Steuerbüro Bachmann

Ist der Kinderfreibetrag verfassungswidrig zu niedrig?

Bereits im vorherigen Mandantenbrief berichteten wir in einem Satz darüber, dass der 7. Senat des Niedersächsischen Finanzgerichts mit Beschluss vom 02.12.2016 unter dem Aktenzeichen 7 K 83/16 überzeugt ist, dass der Gesetzgeber die Kinderfreibeträge (nicht nur) im Streitjahr 2014 in verfassungswidriger Weise zu niedrig bemessen hat. Der Senat hat daher im Anschluss an seine mündliche Verhandlung beschlossen, das Klageverfahren auszusetzen, und das Verfahren dem Bundesverfassungsgericht zur höchstrichterlichen Klärung vorzulegen. Aufgrund der hohen Brisanz der Thematik wollen wir es an dieser Stelle jedoch nicht nur bei einem einzelnen Satz zu dem anhängigen Verfahren belassen, sondern die Hintergründe konkret darlegen:

Die erstinstanzlichen Richter begründen ihre mutige Entscheidung im oben genannten Beschluss sowie in ihrer Pressemitteilung vom 05.12.2016 wie folgt: Nach der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts muss bei der Ermittlung des zu versteuernden Einkommens ein Betrag in Höhe des Existenzminimums steuerfrei bleiben. Auf den Teil des Einkommens, den man bei Bedürftigkeit als Sozialleistung erhalten würde, darf keine Einkommensteuer erhoben werden. Die Höhe des Existenzminimums wird alle zwei Jahre von der Bundesregierung ermittelt. Auf Grundlage dieser Ermittlung werden bei der Festsetzung der Einkommensteuer für jedes Kind ein Freibetrag für das sächliche Existenzminimum und ein Freibetrag für den Betreuungs- und Erziehungs- bzw. Ausbildungsbedarf abgezogen. Der nach einer Durchschnittsberechnung vom Gesetzgeber festgelegte Kinderfreibetrag legt für alle Kinder ein sächliches Existenzminimum zugrunde, das niedriger ist als der sozialhilferechtliche Regelbedarf eines Kindes ab dem 6. Lebensjahr. Das gilt auch für ältere oder volljährige Kinder, die z.B. wegen einer Ausbildung oder als behinderte Kinder zu berücksichtigen sind.

Der 7. Senat des Niedersächsischen Finanzgerichts ist daher zu der Überzeugung gelangt, dass der Gesetzgeber die Höhe der Kinderfreibeträge in verfassungswidriger Weise zu niedrig festgelegt hat.

Die vom Gesetzgeber verwendete Berechnungsweise führe dazu, dass die Klägerin Einkommensteuer auf das Existenzminimum ihrer zwei in Ausbildung befindlichen Töchter im Alter von 16 und 21 Jahren zahlen müsse.

Außerdem hätte der Gesetzgeber auch nach seiner eigenen Berechnungsmethode für das Streitjahr 2014 in jedem Fall einen um jährlich 72 Euro höheren Freibetrag ansetzen müssen. Der Senat hat das Klageverfahren daher nach Art. 100 des Grundgesetzes ausgesetzt und dem Bundesverfassungsgericht die Frage vorgelegt, ob die gesetzliche Regelung zur Höhe der Kinderfreibeträge verfassungswidrig ist.

Exkurs: Die Entscheidung hat Bedeutung für alle Eltern, die für ihre Kinder einen Anspruch auf Kindergeld oder einen Kinderfreibetrag haben. Eine Erhöhung der einkommensteuerlichen Kinderfreibeträge wirkt sich nicht nur bei solchen Steuerpflichtigen aus, für die der Kinderfreibetrag günstiger ist als das Kindergeld, sondern betrifft alle, weil die Kinderfreibeträge immer bei der Festsetzung der Kirchensteuer und des Solidaritätszuschlages berücksichtigt werden.

Auch die im Dezember 2016 vom Deutschen Bundestag beschlossene Erhöhung des Kinderfreibetrages ab dem 01.01.2017 würde an der Problematik nichts ändern, weil die Berechnungsmethode unverändert bleibt, sodass die Gesamtthematik auch keinesfalls aktuell an Brisanz verliert. Über den Fortgang des Verfahrens werden wir selbstverständlich wieder berichten.