Von vielen Steuerpflichtigen wird beispielsweise die Berechnung der Einspruchsfrist als sehr dröge und trocken empfunden. Tatsächlich ist dies jedoch extrem wichtig, wie die Praxis immer wieder zeigt. Das gilt insbesondere auch deshalb, weil sich die Berechnung der Einspruchsfrist aus mehreren Vorschriften zusammensetzt und daher auch in der Praxis immer wieder zu Fehlern führt.
Insofern sei an dieser Stelle ganz kurz zusammenfassend erläutert: Die Einspruchsfrist beträgt regelmäßig einen Monat nach Bekanntgabe des entsprechenden Steuerbescheids. Um allerdings überhaupt mit der Fristberechnung beginnen zu können, muss zunächst einmal das Datum der Bekanntgabe des Steuerbescheides ermittelt werden. An dieser Stelle kommt die Regelung des § 122 Abs. 2 Nummer 1 der Abgabenordnung (AO) ins Spiel.
Danach gilt: Ein schriftlicher Verwaltungsakt (also auch zum Beispiel ein Einkommensteuerbescheid), der durch die Post übermittelt wird, gilt bei einer Übermittlung im Inland am dritten Tag nach der Aufgabe zur Post als bekannt gegeben. Dies gilt lediglich nicht, wenn er nicht oder zu einem späteren Zeitpunkt zugegangen ist. Im Zweifel hat die Behörde, also hier das Finanzamt, den Zugang des Verwaltungsaktes und den Zeitpunkt des Zugangs nachzuweisen.
Grundsätzlich kann also davon ausgegangen werden, dass ein Steuerbescheid am dritten Tag nach dem im Steuerbescheid aufgeführten Datum als bekannt gegeben gilt. Etwas anderes kommt lediglich in Betracht, wenn er tatsächlich später zugegangen ist. Für diesen Fall, also quasi für die Widerlegung der Drei-Tages-Vermutung, hat das Finanzgericht Münster mit Entscheidung vom 30.03.2017 unter dem Aktenzeichen 13 K 3907/15 Kg in fiskalischer Auslegung der Dinge entschieden, dass dafür der Steuerpflichtige Beweisvorsorge treffen muss. Dies kann insbesondere dadurch geschehen, dass er den Briefumschlag mit dem entsprechenden Poststempel aufbewahrt. Insoweit kommt das erstinstanzliche Finanzgericht Münster zu dem Schluss, dass in anderen Fällen an der sogenannten Drei-Tage-Regel des § 122 Abs. 2 Nummer 1 AO festzuhalten ist, auch wenn dies dazu führt, dass der Steuerpflichtige seinen Einspruch dann außerhalb der Frist eingelegt hat und dieser somit nicht zulässig ist.
Erfreulicherweise hat jedoch der Bundesfinanzhof mit Urteil vom 14.06.2018 diese fiskalisch geprägte Entscheidung des FG Münster deutlich relativiert. Unter dem Aktenzeichen III R 27/17 stellen die obersten Finanzrichter der Republik nämlich klar, dass unter „Aufgabe zur Post“ im Sinne der gesetzlichen Regelung in § 122 Abs. 2 Nummer 1 AO auch die Übermittlung eines Verwaltungsaktes durch einen privaten Postdienstleister erfasst wird.
Insoweit hat der Bundesfinanzhof erkannt, dass die Einschaltung eines privaten Postdienstleisters für die Zugangsvermutung innerhalb der Drei-Tages-Frist von Bedeutung sein kann, weil hierdurch möglicherweise ein längerer Postlauf gegeben ist. In diesen Fällen ist daher zunächst zu prüfen, ob nach den bei den privaten Dienstleistern vorgesehenen organisatorischen und betrieblichen Vorkehrungen regelmäßig von einem Zugang des zu befördernden Schriftstück innerhalb von drei Tagen ausgegangen werden kann.
Ist dies nicht der Fall, muss das Finanzamt konkret darlegen können, dass der jeweilige schriftliche Verwaltungsakt tatsächlich innerhalb von drei Tagen nach Aufgabe zur Post beim Steuerpflichtigen angekommen ist. Kann das Finanzamt dies nicht, dürfte regelmäßig mit einer Art Verlängerung der Einspruchsfrist zu rechnen sein, da diese erst beginnt, wenn der schriftliche Verwaltungsakt tatsächlich beim Steuerpflichtigen zugegangen ist.