftliche Aktivitäten stattfinden, kann dies grundsätzlich nicht als zutreffende Anschrift angesehen werden und berechtigt folglich nicht zum Vorsteuerabzug.
Ob diese strenge Auffassung jedoch zukünftig haltbar erscheint, bleibt abzuwarten. Aktuell hat nämlich das Finanzgericht Köln in einem Urteil vom 28.04.2015 unter dem Aktenzeichen 10 K 3803/13 entschieden: Die Angabe der Anschrift auf der Rechnung hat den Zweck, den leistenden Unternehmer eindeutig zu identifizieren und soll es unter anderem auch der Finanzverwaltung ermöglichen, den Unternehmer postalisch zu erreichen. Ist die postalische Erreichbarkeit gewährleistet, kommt es nicht darauf an, welche geschäftlichen Aktivitäten unter der Postanschrift erfolgen.
Mit anderen Worten: Die Kölner Richter sehen die Pflichtangabe einer vollständigen Anschrift entspannt und sehr alltagstauglich. Sofern unter der Anschrift tatsächlich der leistende Unternehmer erreicht werden kann, ist irrelevant, ob er unter dieser Anschrift auch tatsächlich seine geschäftlichen Aktivitäten entfaltet.
Exkurs:
Ob sich die Kölner Richter jedoch mit dieser erfreulichen und praxisnahen Auffassung durchsetzen können, bleibt abzuwarten. Tatsächlich hat der Fiskus nämlich Revision beim Bundesfinanzhof in München eingelegt, welcher nun unter dem Aktenzeichen V R 25/15 entscheiden muss, unter welchen Voraussetzungen Rechnungen mit einer Anschrift, unter der keine geschäftlichen Aktivitäten stattfinden, zum Vorsteuerabzug berechtigen.
Tipp:
Betroffene Unternehmer sollten daher Umsatzsteuerbescheide, die ein solches Problem beinhalten, offen halten, damit im Falle eines positiven Urteils des Bundesfinanzhofs der Vorsteuerabzug auch ohne eine arbeitsaufwändige Rechnungskorrektur möglich wird.