Insbesondere im Insolvenzfall einer Aktiengesellschaft kommt es vor, dass die depotführende Bank Aktien als wertlos einstuft und schließlich schlicht aus dem Depot ausgebucht, da der Wert null ist.
Jeder logisch denkende Mensch, der nun nach der steuerlichen Behandlung eines solchen Verlustes gefragt wird, würde sicherlich antworten, dass insoweit ein Verlust in Höhe der Anschaffungskosten der als endgültig wertlos gewordenen Aktien entstanden ist. Das Finanzamt sieht dies jedoch regelmäßig anders.
Ausweislich von § 20 Abs. 2 Nummer 1 des Einkommensteuergesetzes (EStG) gehört zu den Einkünften aus Kapitalvermögen auch der Gewinn aus der Veräußerung von Anteilen an einer Körperschaft, also auch der Gewinn aus der Veräußerung von Aktien. Ebenso fällt auch der Verlust aus der Veräußerung von Aktien unter diese Regelung. In § 20 Abs. 2 Satz 2 EStG ist weiterhin geregelt, dass als Veräußerung im Sinne dieser Regelung auch die Einlösung, Rückzahlung, Abtretung oder verdeckte Einlage in eine Kapitalgesellschaft als Veräußerung gilt, was de facto zur Folge hat, dass auch ein Gewinn oder Verlust aufgrund der vorgenannten Regelungen zur steuerlichen Berücksichtigung nach § 20 Abs. 2 Nummer 1 EStG führt.
Dennoch verweigerte das Finanzamt in einem Sachverhalt vor dem Finanzgericht Rheinland-Pfalz die Anerkennung des Verlustes bei den Einkünften aus Kapitalvermögen in Höhe der Anschaffungskosten der wertlos ausgebuchten Aktien, weil es sich bei der Ausbuchung aus dem Depot weder um eine Veräußerung noch um einen der Ersatztatbestände zur Veräußerung in Form der Einlösung, Rückzahlung, Abtretung oder verdeckten Einlage handelt. Insoweit stellt sich der Fiskus schlicht auf den Standpunkt, dass mangels einer Veräußerung bzw. Einschlägigkeit der Ersatztatbestände der erlittene Verlust nicht bei den Einkünften aus Kapitalvermögen berücksichtigt werden darf. Das Schlimme daran: Diese Auslegung des Gesetzes ist in weiten Teilen der Finanzverwaltung anzutreffen. Insgesamt ist diese fiskalische Denkweise und Auslegung der Dinge kaum zu überbieten uns muss aufs schärfste zurückgewiesen werden.
Dies gilt umso mehr, als dass der Bundesfinanzhof sich in seiner Entscheidung vom 24.10.2017 unter dem Aktenzeichen VIII R 13/15 bereits zum insolvenzbedingten Ausfall einer privaten Darlehensforderung als Verlust bei den Einkünften aus Kapitalvermögen geäußert hat. Ganz klar stellen die obersten Finanzrichter in dieser Entscheidung heraus, dass der endgültige Ausfall einer Kapitalforderung im Sinne des § 20 Abs. 1 Nr. 7 EStG in der privaten Vermögenssphäre nach Einführung der Abgeltungssteuer zu einem steuerlich anzuerkennenden Verlust nach § 20 Abs. 2 Satz 1 Nr. 7 und Satz 2 und Abs. 4 EStG führt. Lediglich einschränkend (aber dies auch nachvollziehbar) führt der Bundesfinanzhof an, dass von einem Forderungsausfall erst dann auszugehen ist, wenn endgültig feststeht, dass keine weiteren Rückzahlungen mehr folgen werden. Die Eröffnung eines Insolvenzverfahrens über das Vermögen des Schuldners reicht hierfür in der Regel nicht aus. Wenn jedoch schon Aktien als wertlos aus dem Depot ausgebucht werden, wird mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit keine Rückzahlung mehr zu erwarten sein.
So war es im Sachverhalt, der dem Streitfall vor dem Finanzgericht Rheinland-Pfalz zugrunde lag, auch unstrittig, dass die Aktien wertlos geworden waren, da die Gesellschaft bereits insolvent war.
