Grundsätzlich greift bei den Einkünften aus Vermietung und Verpachtung das so genannte Zufluss- und Abflussprinzip. Dies bedeutet: Einnahmen sind in dem Jahr zu versteuern, in dem sie zugeflossen sind, und Werbungskosten sind in dem Jahr anzusetzen, in dem sie abgeflossen sind. Daher kann ein Disagio bzw. ein Damnum grundsätzlich auch im Jahr der Einbehaltung durch die Bank steuermindernd als Werbungskosten abgezogen werden.
Allerdings beinhaltet das Abflussprinzip auch eine Einschränkung. So können im Voraus geleistete Ausgaben für eine Nutzungsüberlassung von mehr als fünf Jahren nicht sofort abgezogen werden, sondern müssen gleichmäßig auf den Zeitraum der Nutzungsüberlassung verteilt werden. Folglich würde jedes Disagio oder Damnum bei einem Darlehen mit einer Zinsfestschreibung von mehr als fünf Jahren auf den Zeitraum der Zinsfestschreibung zu verteilen sein. Allerdings sieht diesbezüglich § 11 Abs. 2 Satz 4 des Einkommensteuergesetzes (EStG) noch eine Spezialregelung vor. So ist die zwingende Verteilung bei Ausgaben für eine Nutzungsüberlassung von mehr als fünf Jahren nicht bei einem Damnum oder Disagio anzuwenden, wenn dieses marktüblich ist.
Im Weiteren stellt sich daher die Frage, was denn marktüblich ist, damit der Werbungskostenabzug von Damnum oder Disagio sofort stattfinden kann. Ausweislich eines Schreibens des Bundesfinanzministeriums vom 20. Oktober 2003 gilt: Von der Marktüblichkeit ist aus Vereinfachungsgründen immer dann auszugehen, wenn für ein Darlehen mit einer Zinsfestschreibung von mindestens fünf Jahren ein Damnum oder Disagio in Höhe von bis zu 5 % vereinbart worden ist.
Die Finanzverwaltung hat an das Kriterium der Marktüblichkeit zwei Bedingungen geknüpft: Ein Zinsfestschreibungszeitraum von weniger als fünf Jahren ist nicht marktüblich, ebenso ein Disagio bzw. Damnum von mehr als 5 % der Darlehenssumme. Exakt um diese Definition geht es nun im aktuellen Steuerstreit.
Im Urteilssachverhalt hatte ein Steuerpflichtiger ein Vermietungsobjekt zum Preis von 1,5 Million Euro erworben. Diesen Kaufpreis finanzierte er zu mehr als 1,3 Millionen Euro mittels eines üblichen Hypothekendarlehens bei seiner Geschäftsbank. Die Darlehensvereinbarung sah neben einem Nominalzinssatz von 2,85 % jährlich vor, dass auch noch ein Disagio bzw. Damnum in Höhe von 10 % der Darlehenssumme einbehalten wird. Exakt diese 10 % der Darlehenssumme begehrte der Steuerpflichtige im Zeitpunkt der Darlehensauszahlung als sofort abzugsfähige Werbungskosten, um den so entstehenden Werbungskostenüberschuss bei den Einkünften aus Vermietung und Verpachtung mit anderen Einkünften steuermindernd verrechnen zu können.
Dem machte jedoch das Finanzamt einen Strich durch die Rechnung und verwies auf die übliche Verwaltungsauffassung. Das Finanzamt berücksichtigte also nur den marktüblichen Teil des Disagios bzw. Damnums in Höhe von 5 % und verteilte die restlichen 5 % auf den Zinsfestschreibungszeitraum von zehn Jahren.
Erfreulicherweise lehnte der Bundesfinanzhof diese restriktive Auffassung der Finanzverwaltung mit Urteil vom 08. März 2016 unter dem Aktenzeichen IX R 38/14 ab. Klare Aussage der obersten Finanzrichter der Republik: Ein Disagio ist nur dann nicht sofort als Werbungskosten abziehbar, wenn es sich nicht im Rahmen des am aktuellen Kreditmarkt Üblichen hält. Wann dies der Fall ist, ist eine Frage der tatrichterlichen Würdigung. Wird eine Disagiovereinbarung mit einer Geschäftsbank wie unter fremden Dritten geschlossen, indiziert dies die Marktüblichkeit.
Vereinfacht ausgedrückt: Nur weil die Finanzverwaltung irgendwann mal die Marktüblichkeit von Disagio oder Damnum definiert hat, bedeutet dies noch lange nicht, dass alles andere Unüblich ist. Insoweit bestimmt immer noch der Markt, was denn marktüblich ist.
Dabei sind nicht nur die aktuellen Verhältnisse am Kreditmarkt zu berücksichtigen, sondern auch die Finanzierung des konkreten Objektes. Merkmale für eine ungewöhnliche Gestaltung waren vorliegend jedoch nicht zu erkennen, da die Zins- und Disagiovereinbarung mit der Geschäftsbank wie unter fremden Dritten geschlossen wurde.
Exkurs: | Umstände, die dafür sprechen könnten, dass eine ungewöhnliche Gestaltung – und damit auch keine Marktüblichkeit mehr – gegeben ist, sind beispielsweise die fehlende Kreditwürdigkeit des Darlehensnehmers, besondere persönliche Beziehung der Beteiligten zueinander oder eine atypische Vertragsgestaltung. |
Weil das erstinstanzliche Finanzgericht im Streitfall keine hinreichende Feststellung zur Marktüblichkeit der streitbefangenen Disagiovereinbarung getroffen hat, wird es dies im zweiten Rechtsgang nachzuholen haben. Insoweit bleibt festzuhalten, dass sich im konkreten Urteilsfall auch nur etwas ändern kann, sofern ungewöhnliche Gestaltungen festgestellt werden. Wird dies nicht der Fall sein, kann auch eine solche Darlehensgestaltung durchaus als gewöhnlich betrachtet werden.