Fälle in der Praxis und in der Presse mehren sich, bei denen dubiose Anlageberater in der Vergangenheit teils horrende Renditen erwirtschaften konnten, jedoch irgendwann das Konstrukt in sich zusammenfällt. Der Grund: Es handelt sich um ein Schneeballsystem. In der Rechtsprechung ist dabei arg umstritten, wie mit solchen Gutschriften aus Schneeballsystemen steuerlich umzugehen ist. Immerhin gilt zu bedenken, dass der Anleger unter dem Strich keinen Cent erhalten hat. Ist es daher überhaupt möglich, dass Gutschriften entsprechend zu versteuern sind?
Hierzu hat der Bundesfinanzhof schon vor geraumer Zeit eine leider verheerende Rechtsprechung getroffen. Darin legt er fest, dass auch Gutschriften über wieder angelegte Renditen in Schneeballsystemen zu Einnahmen aus Kapitalvermögen führen, solange der Schuldner der Erträge (also der betrügerische Anlageberater) leistungsbereit und leistungsfähig ist.
Fraglich ist daher in jedem Einzelfall, ob der Anleger auch tatsächlich die Auszahlung der ihm zugeordneten Gutschriften hätte erreichen können. Stellt sich im Rahmen dieser Prüfung heraus, dass eine solche Gutschrift schon seinerzeit vom betrügerische Anlageberater nicht hätte ausbezahlt werden können, dieser also entweder nicht leistungsbereit oder nicht leistungsfähig gewesen ist (was in der Praxis ab irgendeinem Zeitpunkt die Regel bei Schneeballsystemen sein dürfte), scheidet ein steuerlicher Zufluss der zugerechneten Gutschrift aus. Eine Versteuerung ist dann nicht gegeben.
Das Problem dabei: Solange ein Antrag auf Eröffnung eines Insolvenzverfahrens über das Vermögen des betrügerischen Anlagenberaters nicht gestellt ist und sich auch ansonsten keine anderen Anhaltspunkte ergeben, dass dieser nicht leistungsbereit oder leistungsfähig ist, gelten die Gutschriften als zugeflossen. Im Zweifel will der Bundesfinanzhof also quasi davon ausgehen, dass der betrügerische Anlagenberater sowohl leistungswillig als auch leistungsfähig ist. Dies gilt auch, wenn der betrogene Anleger unter dem Strich keinen Cent mehr erhalten hat. Wie bereits gesagt: Für Betroffene eine verheerende Rechtsprechung.
Der Bundesfinanzhof begründet diese restriktive und nicht steuerzahlerfreundliche Meinung gegenüber den geprellten Anlegern wie folgt: Sofern das Schneeballsystem anfänglich noch funktioniert können Anleger ja tatsächlich jederzeit aussteigen und erhalten auch eine entsprechende Auszahlung (und nicht nur eine Gutschrift auf dem Papier). Tatsächlich kann also bei einer erfolgten Gutschrift, welche im Anschluss wieder angelegt wird, nicht gesagt werden, ob der Anlageberater hinsichtlich dieser Gutschrift schon nicht mehr in der Lage gewesen wäre, sie auszuzahlen oder sie nicht auszahlen will. In der Folge ist daher der geprellte Anleger in doppelter Hinsicht der Dumme: Einmal verliert er sein Geld, und zum anderen muss er auf die niemals zugeflossenen Scheinrenditen auch noch Steuern zahlen.
Erfreulicherweise mehren sich jedoch die Stimmen gegen diese Auffassung der obersten deutschen Finanzrichter in München. Ganz aktuell hat beispielsweise das Finanzgericht Köln (oder besser gesagt dessen 10. Senat) in seinem Beschluss vom 10.04.2013 (Az: 10 V 216/13) entschieden, dass sogenannte Scheingewinne vorläufig nicht versteuert werden müssen und insoweit Aussetzung der Vollziehung gewährt werden kann. Im abgehandelten Verfahren über den vorläufigen Rechtsschutz ging es um Scheingewinne aus einer Beteiligung an der Business Capital Investors Corporation (BCI).
Mittlerweile werden immer mehr Verfahren zu dieser Thematik in der erstinstanzlichen Rechtsprechung anhängig. Verständlich. Schließlich ist es kaum einzusehen, dass man zunächst betrogen wird und dann auch noch Steuern zahlen soll. Die Ergebnisse der Verfahren gegen dabei allerdings auseinander, wobei jedoch mit der hier vorliegenden Entscheidung des 10. Senats des Finanzgericht Köln ein positiver Trend erkennbar ist.
Demgegenüber steht jedoch ebenso eine Entscheidung des 13. Senats des Finanzgericht Köln vom 12.02.2013 (Az: 13 V 3763/12), welcher die Aussetzung der Vollziehung entsprechend der Auffassung des Bundesfinanzhofes abgelehnt hat. (Kurzer Hinweis am Rande: Im Gegensatz zum Bundesfinanzhof gelten die einzelnen Senate bei den erstinstanzlichen Finanzgerichten als eigenständige Finanzgerichte, weshalb insoweit auch differierende Urteile möglich sind. Die Rechtsprechung der Senate des Bundesfinanzhofs hingegen hat einheitlich zu erfolgen.)
Entgegen der Auffassung des Bundesfinanzhofes sowie der Meinung des 13. Senates des Finanzgericht Köln hat jedoch das Finanzgericht Düsseldorf in seinem Beschluss vom 13.02.2013 (Az: 7 V 235/13 A (G)) entschieden, dass bei Scheingewinnen Aussetzung der Vollziehung sehr wohl in Frage kommt. Wohl gemerkt handelt es sich auch bei dieser Entscheidung lediglich um einen Beschluss in Sachen des vorläufigen Rechtsschutzes. Eine Entscheidung im Hauptsacheverfahren ist bisher nicht ergangen, dennoch berufen sich die Düsseldorfer Richter auf eine Entscheidung im Hauptsacheverfahren des Finanzgericht des Saarlandes vom 10.05.2012 (Az: 1 K 2327/03), wonach ein Zufluss von Einnahmen aus Kapitalvermögen durch Innovation bei Beteiligung an betrügerischen Schneeballsystem nicht gegeben ist. Im Endeffekt liegt dann mangels Zufluss der lediglich auf dem Papier gutgeschriebenen Scheinrendite auch keine Besteuerung vor.
Leider ist das vorgenannte Verfahren des Saarländischen Finanzgerichtes nicht rechtskräftig geworden. Die Finanzverwaltung ist (wie es zu erwarten war) in Revision gegangen, welche unter dem Aktenzeichen VIII R 25/12 immer noch anhängig ist. Darin müssen die obersten Finanzrichter der Republik in Anlehnung an ihre seinerzeitige Rechtsprechung vom 16.03.2010 (Az: VIII R 4/07) erneut klären, ob ein Anlagenbetrüger gegebenenfalls generell als nicht leistungswilliger bzw. nicht leistungsfähiger Schuldner anzusehen ist.
Würde der Bundesfinanzhof im vorgenannten Verfahren sämtlichen Anlagebetrügern die generelle Leistungsfähigkeit und den generellen Leistungswillen absprechen (wie es in einer realitätsnahen Betrachtung ja auch ist), würden gutgeschriebene Beträge aus den sogenannten Schneeballsystemen, also die Scheingewinne, keine Einkünfte aus Kapitalvermögen sein. Es bleibt daher zu hoffen, dass der Bundesfinanzhof hier seine vorherige Rechtsprechung im Sinne der Steuerpflichtigen, welche eh schon geprellte Kapitalanleger sind, verfeinert.