In einem aktuell entschiedenen Streitfall hatte ein Ehemann seine Einkommensteuererklärung für 2008 abgegeben und dort als Hochzeitsdatum ein Datum in 2009 angegeben. Dies war jedoch lediglich ein Tippfehler, da das tatsächliche Hochzeitsdatum in 2008 lag. Weil jedoch ansonsten auch keine weiteren Angaben zur Ehefrau und zur Wahl der Veranlagungsart gemacht wurden, wurde der Ehemann einzelveranlagt. Erst in 2012 beantragte das Ehepaar schließlich die Zusammenveranlagung. Diesen Antrag lehnte das Finanzamt allerdings ab und bekam vom erstinstanzlichen Finanzgericht Berlin-Brandenburg mit Urteil vom 30.05.2016 unter dem Aktenzeichen 4 K 4262/14 auch Recht.
Konkret urteilte das erstinstanzliche Gericht: Hat der verheiratete Steuerpflichtige für das Jahr der Heirat sein Veranlagungswahlrecht nicht ausgeübt und ist für ihn eine Einzelveranlagung durchgeführt worden, während für die Ehefrau wie von ihr beantragt eine besondere (getrennte) Veranlagung durchgeführt wurde, und sind beide Einkommensteuerbescheide mit Ablauf der Einspruchsfrist bestandskräftig geworden, so kann nicht nachträglich eine Zusammenveranlagung durchgeführt werden, wenn der gegenüber dem Ehemann ergangene Steuerbescheid später geändert wird und die Ehegatten nunmehr die Zusammenveranlagung unter entsprechender Änderung des gegenüber der Ehefrau ergangenen Einkommensteuerbescheides beantragen.
Vereinfacht gesagt: Nur wenn beide Ehegatten zuvor getrennt im Rahmen der Ehegatten-Veranlagung veranlagt worden sind, soll nach Auffassung des Finanzgerichtes Berlin-Brandenburg die Änderung der Wahlrechtsausübung als rückwirkendes Ereignis im Sinne der Vorschrift des § 175 Abs. 1 Satz 1 Nummer 2 der Abgabenordnung (AO) angesehen werden können.
Für die bestandskräftige Einzelveranlagung des Steuerpflichtigen soll in diesem Fall die geänderte Ausübung des Veranlagungswahlrechts kein Ereignis sein, dass steuerliche Wirkung für die Vergangenheit hat. So zumindest die Auffassung der erstinstanzlichen Richter. Die Wahl der Veranlagungsart soll insoweit ein Merkmal des gesetzlichen Tatbestands bei der Ehegatten-Veranlagung sein, allerdings kein Merkmal der Einzelveranlagung.
Folglich kommen die erstinstanzlichen Richter des Finanzgerichtes Berlin-Brandenburg auch in verfahrensrechtlicher Hinsicht zu dem Ergebnis, dass eine Zusammenveranlagung angeblich nicht mehr durchgeführt werden kann. Diesbezüglich argumentieren sie: Beruht die Durchführung einer Einzelveranlagung für den Veranlagungszeitraum der Heirat des Steuerpflichtigen darauf, dass wie im vorliegenden Fall in der Einkommensteuererklärung versehentlich das Folgejahr als Jahr der Heirat eingetragen wurde, so ist der bestandskräftig gewordene Einkommensteuerbescheid nicht nichtig und kann auch nicht aufgrund einer offenbaren Unrichtigkeit oder aufgrund nachträglich bekannt gewordener Tatsachen geändert werden.
Erfreulicherweise ließ sich jedoch das Ehepaar von dieser erstinstanzlichen Entscheidung nicht einschüchtern und hat den Revisionszug zum Bundesfinanzhof bestiegen. Wie sich nun zeigt: zu Recht und sogar mit Erfolg. Denn mit Urteil vom 14.06.2018 hat der Bundesfinanzhof unter dem Aktenzeichen III R 20/17 die erstinstanzliche Entscheidung des Finanzgerichtes Berlin-Brandenburg aufgehoben und die Zusammenveranlagung trotz der bestandskräftigen Einzelveranlagung zugelassen.
Konkret urteilten die obersten Richter des Bundesfinanzhofs: Erfüllen die Ehegatten die Voraussetzungen der Ehegatten-Veranlagung, können sie nach der im Jahr 2008 geltenden Rechtslage zwischen getrennter Veranlagung, Zusammenveranlagung sowie der besonderen Veranlagung im Jahr der Eheschließung wählen und die einmal getroffene Wahl bis zur Unanfechtbarkeit eines Berichtigungs- oder Änderungsbescheids frei widerrufen. Dieses Wahlrecht besteht auch dann, wenn einer der Ehegatten zuvor einzeln veranlagt wurde. Insoweit hat der Bundesfinanzhof in gänzlicher Abkehr der erstinstanzlichen Entscheidung materiell-rechtlich entschieden, dass eine entsprechende Zusammenveranlagung grundsätzlich immer noch möglich ist.
Mit Blick auf die verfahrensrechtliche Seite hat der Bundesfinanzhof ebenso positiv entschieden: Eine Zusammenveranlagung setzt in einem solchen Fall voraus, dass der Bescheid des anderen Ehegatten geändert werden kann. Falls dieser bestandskräftig ist, kommt als Rechtsgrundlage das sogenannte rückwirkende Ereignis aufgrund der Vorschrift des § 175 Abs. 1 Satz 1 Nummer 2 AO auch dann in Betracht, wenn der andere Ehegatte besonders veranlagt wurde.
Im Ergebnis haben daher die Kläger den Antrag auf Zusammenveranlagung wirksam gestellt und aufgrund der verfahrensrechtlichen Änderung des rückwirkenden Ereignisses kann die Zusammenveranlagung auch noch durchgeführt werden.