In einer leider längst vergangenen Zeit hat die Grunderwerbsteuer mal ein gewisses Schattendasein geführt. Grund dafür war insbesondere der geringe Steuersatz. Auch wenn im Grunderwerbsteuergesetz immer noch ein Steuersatz von 3,50 % verzeichnet ist, so gilt dieser nahezu in allen Teilen der Bundesrepublik nicht mehr. Grund dafür ist eine Regelung, wonach die Bundesländer, denen die Einnahmen aus der Grunderwerbsteuer zustehen, den Steuersatz selber bestimmen dürfen. Steuersätze von bis zu 6,50 % sind daher in manchen Bundesländern der Republik zu berappen.
Es wundert daher nicht, dass insbesondere Streitigkeiten über die Grunderwerbsteuer immer häufiger vor dem Finanzgericht enden. So auch ein aktueller Fall, bei dem es um die Thematik der Nichtfestsetzung der Steuer bzw. der Aufhebung oder Änderung der Steuerfestsetzung geht. Konkret handelt es sich um einen Fall, bei dem ein Erwerbsvorgang rückgängig gemacht wird, und somit auch die Grunderwerbsteuer aufgehoben werden soll.
Dies ist ausweislich der Regelung in § 16 Abs. 1 Nummer 1 des Grunderwerbsteuergesetzes (GrEStG) ausdrücklich möglich, wenn ein Erwerbsvorgang rückgängig gemacht wird, bevor das Eigentum am Grundstück auf den Erwerber übergegangen ist. In diesem Fall wird auf Antrag die Steuer nicht festgesetzt oder die bestehende Steuerfestsetzung aufgehoben, wenn die Rückgängigmachung durch Vereinbarung, durch Ausübung eines vorbehaltenen Rücktrittsrechts oder eines Wiederkaufsrechts innerhalb von zwei Jahren seit der Entstehung der Steuer stattfindet.
Was sich zunächst gut anhört, umfasst jedoch tatsächlich nicht alle Sachverhalte der Rückgängigmachung eines Erwerbsvorgangs und damit auch nicht die Möglichkeit, bei jeglicher Rückgängigmachung eines Erwerbsvorgangs die bereits ergangene Steuerfestsetzung aufzuheben. Dies zeigt insbesondere der dem Urteil des Bundesfinanzhofs vom 19.09.2018 unter dem Aktenzeichen II R 10/16 zugrunde liegende Sachverhalt.
Im Urteilsfall hatte die Klägerin mit einer GmbH einen Kaufvertrag über ein Gebäude auf fremdem Grund und Boden geschlossen. Der Eigentümer des Grundstücks verweigerte jedoch schließlich die erforderliche Zustimmung zum Eintritt der Klägerin in den bestehenden Grundstücksmietvertrag. Als Folge dessen wurde daher der Kaufvertrag zwischen der Klägerin und der GmbH aufgehoben und in derselben Urkunde bestimmt, dass die Anteile an der GmbH zu 94 % auf die Muttergesellschaft der Klägerin übertragen werden. Unstrittig ist in diesem Zusammenhang, dass die Übertragung von 94 % der GmbH-Anteile auf die Muttergesellschaft der Klägerin kein grunderwerbsteuerlicher Vorgang ist.
Mit Blick auf den Kaufvertrag zwischen der Klägerin und der GmbH hinsichtlich des Gebäudes auf fremdem Grund und Boden hatte das Finanzamt jedoch bereits Grunderwerbsteuer festgesetzt. Eine Aufhebung dieser Festsetzung der Grunderwerbsteuer lehnte der Fiskus ab, weil er keine Rückgängigmachung des Kaufvertrags erkennen konnte. Insbesondere die Tatsache, dass die Klägerin schließlich eine beherrschende Beteiligung an der GmbH erworben hatte, sprach aus Sicht des Fiskus gegen eine Rückgängigmachung, die zur Aufhebung der ursprünglichen Grunderwerbsteuerfestsetzung geführt hätte.
Das erstinstanzliche Finanzgericht Hamburg entschied in seinem Urteil vom 01.02.2016 unter dem Aktenzeichen 3 K 130/15 noch gegen den Fiskus und stellte klar: Ein Grundstückskaufvertrag ist auch dann im Sinne des § 16 Abs. 1 Nummer 1 GrEStG vollständig rückgängig gemacht worden, wenn er zivilrechtlich aufgehoben wird und in derselben Urkunde die Anteile an der grundstücksveräußernden Kapitalgesellschaft zu 94 % an die Muttergesellschaft der Erwerberin veräußert werden. Insoweit sah das erstinstanzliche Gericht keine Gründe, warum die Grunderwerbsteuer auf den ursprünglichen Erwerb zwischen Klägerin und GmbH nicht rückwirkend aufgehoben werden kann.
Dem widersprach nun jedoch leider der Bundesfinanzhof und gab damit der Auffassung der Finanzverwaltung Recht. Im Urteil vom 19.09.2018 stellten die obersten Finanzrichter der Republik unter dem Aktenzeichen II R 10/16 klar, dass die Anwendung des § 16 Abs. 1 Nummer 1 GrEStG ausgeschlossen ist, wenn der Ersterwerber eine ihm verbleibende Rechtsposition aus dem ursprünglichen Kaufvertrag in seinem eigenen wirtschaftlichen Interesse verwertet hat. Dies ist hier geschehen, da der Erwerber seine Rechtsposition aus dem ursprünglichen Kaufvertrag verwertet hat. Dies ist gegeben, weil er durch seine Unterschrift unter dem Vertrag über die Aufhebung des Grundstückskaufvertrags mit einer grundbesitzenden Gesellschaft bestimmen konnte, wer die Anteile an dieser Gesellschaft erwerben darf. Die Tatsache, dass dieser Anteilserwerb selber nicht steuerbar im Sinne der Grunderwerbsteuer ist, ist dabei irrelevant.
Für die Praxis muss daher immer genau geprüft werden, ob eine Grunderwerbsteuerfestsetzung tatsächlich aufgehoben werden kann. Ansonsten könnte es auch ein böses Erwachen geben.