Steuerbüro Bachmann

Mittelwert oder Preisspanne bei der Schätzung der üblichen Miete?

Für Zwecke der Erbschaft- und Schenkungsteuer werden Mietwohngrundstücke sowie Geschäftsgrundstücke und gemischt genutzte Grundstücke, für die sich auf dem örtlichen Grundstücksmarkt eine übliche Miete ermitteln lässt, im Rahmen des sogenannten Ertragswertverfahrens bewertet.

Ausgangspunkt bei diesem Bewertungsverfahren ist (wie der Name schon vermuten lässt) der Ertrag, genauer der Reinertrag der Immobilie. Dieser ergibt sich aus dem Rohertrag des Grundstücks abzüglich der Bewirtschaftungskosten. Als Rohertrag bezeichnet das Gesetz dabei das Entgelt, das für die Benutzung des bebauten Grundstücks nach den am Bewertungsstichtag geltenden vertraglichen Vereinbarungen für den Zeitraum von zwölf Monaten zu zahlen ist. Einfacher ausgedrückt als mit den Worten des Bewertungsgesetzes: Ausgangspunkt der Bewertung im Ertragswertverfahren ist der Rohertrag in Form der tatsächlichen Miete. Dies ist jedoch nur der Grundsatz, denn immerhin ist eine tatsächliche Miete nicht immer gegeben.

Sofern keine Miete zu zahlen ist (beispielweise weil die Immobilie eigengenutzt oder ungenutzt ist), muss regelmäßig die sogenannte „übliche Miete“ angesetzt werden. Dies ist auch so, wenn die Immobilie dem Mieter zu einer um mehr als 20 Prozent von der „üblichen Miete“ abweichenden tatsächlichen Miete überlassen wird. Exakt zu diesem Punkt liegt nun beim Bundesfinanzhof in München ein anhängiger Steuerstreit vor, der sich damit beschäftigt, was denn als „übliche Miete“ zum Vergleich anzusetzen ist.

Die „übliche Miete“ wird nämlich regelmäßig anhand von Mietpreistabellen ermittelt. Diese Tabellen weisen jedoch als übliche Miete niemals nur einen einzigen Wert aus, sondern regelmäßig eine Spanne, in der sich die übliche Miete bewegt.

Streitbefangenen ist nun, welcher Wert innerhalb dieser Spanne tatsächlich als „übliche Miete“ anerkannt werden kann.

Das Finanzamt geht in einer sehr fiskalischen Auslegung dabei davon aus, dass lediglich der Mittelwert der Mietpreisspanne als „übliche Miete“ angesehen werden kann. Weicht daher die tatsächliche Miete schon um mehr als 20 Prozent von diesem Mittelwert ab, möchte der Fiskus schon nur noch den Mittelwert anerkennen, auch wenn die tatsächliche Miete durchaus nicht 20 Prozent von einem Wert innerhalb der Mietspanne abweicht.

Steuerpflichtige (und auch große Teile der Literatur) gehen hingegen davon aus, dass die komplette Mietpreisspanne als übliche Miete angesehen werden muss, da ansonsten schon der Ausweis einer entsprechenden Spanne keinen Sinn machen würde. Immerhin wurde eine solche Mietpreisspanne ja auch durch eine tatsächliche Erhebung festgelegt, weshalb auch jeder Wert innerhalb der Spanne als üblich bezeichnet werden muss.

Auf dieser Linie hat aktuell erfreulicherweise auch das Finanzgericht Berlin-Brandenburg in seinem Urteil vom 19.10.2016 unter dem Aktenzeichen 3 K 3002/15 entschieden. Danach gilt: Bei der Ermittlung des Rohertrags eines Mietwohngrundstücks sind die Vorschriften des Bewertungsgesetzes in der Weise anzuwenden, dass zur Ermittlung der Abweichung der vereinbarten Miete von der „üblichen Miete“ nicht auf den Mittelwert der Mietpreisspanne, sondern auf die unteren bzw. auch oberen Werte der Mietspiegel-Preisspanne abgestellt wird.

Dies bedeutet für die Praxis: Nur wenn die vereinbarte Miete um mehr als 20 Prozent über dem oberen Spannenwert oder mehr als 20 Prozent unter dem unteren Spannenwert liegt, ist zur Ermittlung des Rohertrages statt der tatsächlich vereinbarten Miete die „übliche Miete“ anzusetzen. Wohlgemerkt nur dann, für weitergehende Ausnahmen hat das erstinstanzliche Gericht keine Gründe gesehen.

Die in solchen Fällen dann anzusetzende „übliche Miete“ ist dann allerdings die Miete in Höhe des Mittelwerts der Mietpreisspanne. Klar und deutlich führen die erstinstanzlichen Richter aus: Auf welche Art und Weise die „übliche Miete“ zur Prüfung der 20 Prozent-Grenze zu ermitteln ist, gibt der Gesetzgeber nicht vor. Letztendlich handelt es sich dabei also um eine Schätzung. Bei dieser sind alle Umstände, die für die Schätzung von Bedeutung sind, zu berücksichtigen. Insoweit muss auch die gesamte Spanne Berücksichtigung finden.

Leider gab sich jedoch die Finanzverwaltung mit dieser überzeugenden erstinstanzlichen Entscheidung aus Berlin-Brandenburg nicht geschlagen und hat den Revisionszug zum Bundesfinanzhof nach München bestiegen. Unter dem Aktenzeichen II R 41/16 muss der BFH nun klären, wie der Begriff der „üblichen Miete“ ausweislich des Bewertungsgesetzes auszulegen ist. Konkret geht es dabei um die oben bereits geschilderte Streitfrage, ob bei der Abweichung der vereinbarten Miete von der üblichen Miete um mehr als 20 Prozent nur auf den Mittelwert des Mietspiegels oder aber auch auf den oberen bzw. unteren Grenzwert abzustellen ist.

Tipp: Betroffene sollten sich an das anhängige Verfahren vor dem Bundesfinanzhof in München anhängen und in eigener Sache die Verfahrensruhe einfordern. Aus unserer Sicht stehen die Chancen außerordentlich gut, dass auch der Bundesfinanzhof das erstinstanzliche Urteil seiner Kollegen aus Berlin-Brandenburg bestätigen wird.