Folglich adaptierte das Finanzgericht Rheinland-Pfalz die vorgenannte Rechtsprechung der höchstrichterlichen Kollegen und stellte zunächst einmal fest, dass der Steuerpflichtige mit der ersatzlosen Ausbuchung der Aktien aus seinem Depot einen endgültigen Vermögensverlust erlitten hat. Zwar räumten die erstinstanzlichen Richter auch ein, dass der Untergang einer Kapitalanlage zwar keine Veräußerung darstellt, da der Wortsinn bereits einen Wechsel des Rechtsträgers erfordert. Aber: Der Ausfall eines Aktionärs bei Untergang der Kapitalgesellschaft ist in verfassungskonformer Auslegung des § 20 Abs. 2 Satz 2 EStG vom Ersatztatbestand der „Rückzahlung“, genauer gesagt der „ausbleibenden Rückzahlung“ erfasst.
Immerhin kann es bei der Abwicklung oder Liquidation aufgrund der Insolvenz einer Kapitalgesellschaft auch noch zu einer Erstattung bzw. Rückzahlung des Nennkapitals kommen. Insoweit ist eine entsprechende Rückzahlung als Ersatztatbestand zur Veräußerung gegeben. Auch wenn eine solche Rückzahlung des Nennkapitals mangels zu verteilender Masse oder weil die Gesellschaft ohne Liquidation untergeht ausbleibt, ist darin ein Ersatztatbestand des § 20 Abs. 2 Satz 2 EStG zu sehen. Die Folge: Es bestehen keine Gründe, die es rechtfertigen könnten, den Untergang einer Aktie anders zu behandeln als den einer sonstigen Kapitalforderung.
Konkret lautet daher der Leitsatz des Finanzgerichts Rheinland-Pfalz im Urteil vom 12.12.2018 unter dem Aktenzeichen 2 K 1952/16, dass die ersatzlose Ausbuchung endgültig wertlos gewordene Aktien durch die das Depot führende Bank zu einem einkommensteuerlich berücksichtigungsfähigen Verlust aus Kapitalvermögen führt.
Exkurs: | Im Urteilsfall lag noch die weitere Besonderheit vor, dass die depotführende Bank keine Steuerbescheinigung erteilt hat, aus der der Verlust hervorging. Dies werteten jedoch die erstinstanzlichen Richter nicht als nachteilig. Insoweit steht der Verlustberücksichtigung auch nicht entgegen, dass keine Bescheinigung vorgelegt werden konnte, was durchaus auch mal in anders gelagerten Sachverhalten von Interesse sein kann. |
Exkurs: | Insgesamt möchte man daher schon sagen: Spiel, Satz und Sieg. Ehrlicherweise sollte man damit jedoch nicht zu voreilig sein. Leider hat nämlich das erstinstanzliche Finanzgericht Rheinland-Pfalz die Revision zum Bundesfinanzhof wegen grundsätzlicher Bedeutung zugelassen. Tatsächlich ist nämlich die steuerliche Behandlung des Verlustes einer Kapitalanlage bei Liquidation einer Kapitalgesellschaft bislang nicht höchstrichterlich geklärt. Zum Redaktionsschluss war nicht bekannt, ob die Finanzverwaltung den Revisionszug bestiegen hat. Sollte dem so sein, werden wir uns sicherlich wieder mit der Thematik beschäftigen. Selbst wenn der Fiskus diesen Steuerstreit jedoch noch nicht aufgegeben hat, sollten Betroffene sich auf die erstinstanzliche Entscheidung des Finanzgerichts Rheinland-Pfalz berufen. Unseres Erachtens stehen die Chancen sehr gut, dass auch der Bundesfinanzhof auf der Linie des Finanzgerichts Rheinland-Pfalz entscheiden wird und entsprechende Verluste zur steuermindernden Verrechnung bei den Einkünften aus Kapitalvermögen zulassen wird. So wird man in Tennisbegriffen sicherlich schon vom Gewinn des Spiels und eines Satzes reden können. Der Sieg des gesamten Matches muss aber noch folgen. |