Unternehmer kennen die Problematik beim Vorsteuerabzug, wenn eine ordnungsgemäße Rechnung nicht vorliegt. Grundsätzlich setzt der Vorsteuerabzug nämlich voraus, dass der Unternehmer eine im Sinne des Umsatzsteuergesetzes ordnungsgemäß ausgestellte Rechnung besitzt. Damit eine solche Rechnung im Sinne des Umsatzsteuergesetzes jedoch auch tatsächlich ordnungsgemäß ist, muss sie insgesamt zehn Bestandteile enthalten. Dazu gehört beispielsweise auch die Steuernummer bzw. die erteilte Umsatzsteuer-Identifikationsnummer des leistenden Unternehmers. Fehlt die Steuernummer (oder eine andere formelle Rechnungsvoraussetzung), berechtigt die Rechnung nicht mehr zum Vorsteuerabzug. Dies war so, dies ist so und dies wird auch weiterhin so sein. Streitbefangen war jedoch, wie denn zu verfahren ist, wenn ein Formmangel an einer Rechnung später korrigiert wird.
In der Praxis stellt sich insbesondere im Zusammenhang mit Außenprüfungen immer wieder die Frage, wie mit berichtigten Rechnungen zu verfahren ist. Der Fiskus stellt sich dabei auf eine ganz klar fiskalische Seite und möchte Rechnungsberichtigungen immer erst im Zeitpunkt der Berichtigung gelten lassen. Mit Hinblick auf den Vorsteuerabzug resultiert daraus im Endeffekt zwar kein Unterschied, allerdings ist dem Unternehmer ein Zinsschaden entstanden. Der Fiskus ging nämlich bisher immer wie folgt vor: Der Unternehmer hatte seinerzeit bei Ausstellung der nicht ordnungsgemäßen Rechnung die Vorsteuer gezogen, welche er durch die Außenprüfung ans Finanzamt zurückzahlen muss. Zwar bekommt er die Vorsteuer nach der Rechnungsberichtigung auch wieder erstattet, allerdings muss er für die zu früh gezogene Vorsteuer auch Zinsen bezahlen. Auf exakt diesen Zinsen bleibt der Unternehmer schließlich sitzen, weil der Fiskus die ordnungsgemäße Rechnung erst ab dem Zeitpunkt der Berichtigung anerkennen möchte. Erst dann sollen die Voraussetzungen für den Vorsteuerabzug vorgelegen haben.
Insoweit kommt der Frage, ob eine rückwirkende Rechnungsberichtigung möglich ist, enorme Bedeutung zu. Und genau zu diesem Punkt gibt es nun eine erfreuliche Rechtsprechung auf allerhöchster Ebene: In diesem Zusammenhang hat nämlich der Europäische Gerichtshof mit Urteil vom 15.09.2016 unter dem Aktenzeichen C-518/14 klargestellt, dass eine nationale Regelung wie die Deutsche, wonach der Berichtigung einer Rechnung in Bezug auf eine zwingende Angabe keine Rückwirkung zukommt, gegen EU-Recht verstößt. Mit anderen Worten: Eine rückwirkende Rechnungsberichtigung ist möglich, und der oben beschriebene Schaden kann in der Praxis nicht mehr entstehen.
Dies begründet der Europäische Gerichtshof damit, dass das Grundprinzip der Mehrwertsteuerneutralität verlangt, dass der Vorsteuerabzug gewährt wird, wenn die materiellen Anforderungen erfüllt sind, selbst wenn der Steuerpflichtige bestimmte formale Bedingung nicht erfüllt hat.
Klar und deutlich stellen die Richter dabei heraus, dass der Besitz einer ordnungsgemäßen Rechnung eine formelle (und keine materielle) Bedingung für das Recht auf Vorsteuerabzug darstellt. Insoweit können formale Bedingung im Nachhinein berichtigt werden, sodass der Vorsteuerabzug aufgrund der Rechnungsberichtigung im Zeitpunkt der ursprünglichen Rechnungsausstellung erst gar nicht entfällt.
Tipp: | Sofern das Finanzamt den Vorsteuerabzug mangels ordnungsgemäßer Rechnung nicht anerkennen möchte, sollte jeder Unternehmer tunlichst prüfen, ob die formellen Mängel der Rechnung nicht noch während der Betriebsprüfung berichtigt werden können. Ist dies der Fall, wird es erst gar nicht zu einer Kürzung der Vorsteuer kommen. Sicherlich wird sich diesbezüglich auch anfänglich der ein oder andere Betriebsprüfer nicht vorstellen können, dass er nun kein Mehrergebnis mit Zinsen erreicht hat, dennoch wird er hier keine Chance haben. Das Urteil des Europäischen Gerichtshofs ist eindeutig. |