Zu den Einkünften aus selbstständiger Arbeit gehört gemäß § 18 Abs. 3 des Einkommensteuergesetzes (EStG) auch der Gewinn, der bei der Veräußerung des Vermögens oder eines selbstständigen Teils des Vermögens oder eines Anteils am Vermögen erzielt wird, das der selbstständigen Arbeit dient. Gemeint ist damit in der Regel die Praxisveräußerung eines Freiberuflers. Das Besondere ist jedoch, dass hierfür ausweislich der Regelung in § 34 Abs. 2 Nummer 1 EStG eine Tarifbegünstigung nach § 34 Abs. 1 EStG greift.
Damit jedoch tatsächlich eine tarifbegünstigte Veräußerung einer freiberuflichen Einzelpraxis gegeben ist, muss gesichert sein, dass der Steuerpflichtige die wesentlichen vermögensmäßigen Grundlagen entgeltlich und definitiv auf einen anderen überträgt. Hierzu muss der Veräußerer seine freiberufliche Tätigkeit im bisherigen örtlichen Wirkungskreis wenigstens für eine gewisse Zeit einstellen, wie der Bundesfinanzhof bereits in seinem Urteil vom 10.06.1999 unter dem Aktenzeichen IV R 11/99 klargestellt hat. Im Ergebnis stellt der Bundesfinanzhof darin darauf ab, dass tatsächlich eine „definitive“ Übertragung des Mandantenstamms stattgefunden hat.
Diese definitive Übertragung des Mandantenstamms lässt sich erst nach einem gewissen Zeitablauf abschließend beurteilen, wie aktuell der Bundesfinanzhof in seiner Entscheidung vom 21.08.2018 unter dem Aktenzeichen VIII R 2/15 klargestellt hat. So hängt die definitive Übertragung des Mandantenstamms von den objektiven Umständen des Einzelfalls ab, die das Finanzgericht als Tatsacheninstanz zu würdigen hat. Neben der Dauer der Einstellung der freiberuflichen Tätigkeit sind insbesondere die räumliche Entfernung einer wieder aufgenommenen Berufstätigkeit zur veräußerten Praxis, die Vergleichbarkeit der Betätigungen, die Art und Struktur der Mandate, eine zwischenzeitliche Tätigkeit des Veräußerers als Arbeitnehmer oder freier Mitarbeiter des Erwerbes sowie die Nutzungsdauer des erworbenen Praxiswertes zu berücksichtigen.
Insoweit hat bereits der Bundesfinanzhof mit Urteil vom 18.05.1994 unter dem Aktenzeichen I R 109/93 entschieden, dass es unschädlich ist, wenn der Veräußerer einer freiberuflichen Praxis nach der Veräußerung frühere Mandanten auf Rechnung und im Namen des Erwerbes berät. Dies steht der Anwendung der tarifbegünstigten Besteuerung nach §§ 18 Abs. 3 und 34 EStG auf den Veräußerungsvorgang nicht entgegen. Entscheidend ist, dass der Veräußerer die wesentlichen wirtschaftlichen Grundlagen der Praxis einschließlich des Mandantenstamms zivilrechtlich und wirtschaftlich auf den Erwerber übertragen hat.
Schädlich kann es hingegen sein, wenn der Praxisverkäufer seine freiberufliche Tätigkeit nach einer gewissen Zeit wieder aufnimmt und die Wiederaufnahme zum Zeitpunkt der Übertragung der Praxis nicht geplant war. Maßgebend ist in solchen Fällen allein, ob es objektiv zu einer definitiven Übertragung der wesentlichen Praxisgrundlagen gekommen ist.
Exkurs: | Da die ständige Rechtsprechung des Bundesfinanzhofs bei einer Praxisveräußerung voraussetzt, dass der Steuerpflichtige die für die Ausübung der selbstständigen Tätigkeit wesentlichen vermögensmäßigen Grundlagen entgeltlich auf einen anderen überträgt, sollte in der Praxis hier tunlichst darauf geachtet werden. Dies schließt auch ein, dass zumindest keine zeitnahe, schädliche Weiterarbeit erfolgt. |