Jeder Unternehmer, der mit der Umsatzsteuer zu tun hat, weiß: Vorsteuer kann man nur vom Finanzamt erstattet bekommen, wenn eine ordnungsgemäße Rechnung im Sinne von § 14 Abs. 4 UStG vorliegt. In dieser Vorschrift werden in zehn Nummern die formalen, inhaltlichen Voraussetzungen für die Rechnung aufgeführt. Fehlt es auch nur an einer dieser Angaben, berechtigt die Rechnung nicht mehr zum Vorsteuerabzug.
Diesbezüglich regelt zwar schon die Umsatzsteuerdurchführungsverordnung (UStDV) in § 31 Abs. 5 UStDV, dass eine Rechnung berichtigt werden kann, wenn sie nicht alle nach dem Gesetz erforderlichen Angaben enthält oder die Angaben in der Rechnung unzutreffend sind. Die Umsatzsteuerdurchführungsverordnung führt sogar weiter aus, dass nur die fehlenden oder unzutreffenden Angaben durch ein Dokument, das spezifisch und eindeutig auf die Rechnung bezogen ist, geändert werden müssen. Insoweit war die Frage der Rechnungsberichtigung mit der Finanzverwaltung auch niemals streitbefangenen. Schon immer war klar, dass eine Rechnung berichtigt werden kann. Streitbefangenen war vielmehr die Frage, wie denn eine solche Rechnungsberichtigung wirkt. Konkret geht es darum, zu welchem Zeitpunkt eine berichtigte Rechnung mit Blick auf den Vorsteuerabzug ihre Wirkung entfaltet.
Zwei Möglichkeiten sind dabei zu unterscheiden: Einmal ist es möglich, dass die Korrektur einer Rechnung rückwirkend, also auf den Zeitpunkt ihrer ursprünglichen Ausstellung, gilt. Dies hätte zur Folge, dass auch nach Erteilung einer Rechnungsberichtigung schon bei seinerzeitiger Ausstellung der (falschen oder unvollständigen) Rechnung der Vorsteuerabzug möglich ist.
Demgegenüber ging die Finanzverwaltung jedoch bisher davon aus, dass eine Rechnungsberichtigung erst mit dem Zeitpunkt ihrer Berichtigung ihre Wirkung entfaltet, und auch dann erst der Vorsteuerabzug zulässig ist. Im Hinblick auf die Höhe der Vorsteuer kommt es damit zu keiner Änderung. Allerdings ist dem Steuerpflichtigen unter Umständen ein Zinsschaden entstanden, da er bereits Vorsteuern bei ursprünglicher Ausstellung der falschen oder unvollständigen Rechnung geltend gemacht hat, die er tatsächlich erst im Zeitpunkt der Rechnungskorrektur hätte ziehen dürfen. Die Folge: Vorsteuern müssen zwar nicht zurückgezahlt werden, wenn mittlerweile eine Rechnungskorrektur ergangen ist, jedoch wird die seinerzeit bei Ausstellung der falschen oder unvollständigen Rechnung ausgestellte Vorsteuer mit sechs Prozent pro Jahr (0,5 Prozent im Monat) bis zum Zeitpunkt der Rechnungskorrektur verzinst. Bedenkt man dabei, dass falsche oder unvollständige Rechnungen häufig im Rahmen von Betriebsprüfungen gefunden werden, wird klar, wie hoch ein solcher Zinsschaden ausfallen kann.
Mit dieser fiskalischen Auslegung der Dinge ist nun jedoch dank eines Urteils des Bundesfinanzhofs vom 20.10.2016 unter dem Aktenzeichen V R 26/15 Schluss. Darin urteilen die obersten Finanzrichter der Republik klipp und klar, dass die Rechnungsberichtigung eines Unternehmers nach § 31 Abs. 5 UStDV auf den Zeitpunkt zurückwirkt, in dem die Rechnung erstmals ausgestellt wurde.
Eine berichtigungsfähige Rechnung liegt dabei insbesondere dann vor, wenn sie Angaben zum Aussteller, zum Leistungsempfänger, zur Leistungsbeschreibung, zum Entgelt und zur gesondert ausgewiesenen Umsatzsteuer enthält. Eine fehlende Steuernummer bzw. Umsatzsteuer-Identifikationsnummer berechtigt also zur Rechnungsberichtigung. Die Rechnung kann insgesamt bis zum Schluss der letzten mündlichen Verhandlung vor dem Finanzgericht korrigiert werden.
Aufgrund dieser neuen Entscheidung des Bundesfinanzhofs ist daher der Festsetzung von Zinsen wegen seinerzeit bereits erstatteter Vorsteuer der Boden entzogen.
Insgesamt ist der Besitz einer ordnungsgemäßen Rechnung nun nur noch formelle, aber nicht mehr materielle Voraussetzung für das Recht auf Vorsteuerabzug, da eine formell nicht ordnungsgemäße Rechnung jederzeit rückwirkend berücksichtigt werden kann. An einer früheren anders lautenden Rechtsprechung des Bundesfinanzhofs wird nicht mehr festgehalten.