Steuerbüro Bachmann

Sammlung zu Entscheidungen rund um Kindergeld und Kinderfreibetrag

Die steuerlichen Regelungen zur Berücksichtigung von Kindern in der Steuererklärung rund um den Kinderfreibetrag und das Kindergeld sind komplex und kompliziert. Dies zeigen nicht zuletzt die zahlreichen Urteile vor den erstinstanzlichen Gerichten und dem Bundesfinanzhof. Aus diesem Grund sollen im Folgenden ausgewählte Urteile rund um die steuerliche Berücksichtigung von Kindern in Leitsätzen wiedergegeben werden.

Finanzgericht Niedersachsen vom 02.12.2016 (Az: 7 K 83/16)

Der 7. Senat des Niedersächsischen Finanzgerichts ist überzeugt, dass der Gesetzgeber die Kinderfreibeträge in § 32 Abs. 6 des Einkommensteuergesetzes (nicht nur) im Streitjahr 2014 in verfassungswidriger Weise zu niedrig bemessen hat. Er hat daher im Anschluss an seine mündliche Verhandlung beschlossen, das Klageverfahren auszusetzen und das Verfahren dem Bundesverfassungsgericht (BVerfG) vorzulegen

Bundesfinanzhof vom 07.07.2016 (Az: III R 19/15)

Für die Berücksichtigung eines volljährigen, nicht in einem Beschäftigungsverhältnis stehenden Kindes beim Kindergeld ist erforderlich, dass sich das Kind tatsächlich bei der Agentur für Arbeit als Arbeitsuchender gemeldet und die Tatsache seiner künftigen oder gegenwärtigen Arbeitslosigkeit angezeigt hat.

Die Meldung als Arbeitsuchender ist nicht allein deshalb entbehrlich, weil das volljährige, nicht in einem Beschäftigungsverhältnis stehende Kind arbeitsunfähig erkrankt ist; dies gilt jedenfalls dann, wenn das Kind tatsächlich nicht daran gehindert ist, sich bei der Agentur für Arbeit als Arbeitsuchender zu melden.

Finanzgericht Baden-Württemberg vom 19.10.2016 (Az: 7 K 407/16)

Das Finanzgericht Baden-Württemberg befasste sich mit der Frage, zu welchem Zeitpunkt eine Berufsausbildung und damit die Voraussetzungen für einen Kindergeldbezug enden. Das Gericht stellte im Wesentlichen auf das im Ausbildungsvertrag genannte Ende ab. Auf den Zeitpunkt der Abschlussprüfung komme es nicht an.

Bundesfinanzhof vom 17.09.2015 (Az: III R 36/14)

Daraus, dass der andere Elternteil seiner Barunterhaltsverpflichtung nicht nachkommt, kann kein Anspruch auf einen höheren Entlastungsbetrag für Alleinerziehende abgeleitet werden.

Ein Alleinerziehender kann weder wegen der Unterhaltsleistungen an seine Kinder noch wegen seiner besonderen Belastungssituation als Alleinerziehender außergewöhnliche Belastungen nach § 33 EStG geltend machen. Es verstößt nicht gegen Art. 3 Abs. 1 GG, dass eigenes Einkommen eines Alleinerziehenden auch insoweit steuerpflichtig ist, als es für den Unterhalt der Kinder eingesetzt wird.

Bundesfinanzhof vom 03.09.2015 (Az: VI R 9/15)

Ein Masterstudium ist jedenfalls dann Teil einer einheitlichen Erstausbildung, wenn es zeitlich und inhaltlich auf den vorangegangenen Bachelorstudiengang abgestimmt ist und das – von den Eltern und dem Kind – bestimmte Berufsziel erst darüber erreicht werden kann (entgegen BMF-Schreiben vom 7. Dezember 2011, IV C 4-S 2282/07/0001-01, BStBl I 2011, 1243).

Bundesfinanzhof vom 04.02.2016 (Az: III R 14/15)

Nimmt ein Kind nach Abschluss einer kaufmännischen Ausbildung ein Studium auf, welches eine Berufstätigkeit voraussetzt, stellt sich das Studium nicht mehr als integrativer Bestandteil einer einheitlichen Erstausbildung dar.

