Unter dem Aktenzeichen IX R 35/16 hat der Bundesfinanzhof in Bestätigung der Vorinstanz, jedoch gegen die fiskalische Auffassung des Finanzamtes, mit Urteil vom 13.03.2018 eine sehr bemerkenswerte Entscheidung getroffen, welche in der Praxis durchaus gestalterisch aufgegriffen werden könnte und in entsprechenden Sachverhalten auch aufgegriffen werden sollte.
Im Urteilsfall ging es um die Veräußerung eines hälftigen Anteils an einer GmbH. Im Sachverhalt sollten die Anteile an der GmbH zum Bilanzstichtag am 31.12.2007 an den verbleibenden Gesellschafter verkauft werden. Bereits im notariellen Verkaufsvertrag vereinbarten die Gesellschafter das Folgende: „Die Gewinne, die bis einschließlich 31.12.2007 erwirtschaftet werden (= in 2007 erwirtschaftete Gewinne und Gewinnvorträge), stehen [dem ausscheidenden Gesellschafter] zu1/2 Anteil zu, soweit sie nicht bereits ausgeschüttet wurden. Sie werden vollständig in 2008 als Dividende ausgeschüttet. [Der verbleibende Gesellschafter] verpflichtet sich, erforderlichenfalls entsprechende Gesellschafterbeschlüsse zu fassen.“
Entsprechend der zuvor geschilderten Vereinbarung im notariellen Veräußerungsvertrag beschloss der verbleibende Gesellschafter nach Aufstellung des Jahresabschlusses auf den 31.12.2007 im folgenden Jahr 2008 die Gewinnausschüttung, wodurch auch entsprechende Beträge dem ausgeschiedenen Gesellschafter zuflossen. Dieser setzte die Gewinnausschüttung in der logischen Konsequenz auch in seiner Einkommensteuererklärung für 2008 bei den Einkünften aus Kapitalvermögen an.
Das Finanzamt hingegen war der (aus unserer Sicht sehr fiskalisch motivierten) Auffassung, dass die in 2008 zugeflossenen Beträge mangels der zu diesem Zeitpunkt bestehenden Gesellschafterstellung in keinem Fall Einkünfte aus Kapitalvermögen in Form einer Gewinnausschüttung sein können. Vielmehr ging die Finanzverwaltung davon aus, dass hier noch weitere Kaufpreiszahlungen für die Anteile stattfinden. Im Ergebnis nahm das Finanzamt daher an, dass die in 2008 ausgeschütteten Beträge dem verbleibenden (erwerbenden) Gesellschafter zuzurechnen sind und dieser die Gewinnausschüttung im Wege eines abgekürzten Zahlungsweges als Veräußerungspreis an den ausgeschiedenen Gesellschafter weitergeleitet hat. Das Finanzamt kam auf Basis dieses Gedankenganges zu dem Schluss, dass beim veräußernden Gesellschafter eine nachträgliche Erhöhung des Veräußerungserlöses in 2007 stattfinden muss. Im Ergebnis erreicht das Finanzamt damit eine Zusammenballung von Einkünften in einem Veranlagungszeitraum, nämlich in 2007, was schon allein aufgrund der Progression des Einkommensteuertarifs zu einer höheren Steuer führt.
Jedoch bereits mit Urteil vom 21.09.2016 erteilte das erstinstanzliche Finanzgericht Köln unter dem Aktenzeichen 14 K 3263/13 dieser fiskalisch motivierten Auffassung eine Absage. Bestätigt wurden die erstinstanzlichen Richter schließlich in diesem Jahr durch den Bundesfinanzhof mit oben genanntem Urteil vom Urteil vom 13.3.2018.
Die Rechtsprechung kam zu dem Schluss, dass zum Veräußerungspreis gemäß § 17 Abs. 2 des Einkommensteuergesetzes (EStG) keine gesellschaftsrechtlich geschuldeten oder vertraglich vereinbarten Leistungen der Kapitalgesellschaft im Sinne der Einkünfte aus Kapitalvermögen gehören, die von Gesetzes wegen (noch) dem Veräußerer der Kapitalbeteiligung steuerrechtlich zuzurechnen sind.
