Steuerbüro Bachmann

Kein Arbeitslohn bei Gutschrift auf Zeitwertkonto

Bei einem Zeitwertkonto handelt es sich um eine Art Sparkonto für die Arbeitszeit. Auf ein solches Konto können Angestellte Arbeitsentgelt oder Arbeitszeit „einzahlen“, um mit dem so aufgebauten Wertguthaben während einer späteren Freistellung von der Arbeit immer noch einen Geldzufluss zu haben.

Zu der lohnsteuer- bzw. einkommensteuerlichen Behandlung sowie den Voraussetzungen für die steuerliche Anerkennung von solchen Zeitwertkonten-Modellen hat sich die Finanzverwaltung bereits in ihrer Verwaltungsanweisung im BMF-Schreiben vom 17.06.2009 geäußert. Zum Besteuerungszeitpunkt führt die Finanzverwaltung in diesem Zusammenhang grundsätzlich wie folgt aus: Weder die Vereinbarung eines Zeitwertkontos noch die Wertgutschrift auf diesem Konto führt zum Zufluss von Arbeitslohn, sofern die getroffene Vereinbarung den im BMF-Schreiben geschilderten Voraussetzungen entspricht. Erst die Auszahlung des Guthabens während der Freistellung löst folglich Zufluss von Arbeitslohn und damit eine Besteuerung aus.

Häufig haben jedoch Grundsätze im Steuerrecht auch Ausnahmen. In Abweichung von dieser Grundregel hat das Bundesministerium für Finanzen nämlich auch eine besondere Ausnahme für Organe von Körperschaften geregelt. Bei diesem Personenkreis gilt nämlich: Vereinbarungen über die Einrichtung von Zeitwertkonten bei Arbeitnehmern, die zugleich als Organ einer Körperschaft bestellt sind – z. B. bei Mitgliedern des Vorstands einer Aktiengesellschaft oder Geschäftsführern einer GmbH –, sind mit dem Aufgabenbild des Organs einer Körperschaft nicht vereinbar. Infolgedessen führt bereits die Gutschrift des künftig fällig werdenden Arbeitslohns auf dem Zeitwertkonto zum Zufluss von Arbeitslohn.

Gegen diese fiskalisch geprägte Verwaltungsauffassung hat bereits in 2016 das Finanzgericht Köln entschieden und eine anders lautende Auffassung vertreten. Die Richter aus der Domstadt stellten insoweit mit Urteil vom 26.04.2016 unter dem Aktenzeichen 1 K 1191/12 klar, dass Einzahlungen auf ein Zeitwertkonto zugunsten des Fremdgeschäftsführers einer GmbH nicht zum Zufluss von Arbeitslohn führen. Dies ist zumindest dann der Fall, wenn die Beträge in die von der Gesellschaft abgeschlossene Rückdeckungsversicherung eingezahlt werden und der Geschäftsführer bis zur Freistellungsphase keinen Anspruch auf Auszahlung der Versicherungssumme hat.

Wie nicht anders zu erwarten, hat die für Geschäftsführer positive Entscheidung der Finanzverwaltung nicht geschmeckt. Da die Revision wegen grundsätzlicher Bedeutung der Rechtssache und zur Fortbildung des Rechtes zugelassen war, ist die Finanzverwaltung seinerzeit auch direkt in Revision gezogen. Diese ist immer noch unter dem Aktenzeichen VI R 17/16 anhängig. Die Rechtsfrage, die der BFH unter diesem Aktenzeichen zu beantworten hat, lautet konkret: Führt bereits die Gutschrift künftig fällig werdenden Arbeitslohns auf dem Zeitwertkonto zum Zufluss von Arbeitslohn bei einem angestellten Organ (…) einer Körperschaft (…)?

Exakt die identische Rechtsfrage ist nun abermals unter dem Aktenzeichen VI R 39/17 beim Bundesfinanzhof anhängig geworden. Diesmal war die Vorinstanz das Finanzgericht Baden-Württemberg, welches sich in seiner Entscheidung vom 22.6.2017 unter dem Aktenzeichen 12 K 1044/15 ebenso drastisch gegen die Auffassung der Finanzverwaltung stellt.

Ganz ausdrücklich führen die Richter aus dem Ländle aus, dass als Arbeitslohn noch nicht die Gutschrift auf dem Zeitwertkonto zu versteuern ist, sondern erst die Auszahlung aus diesem.

Dies gilt ausweislich der Entscheidung selbst für Fälle, in denen ein Arbeitsplatzwechsel stattfindet. So urteilen die Richter: Die Übertragung eines Guthabens auf einem Zeitwertkonto bei Beendigung des Arbeitsverhältnisses auf einen neuen Arbeitgeber ist nicht steuerbar. Der neue Arbeitgeber tritt an die Stelle des bisherigen Arbeitgebers und übernimmt dessen Verpflichtungen aus dem Wertguthaben im Wege der Schuldübernahme. Insoweit gehören erst die Leistungen aus dem Wertguthaben durch den neuen Arbeitgeber zu den Einkünften aus nichtselbstständiger Arbeit.

Tipp: Da insoweit bereits zwei positive Entscheidung im erstinstanzlichen Bereich gegeben sind, sollten betroffene Geschäftsführer den eigenen Einkommensteuerbescheid unbedingt mittels Einspruch offenhalten und auf die beiden anhängigen Verfahren vor dem Bundesfinanzhof sowie die positiven ersten Instanzen aus Köln und Baden-Württemberg hinweisen. Auch wenn der Bundesfinanzhof natürlich in seiner Entscheidung vollkommen frei ist, stehen die Chancen auf eine positive Entscheidung der obersten Richter aus unserer Sicht alles andere als schlecht.

 

Exkurs: Besonders erfreulich ist, dass die Richter des Finanzgerichts Baden-Württemberg noch einen Schritt weiter gegangen sind. Sie haben nämlich entschieden: Wird der Betrag auf dem Zeitwertkonto verzinst, so sind die nach Ablauf des Ausgleichszeitraums ausgezahlten Zinsen keine Einkünfte aus Kapitalvermögen, sondern durch das Dienstverhältnis veranlasste Einkünfte aus nichtselbstständiger Tätigkeit, die im Zeitpunkt der Auszahlung (und nicht schon im Moment der Gutschrift auf dem Konto) zu versteuern sind.