Grundsätzlich kann nach der aktuellen Fassung des Einkommensteuergesetzes Kindergeld auch weiterhin für ein in Ausbildung befindliches Kind gewährt werden, sofern das Kind noch nicht das 21. Lebensjahr vollendet hat. Dabei ist es grundsätzlich vollkommen unbedeutend, ob es sich bei der Ausbildung um eine Erst- oder Zweitausbildung handelt. Die Frage nach der ersten oder einer weiteren Ausbildung ist jedoch nicht immer unerheblich. Anders sieht es nämlich aus, wenn ein Kind nach Abschluss einer erstmaligen Ausbildung oder eines Erststudiums einer Erwerbstätigkeit von regelmäßig mehr als 20 Stunden pro Woche nachgeht. So war es auch im Streitfall bei einem Studenten eines Masterstudiengangs.
Dem Urteilssachverhalt lag in etwa folgender Fall zu Grunde: Der Student hatte seinen Bachelor-Abschluss in der Tasche und schloss im darauf folgenden Wintersemester den Masterstudiengang an. Nebenher arbeitete er 21,5 Stunden wöchentlich als studentische Hilfskraft und Nachhilfelehrer. Aufgrund der Erwerbstätigkeit von nachweislich mehr als 20 Stunden in der Woche hob die Familienkasse das Kindergeld auf, da mit Erreichen des Bachelor-Abschlusses eine Erstausbildung absolviert war und insoweit einer kindergeldschädlichen Erwerbstätigkeit nachgegangen wurde.
Auch das erstinstanzliche Finanzgericht Berlin-Brandenburg ging in seiner Entscheidung vom 02.09.2014 unter dem Aktenzeichen 15 K 15011/14 davon aus, dass ein Masterstudiengang, der auf einem Bachelorstudiengang aufbaut, eine zweite Ausbildung ist, sodass bei einer überwiegenden Erwerbstätigkeit kein Kindergeld gewährt werden kann. Damit lag das erstinstanzlich erkennende Finanzgericht Berlin-Brandenburg auf einer Linie mit der vorherrschenden Meinung der Finanzverwaltung im BMF-Schreiben vom 07.12.2011. Schon dort ist geregelt, dass der Abschluss eines Bachelorstudiengangs auch dann den Abschluss eines Studiums darstellt und ein nachfolgender Studiengang als Zweitausbildung zu werten ist, wenn der nachfolgende Masterstudiengang auf dem Bachelorstudiengang aufbaut. Man spricht in diesem Zusammenhang von einem konsekutiven Masterstudiengang.
Insoweit schienen sich Finanzverwaltung und erstinstanzliche Rechtsprechung einig darüber, dass in entsprechenden Fällen der Zweitausbildung gepaart mit einer überwiegenden Erwerbstätigkeit Kindergeld nicht mehr gewährt werden darf. Dies ist jedoch weit gefehlt!
Erfreulicherweise sah der Bundesfinanzhof dies in seiner Entscheidung vom 03.09.2015 (Az: VI R 9/15) grundlegend anders. Danach gilt ganz konkret entgegen der geschilderten Finanzamtsauffassung: Ein Masterstudium ist jedenfalls dann Teil einer einheitlichen (Erst-)Ausbildung, wenn es zeitlich und inhaltlich auf den vorangegangenen Bachelorstudiengang abgestimmt ist und das (von den Eltern und dem Kind) bestimmte Berufsziel erst darüber erreicht werden kann. Der Bundesfinanzhof geht also davon aus, dass die Erstausbildung mit Erlangung des Bachelor-Abschlusses noch nicht beendet ist, wenn es sich um ein sogenanntes konsekutives Masterstudium handelt. Dies gilt auch, wenn einer Erwerbstätigkeit von mehr als 20 Stunden in der Woche nachgegangen wird, sodass beim konsekutiven Masterstudium noch von einer Erstausbildung gesprochen werden kann.
Exkurs: | Die Argumentation des Bundesfinanzhofs ist durchaus schlüssig, wenngleich sie auch in der Praxis nicht in jedem Einzelfall einfach nachzuvollziehen sein wird. Immerhin stellt der Bundesfinanzhof auf das Berufsziel ab, was im Einzelfall schwierig nachzuweisen sein dürfte. Insoweit ist auch anzunehmen, dass die Entscheidung der Finanzverwaltung ein Dorn im Auge sein wird. Andererseits würde ein Nichtanwendungserlass zu diesem Urteil sicherlich zu einer Klagewelle führen, die sich der Fiskus besser ersparen sollte. Bis auf weiteres sollte versucht werden, unter Verweis auf die Entscheidung in entsprechenden Fällen auch während des Masterstudiums Kindergeld zu erhalten. |