Steuerbüro Bachmann

Verfassungsmäßigkeit der Nachzahlungszinsen

Nachzahlungszinsen (aber auch Erstattungszinsen) betragen für jeden Monat ein halbes Prozent. Dabei ist allenfalls anzumerken, dass der Zinslauf bei der Einkommensteuer regelmäßig erst 15 Monate nach Ende des jeweiligen Jahres beginnt, in dem die Steuer entstanden ist. Dennoch kann man guten Gewissens in der Praxis sagen, dass die Zinsen im Steuerrecht bei historisch gefestigten 6 % pro Jahr anzusiedeln sind.

Gerade im Hinblick auf die aktuell herrschende Niedrigzinsphase stellt sich daher immer öfter die Frage, ob ein Zinssatz von 6 % pro Jahr tatsächlich noch angemessen, realitätsnah und im Endeffekt im Einklang mit dem Grundgesetz sein kann.

Von Seiten der Finanzverwaltung wird in diesem Zusammenhang unter anderem auch immer wieder argumentiert, dass die Verzinsung von 6 % pro Jahr nicht nur für Nachzahlungen gilt, sondern auch bei Steuererstattungen, also auch zugunsten der Steuerpflichtigen, anzuwenden ist. Praktisch geht dieses Argument jedoch häufig ins Leere, da beispielsweise die Verzinsung aufgrund von Betriebsprüfungen und den daraus resultierenden Steuernachzahlungen ein wesentlich häufigerer Anwendungsfall sein dürfte, als dass eine Steuererstattung verzinst wird. Insoweit muss weiterhin die Frage aufgeworfen werden, ob eine Verzinsung von 6 % pro Jahr tatsächlich realitätsnah ist, insbesondere vor der Tatsache, dass sich der Staat selbst mit nahezu 0 % am Kapitalmarkt refinanzieren kann.

Leider hat das Finanzgericht München in einer Entscheidung vom 21.07.2015 unter dem Aktenzeichen 6 K 1144/15 die Zinsen in Höhe von 6 % für das Jahr 2013 als nicht verfassungswidrig angesehen. Konkret äußert sich das erstinstanzliche Finanzgericht wie folgt: Die Verzinsung auf Basis eines Zinssatzes von 6 % ist auch dann verfassungsgemäß, wenn im Jahr 2013 ein Steueränderungsbescheid für den Veranlagungszeitraum 2007 ergeht und der Zeitraum für die Nachzahlungszinsen sich folglich bis ins Jahr 2013 erstreckt. Nach Meinung des hier erkennenden Finanzgerichts ist der Gesetzgeber nicht von Verfassungs wegen verpflichtet, den in der Abgabenordnung geregelt Zinssatz an die Entwicklung der Zinsen am Kapitalmarkt anzupassen.

Besonders pikant an dem entschiedenen Sachverhalt: Die Nachzahlungszinsen entstanden nur, weil das zuständige Finanzamt Grundlagenbescheide nur sehr spät ausgewertet hatte. Wäre in dem entschiedenen Urteilsfall auf Seiten des Fiskus ordentlicher gearbeitet worden, wären die Nachzahlungszinsen schon gar nicht in einer entsprechenden Höhe angefallen.

In Bezug auf diesen Punkt vertreten die erstinstanzlichen Richter des Finanzgerichts München jedoch weiterhin die Auffassung, dass es im Rahmen der Verzinsung auf das Vorliegen eines Verschuldens nicht ankommt. Daher sind auch dann Nachzahlungszinsen zu erheben, wenn die Nachzahlung auf einem vorwerfbaren Verhalten des Finanzamts beruht.

Mit anderen Worten: Die ausdrückliche Anweisung, Sachverhalte mit Steuernachzahlungen liegen zu lassen, dient der Refinanzierung des Staates und könnte (übertrieben dargestellt) zum Abbau der Staatsverschuldung beitragen, ohne dass darin ein Verfassungsproblem gesehen werden kann.

Ob dies tatsächlich rechtens sein kann, prüft nun aktuell der Bundesfinanzhof unter dem Aktenzeichen III R 16/16. Konkret gilt es zu klären, ob die Höhe des Zinssatzes der Vollverzinsung das Rechtsstaatsprinzip oder die Eigentumsgarantie für Zeiträume ab Januar 2012 verletzt.

Tipp: Jeder Steuerpflichtige, der aktuell Nachzahlungszinsen zu leisten hat, sollte gegen die Festsetzung der Nachzahlungszinsen vorgehen und auf das entsprechende Verfahren vor dem Bundesfinanzhof (Az: III R 16/16) verweisen.

Selbst wenn dies aus Sicht der Rechtsprechung nicht zu einem anderen Urteil führen kann, so wird der Finanzverwaltung (und damit auch dem Gesetzgeber) deutlich gemacht, dass hier gegebenenfalls eine politische Änderung herbeigeführt werden muss.