Mit Urteil vom 16.1.2018 hat der Bundesfinanzhof in München unter dem Aktenzeichen VI R 41/16 eine erfreuliche Entscheidung getroffen. Danach gilt: Gleicht das Finanzamt bei einer Papiererklärung den elektronisch übermittelten und der Steuererklärung beigestellten Arbeitslohn generell nicht mit dem vom Steuerpflichtigen in der Einkommensteuererklärung erklärten Arbeitslohn ab und werden die Einnahmen aus nichtselbstständiger Arbeit im Einkommensteuerbescheid infolgedessen unzutreffend erfasst, liegt darin keine offenbare Unrichtigkeit im Sinne des § 129 der Abgabenordnung (AO). Insoweit legen die obersten Finanzrichter der Republik ausdrücklich fest: Stimmen der vom Steuerpflichtigen erklärte und der der Einkommensteuererklärung beigestellte Arbeitslohn nicht überein, hat der Sachbearbeiter beim Finanzamt regelmäßig (gegebenenfalls sogar in weiteren Datenbanken) zu ermitteln, welches der zutreffende Arbeitslohn ist. Unterlässt er solche Ermittlungen, kann er sich später nicht auf eine offenbare Unrichtigkeit berufen, um seinen Fehler zu Lasten des Steuerpflichtigen wieder zu korrigieren.
Im Streitfall war die Klägerin zunächst bei Arbeitgeber I und später bei Arbeitgeber II beschäftigt. Ihren aus diesen beiden Arbeitsverhältnissen bezogenen Arbeitslohn erklärte sie gegenüber dem Finanzamt in ihrer Einkommensteuererklärung zutreffend und vollkommen korrekt. Die Erklärung wurde in Papierform eingereicht. Das Finanzamt berücksichtigte im Einkommensteuerbescheid lediglich den Arbeitslohn aus dem Arbeitsverhältnis mit dem Arbeitgeber II. Erst nach der Bestandskraft des Einkommensteuerbescheides stellte der Sachbearbeiter beim Finanzamt fest, dass der Arbeitgeber I erst im Nachhinein die richtigen Lohndaten für die Klägerin übermittelt hatte und diese deshalb im Bescheid nicht enthalten waren. Der Sachbearbeiter hatte nämlich zunächst lediglich die ihm online übermittelten Daten in den Einkommensteuerbescheid übernommen und die Angaben in der Steuererklärung nicht weiter berücksichtigt.
Das Finanzamt erließ nach Erkennen dieses Fehlers schließlich einen Änderungsbescheid, gegen den die Klägerin leider erfolglos Einspruch einlegte, weil sich das Finanzamt nach § 129 AO als änderungsbefugt betrachtete. Tatsächlich können nach dieser Vorschrift jedoch nur Schreibfehler, Rechenfehler und ähnliche offenbare Unrichtigkeiten, die beim Erlass eines Verwaltungsaktes unterlaufen sind, jederzeit berichtigt werden. Daher entschied bereits das erstinstanzlich angerufene Finanzgericht Köln in seinem Urteil vom 14.3.2016 unter dem Aktenzeichen 5 K 1920/14: Nimmt ein Veranlagungsbeamter keinen Abgleich von übermittelten und erklärten Beträgen vor und nimmt er damit bewusst und gewollt in Kauf, dass gegebenenfalls ein unzutreffender Sachverhalt der Veranlagung zugrunde gelegt wird, ist kein lediglich mechanisches Versehen anzunehmen, sondern ein nicht nach § 129 AO berichtigungsfähiger Fehler bei der Ermittlung des Sachverhaltes gegeben.
Diese positive Entscheidung des erstinstanzlichen Finanzgerichts hat nun aktuell der Bundesfinanzhof in München in voller Linie bestätigt und den Fiskus damit deutlich in seine Schranken gewiesen. Nach seinem Urteil liegt keine offenbare Unrichtigkeit vor. Entscheidend ist nach Meinung der obersten Finanzrichter hierfür, dass die Klägerin ihren Arbeitslohn zutreffend erklärt hat, das Finanzamt diese Angaben aber schlicht ignoriert hatte, weil es darauf vertraute, dass die vom Arbeitgeber elektronisch übermittelten Daten zutreffend waren.
Auch wenn aus verfahrensökonomischen Gründen und Gründen der Verwaltungsökonomie diese Vorgehensweise nachvollziehbar ist, kann dies nicht dazu führen, dass eine offenbare Unrichtigkeit gegeben ist. Ein mechanisches Versehen liegt hier nämlich nicht mehr vor, sondern die bewusste Entscheidung hin zur Verfahrens- und Verwaltungsökonomie. Eine spätere Berichtigung nach § 129 AO ist dann nicht möglich.
Exkurs: | Immerhin würde im gegensätzlich gelagerten Fall das Gleiche gelten: Wird nämlich infolge einer fehlerhaften Meldung des Arbeitgebers zu viel Arbeitslohn erfasst, kann sich der Steuerpflichtige in vergleichbaren Fällen ebenfalls nicht im Nachhinein auf § 129 AO berufen, wenn er den Fehler erst nach Ablauf der Einspruchsfrist bemerkt. |
Exkurs: | Insoweit ist die Entscheidung durchweg positiv, nachvollziehbar und vollkommen richtig. Leider muss jedoch angemerkt werden, dass die Entscheidung einen Streitfall betraf, der vor dem 1.1.2017 stattfand. Ab 2017 gilt nämlich der neue § 175 b AO, wonach ein Steuerbescheid aufzuheben oder zu ändern ist, soweit von der mitteilungspflichtigen Stelle an die Finanzbehörden übermittelte Daten im Sinne des § 93 c AO bei der Steuerfestsetzung nicht oder nicht zutreffend berücksichtigt wurden. Insoweit hat der Gesetzgeber der Finanzverwaltung für entsprechende Fehler eine eigenständige Korrekturvorschrift geschaffen, sodass der Fiskus weiterhin seiner Verwaltung- und Verfahrensökonomie frönen kann und die Arbeit (mal wieder) am Steuerpflichtigen hängenbleibt. |