Setzt der zweite Ausbildungsabschnitt eine Berufstätigkeit voraus oder nimmt das Kind vor Beginn der zweiten Ausbildung eine Berufstätigkeit auf, die nicht nur der zeitlichen Überbrückung bis zum Beginn der nächsten Ausbildung dient, liegt regelmäßig mangels notwendigen engen Zusammenhangs keine einheitliche Erstausbildung vor.

Finanzgericht Düsseldorf vom 07.04.2016 (Az: 16 K 1697/15)

Ein Kind hat keinen Anspruch auf Abzweigung des Kindergelds, wenn es nicht bedürftig ist.

Bundesfinanzhof vom 17.12.2015 (Az: V R 18/15)

Die Auszahlung von Kindergeld an einen Abzweigungsberechtigten führt – anders als die Zahlung an den originär Kindergeldberechtigten – nur dann zum Erlöschen des Kindergeldanspruchs, wenn der Abzweigungsbescheid bestandskräftig geworden ist.

Bundesfinanzhof vom 16.09.2015 (Az: III R 6/15)

Ein Kind, das sich in einem Dienstverhältnis eines Soldaten auf Zeit befindet, wird nur dann (i.S. des § 32 Abs. 4 Satz 1 Nr. 2 Buchst. a EStG) für einen Beruf ausgebildet, wenn die Erlangung beruflicher Qualifikationen, dies bedeutet der Ausbildungscharakter, und nicht die Erbringung bezahlter Arbeitsleistungen, also der Erwerbscharakter, im Vordergrund des Dienstverhältnisses steht.

Im Rahmen einer Gesamtwürdigung der Umstände können für einen im Vordergrund stehenden Ausbildungscharakter unter anderem das Vorhandensein eines Ausbildungsplanes, die Unterweisung in Tätigkeiten, welche qualifizierte Kenntnisse und/ oder Fertigkeiten erfordern, die Erlangung eines die angestrebte Berufstätigkeit ermöglichenden Abschlusses und ein gegenüber einem normalen Arbeitsverhältnis geringeres Entgelt sprechen.

Für die Annahme eines Ausbildungsdienstverhältnisses genügt es nicht, dass verwendungsbezogene Lehrgänge Gegenstand des Dienstverhältnisses eines Zeitsoldaten sind, wenn sie nicht zugleich auch das Ziel und den wesentlichen Inhalt des Dienstverhältnisses ausmachen.

Bundesfinanzhof vom 05.11.2015 (Az: III R 17/14)

Der Entlastungsbetrag für Alleinerziehende nach § 24b des Einkommensteuergesetzes (EStG) kann Steuerpflichtigen, welche die besondere Veranlagung für den Veranlagungszeitraum der Eheschließung (§ 26c EStG) gewählt haben, anteilig für die Monate des Alleinstehens gewährt werden.

Bundesfinanzhof vom 23.08.2016 (Az: V R 19/15)

Auch wenn der anspruchsberechtigte Elternteil den nicht anspruchsberechtigten Elternteil bevollmächtigt, den Kindergeldanspruch geltend zu machen, wird Kindergeld nicht gegenüber dem Bevollmächtigten, sondern nur gegenüber dem anspruchsberechtigten Elternteil festgesetzt.

Bei mehreren Berechtigten (Eltern) ist das Kindergeld an denjenigen zu zahlen, in dessen Haushalt das Kind aufgenommen ist, auch wenn die Berechtigten zivilrechtlich etwas anderes vereinbart haben. Durch zivilrechtliche Vereinbarungen, auch wenn sie durch gerichtlichen Vergleich bestätigt werden, kann § 64 Abs. 2 Satz 1 EStG nicht außer Kraft gesetzt werden.

Bundesfinanzhof vom 04.02.2016 (Az: III R 17/13 und III R 62/12)

Lebt ein Kind im EU-Ausland bei dem geschiedenen Elternteil, ist dieser, nicht aber der in Deutschland lebende Elternteil, kindergeldberechtigt. Gleiches gilt in Fällen, in denen die Großeltern die Kinder im Ausland aufgenommen haben.