Folglich haben die obersten Richter abschließend entschieden, dass der Gewinnverteilungsbeschluss im notariellen Veräußerungsvertrag entgegen der Auffassung des Finanzamtes den einschlägigen gesellschaftsrechtlichen Bestimmungen entspricht und damit auch zivilrechtlich wirksam ist. Die Tatsache, dass der ausscheidende Gesellschafter zum Zeitpunkt der Zahlung der Gewinnausschüttung tatsächlich nicht mehr Gesellschafter ist, ist dabei für den Bundesfinanzhof vollkommen unbeachtlich.
Die Begründung dieser erfreulichen Auffassung: Grundsätzlich findet die Verteilung des Ergebnisses einer GmbH zwar im Verhältnis der Geschäftsanteile statt, jedoch kann man mit Zustimmung aller Gesellschafter von diesem Verhältnis und der gesetzlichen Grundlage in § 29 Abs. 3 Satz 1 des GmbH-Gesetzes auch beliebig abweichen. Sofern eine solche Abweichung notariell beurkundet wird, wie es im vorliegenden Sachverhalt der Fall war, kann man grundsätzlich auch abweichend von eventuell anders lautenden Satzungsbestimmungen Ergebnisse verteilen. Im letzteren Fall wäre dann schlicht eine Satzungsänderung gegeben.
Eine derartige, von allen an der GmbH beteiligten Gesellschaftern einstimmig beschlossene, Gewinnverteilung kann gesellschaftsrechtlich auch schon vor Ablauf des Geschäftsjahres und dementsprechend vor der Feststellung des Jahresabschlusses vorgenommen werden. Somit ist eine entsprechende, zivilrechtlich wirksame Vorab-Gewinnverteilung grundsätzlich auch steuerrechtlich anzuerkennen. Für die Auffassung des Finanzamtes, dass insoweit eine nachträgliche Erhöhung des Veräußerungserlöses beim ausgeschiedenen Gesellschafter gegeben ist, besteht daher kein Raum.
Vielmehr lautet der Leitsatz des Bundesfinanzhofs: Erwirbt bei einer GmbH der eine Gesellschafter vom anderen dessen Geschäftsanteil mit dinglicher Wirkung zum Bilanzstichtag und vereinbaren die Gesellschafter zugleich, dass dem ausscheidenden Gesellschafter der laufende Gewinn der Gesellschaft noch bis zum Bilanzstichtag zustehen und nach Aufstellung der nächsten Bilanz an ihn ausgeschüttet werden soll, kann ein zivilrechtlich wirksamer und steuerlich anzuerkennender Gewinnverteilungsbeschluss vorliegen mit der Folge, dass der im Folgejahr von der Gesellschaft an den ausgeschiedenen Gesellschafter ausgeschüttete Betrag diesem als (nachträgliche) Einkünfte aus Kapitalvermögen zuzurechnen ist. Damit scheidet eine Zurechnung beim erwerbenden Gesellschafter ebenso aus wie eine nachträgliche Erhöhung des Veräußerungserlöses beim ausgeschiedenen Gesellschafter.
Tipp: | Für die Praxis können sich in Fällen von Anteilsveräußerungen an einer GmbH erhebliche Gestaltungsspielräume ergeben. Die Chancen der Rechtsprechung werden dabei deutlich, wenn man den entschiedenen Fall genau betrachtet. Hier waren ursprünglich an der GmbH zwei Gesellschafter beteiligt. Die GmbH hatte zudem entsprechende Gewinne und Gewinnvorträge. Hätte man keinen Vorab-Gewinnverteilungsbeschluss gefasst, wären die Gewinne und die Gewinnvorträge sicherlich in der Kaufpreiszahlung zu berücksichtigen gewesen. Dies hätte im Ergebnis zu einer Zusammenballung von Einkünften im Jahr der Veräußerung geführt. Aufgrund der „Aufspaltung“ in Veräußerungspreis und Gewinnausschüttung kann so für den ausscheidenden Gesellschafter schon mal ein Progressionsvorteil erreicht werden.
Sofern die Gesellschaft darüber hinaus auch noch entsprechend liquide Mittel besitzt, ist auch ein Vorteil des verbleibenden Gesellschafters gegeben, da dieser nur den Veräußerungspreis aus eigener Tasche zu bezahlen hat, während die Gewinnausschüttung im Folgejahr aus Mitteln der GmbH bestritten werden kann. Es bleibt abzuwarten, ob Fälle mit derart gelagerten Sachverhalten uns in der weiteren Finanzrechtsprechung begegnen werden. Zunächst einmal scheint die Entscheidung des Bundesfinanzhofes jedoch eindeutig zu sein, und zwar eindeutig gut. |