Erst im letzten Mandantenbrief berichteten wir über eine Möglichkeit, wie Sie Nachzahlungszinsen aus dem Weg gehen können. Die einfache Lösung lautete: Leisten Sie schon vor der Steuerfestsetzung eine freiwillige Zahlung auf die zu erwartende Nachzahlung, dann werden in aller Regel insoweit keine Zinsen mehr festgesetzt. Dies gilt auch nach wie vor, weshalb wir insoweit auf unseren Beitrag im letzten Monat verweisen möchten.
Ebenfalls berichteten wir jedoch auch darüber, dass noch zahlreiche Verfahren vor den Gerichten anhängig sind, bei denen es um die Frage geht, ob die Nachzahlungszinsen mit Hinblick auf die exorbitante Höhe des Zinssatzes im Zusammenhang mit der aktuellen Niedrigzinsphase gegebenenfalls verfassungswidrig sein könnten. Insgesamt hatte der Bundesfinanzhof in München hier bereits klargestellt, dass Nachzahlungszinsen für Verzinsungszeiträume des Jahres 2012 im Einklang mit dem Grundgesetz stehen.
Aufgrund der neuen Rechtsprechung des BFH sind wir hier nun (leider) ein Jahr weiter. Mit Urteil vom 9.11.2017, welches erst am 28.2.2018 veröffentlicht wurde, hat der BFH unter dem Aktenzeichen III R 10/16 klargestellt, dass die Höhe der Nachforderungszinsen, die für Verzinsungszeiträume des Jahres 2013 geschuldet werden, weder gegen den allgemeinen Gleichheitssatz des Grundgesetzes noch gegen das Übermaßverbot verstoßen. Unabhängig von der Entwicklung des allgemeinen Zinsniveaus im Jahr 2013 sind daher Zinsen in Höhe von 0,5 % für jeden Monat, also immerhin stolze 6 % pro Jahr, verfassungsgemäß.
Zum Hintergrund: Die Verzinsung, bei Fachleuten auch Vollverzinsung genannt, soll im Interesse der Gleichmäßigkeit der Besteuerung und zur Vermeidung von Wettbewerbsverzerrungen einen Ausgleich dafür schaffen, dass die Steuern trotz gleichen gesetzlichen Entstehungszeitpunkts, aus welchen Gründen auch immer, zu unterschiedlichen Zeitpunkten festgesetzt und erhoben werden.
Exakt aus diesen Gründen kann der Bundesfinanzhof auch keinen Verstoß gegen den in Art. 3 Abs. 1 des Grundgesetzes (GG) verankerten allgemeinen Gleichheitssatz sehen. Insoweit beruht die Unterscheidung zwischen zinszahlungspflichtigen und nicht zinszahlungspflichtigen Steuerpflichtigen auf der zulässigen Annahme, dass die zu unterschiedlichen Zeitpunkten erfolgenden Steuerfestsetzungen zu potentiellen Zinsvorteilen oder Zinsnachteilen führen können.
Insoweit ist die Argumentation des Bundesfinanzhofs in München sicherlich nachvollziehbar, da alle Steuerpflichtigen den identischen Zinssatz zahlen müssen. Daher ist ein Verstoß gegen den Gleichheitssatzgrundsatz nicht ersichtlich.
Kritischer sollte jedoch die Höhe des Zinssatzes von 0,5 % pro Monat, also teuren 6 % im Jahr, im Zusammenhang mit der aktuellen Niedrigzinsphase gesehen werden. Leider folgt der Bundesfinanzhof dieser kritischen Betrachtungsweise jedoch keineswegs. Seiner Meinung nach ist die Zinshöhe mit Blick auf das streitgegenständliche Kalenderjahr 2013 auch nicht wegen eines Verstoßes gegen den Verhältnismäßigkeitsgrundsatz verfassungswidrig.
Dies begründet der Bundesfinanzhof mit folgenden Rechercheergebnissen, die auf Daten der Deutschen Bundesbank beruhen: Tatsächlich wurden nämlich Zinssätze für verschiedene kurzfristige und langfristige Einlagen und Kredite untersucht. Das Ergebnis in seiner vollen Breite: Es ergaben sich für 2013 Zinssätze, die sich in einer Spanne von 0,15 % bis 14,7 % bewegten. Da auf Basis dieser Ergebnisse der gesetzliche Zinssatz von 6 % im Jahr die Bandbreite realitätsnaher Referenzwerte nicht verlassen hat, sieht der Bundesfinanzhof keinen Grund für die Annahme einer Verfassungswidrigkeit.
Im Ergebnis ist es dabei für die Richter am obersten Finanzgericht der Bundesrepublik Deutschland auch irrelevant, dass der Leitzins der Europäischen Zentralbank bereits seit 2011 auf unter ein Prozent gefallen ist.
Exkurs: | Tatsächlich muss die Entscheidung des Bundesfinanzhofes stark kritisiert werden, denn allein die Bandbreite der Zinssätze von 0,15 % bis 14,7 % ist unseres Erachtens nicht geeignet, eine tatsächliche und realitätsnahe Bandbreite von üblichen Zinssätzen festzulegen. Ausreißer müssen daher aus einer solchen Bandbreite zunächst eliminiert werden. So oder so hat jedoch der Bundesfinanzhof für 2013 seine Meinung geäußert und das Urteil unwiderruflich gefällt, weshalb für diesen Zeitraum lediglich abzuwarten bleibt, ob gegebenenfalls eine Verfassungsbeschwerde eingelegt wird.
Für Folgejahre wird es mit Sicherheit auch weitere Entscheidungen des Bundesfinanzhofs geben müssen. Selbstverständlich werden wir weiter darüber berichten. Unabhängig von der Entwicklung der weiteren Rechtsprechung zu diesem Thema wäre es jedoch höchst erfreulich, wenn sich auch der Gesetzgeber dieser Problematik annähme und den in § 238 Abs. 1 Satz 1 der Abgabenordnung (AO) festgelegten Zinssatz von einem halben Prozent für jeden Monat absenken würde. Im Hinblick auf die Einnahmen, die der Fiskus über diese Verzinsung erzielt, wird dies jedoch wahrscheinlich nur eine leise Hoffnung sein. |