Finanzgericht Hamburg vom 12.04.2016 (Az: 6 K 138/15)

Die Darlegungs- und Beweislast für das Vorliegen eines inländischen Wohnsitzes oder eines gewöhnlichen Aufenthaltes im Inland obliegt im Kindergeldverfahren dem Kläger. Erforderlich ist insbesondere, dass er darlegt und beweist, wann er im Inland gewesen ist.

Eine nur vorübergehende oder notdürftige Unterbringungsmöglichkeit reicht nicht aus, ebenso nicht eine bloße Schlafstelle in Betriebsräumen. Innehaben einer Wohnung bedeutet, dass der Anspruchsteller tatsächlich über sie verfügen kann und sie als Bleibe entweder ständig benutzt oder sie doch mit einer gewissen Regelmäßigkeit – wenn auch in größeren Zeitabständen – aufsucht. Die Nutzung muss zu Wohnzwecken erfolgen; eine Nutzung zu ausschließlich beruflichen oder geschäftlichen Zwecken reicht nicht aus, ebenso nicht ein nur gelegentliches Verweilen während unregelmäßig aufeinander folgender kurzer Zeiträume zu Erholungszwecken. Schließlich muss das Innehaben der Wohnung unter Umständen erfolgen, die darauf schließen lassen, dass die Person die Wohnung beibehalten wird. Zur Bestimmung des insoweit zu berücksichtigenden Zeitmoments kann im Rahmen des § 8 AO auf die in § 9 Satz 2 AO normierte Sechsmonatsfrist zurückgegriffen werden.

Bundesfinanzhof vom 07.07.2016 (Az: III R 11/13)

Der Anspruch auf Kindergeld kann vorrangig dem im EU-Ausland lebenden Elternteil zustehen. Für eine (vorrangige) Anspruchsberechtigung eines nicht freizügigkeitsberechtigten Elternteils müssen die Voraussetzungen i.S. des § 62 Abs. 2 EStG erfüllt sein

Bundesfinanzhof vom 04.02.2016 (Az: III R 9/15)

Die Berechnung des Differenzkindergeldes hat nach dem Einkommensteuergesetz kindbezogen zu erfolgen. Eine Kürzung des Differenzkindergeldes bei einzelnen Kindern durch Verrechnung eines übersteigenden Betrages bei anderen Kindern ist mangels gesetzlicher Grundlage ausgeschlossen. Damit ist eine familienbezogene Betrachtungsweise ausgeschlossen.

Bundesfinanzhof vom 05.11.2015 (Az: III R 57/13)

Die bei der Bestimmung des Kindergeldberechtigten nach § 64 Abs. 3 des Einkommensteuergesetzes (EStG) zu berücksichtigenden Unterhaltszahlungen müssen grundsätzlich für und in dem Zeitraum geleistet werden, für den das Kindergeld begehrt wird. Unterhalt, der um Jahre verspätet gezahlt wird, bleibt außer Betracht.

Verpflichtet das FG die Familienkasse dazu, dem Kindergeldberechtigten Kindergeld zu „gewähren”, so bedeutet dies nicht, dass die Familienkasse damit verpflichtet werden soll, das Kindergeld trotz eines geltend gemachten Erstattungsanspruchs des Sozialleistungsträgers tatsächlich an den Kindergeldberechtigten auszuzahlen.

Bundesfinanzhof vom 13.07.2016 (Az: XI R 16/15)

Der Anspruch auf Kindergeld einer im Inland wohnhaften Beamtin der Bundesrepublik Deutschland für ihr im Inland lebendes, minderjähriges Kind ist nicht deshalb ausgeschlossen, weil sie mit dem bei der Europäischen Kommission beschäftigten Kindesvater, der für das betreffende Kind Anspruch auf eine Zulage für unterhaltsberechtigte Kinder hat, nicht verheiratet ist.

Bundesfinanzhof vom 13.07.2016 (Az: XI R 8/15)

Ein Kind, das einen zweijährigen Freiwilligendienst aller Generationen (Missionarsdienst) in den USA leistet, ist jedenfalls nur unter den Voraussetzungen des § 63 Abs. 1 Satz 3 (nunmehr Satz 6) EStG a.F. zu berücksichtigen.

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