Steuerbüro Bachmann

Wirklich nur sieben Nichtanwendungserlasse!

Es gab einmal eine Zeit, da hatte man den Eindruck, dass die Finanzverwaltung auf jede unliebsame Entscheidung des Bundesfinanzhofs mit einem sogenannten Nichtanwendungserlass reagiert. Offensichtlich hat sich diese Zeit geändert, denn ausweislich einer Antwort der Bundesregierung auf eine Kleine Anfrage der FDP-Fraktion wurden von 2015 bis Ende September 2018 lediglich sieben Nichtanwendungserlasse hinsichtlich der Rechtsprechung des Bundesfinanzhofes verfügt.

Im Folgenden geben wir eine kurze Übersicht über diese sieben Nichtanwendungserlasse:

1.

Mit Urteil vom 06.03.2013 hat der BFH unter dem Aktenzeichen I R 14/07 entschieden, dass die gewerbesteuerliche Hinzurechnung von Gewinnanteilen aus ausländischen Streubesitzbeteiligungen im Erhebungszeitraum 2001 gegen die Kapitalverkehrsfreiheit verstößt und damit EU-rechtswidrig ist. Mit gleichlautendem Erlass der obersten Finanzbehörden der Länder vom 30.05.2015 soll dieses Urteil über den entschiedenen Einzelfall hinaus nicht allgemein angewendet werden.

2.

Der Bundesfinanzhof hat mit Urteil vom 28.08.2014 unter dem Aktenzeichen V R 7/14 entschieden, dass Betriebsvorrichtungen keine Bauwerke im Sinne von § 13b Abs. 2 Nr. 4 Satz 1 des Umsatzsteuergesetzes (UStG) sind. In ein Bauwerk eingebaute Anlagen seien nur dann Bestandteil des Bauwerks, wenn sie für Konstruktion, Bestand, Erhaltung oder Benutzbarkeit des Bauwerks von wesentlicher Bedeutung sind. Die Anlage müsse hierfür eine Funktion für das Bauwerk selbst haben. Im Übrigen komme eine Auslegung des Begriffs des Bauwerks entsprechend der Baubetriebe-Verordnung nicht in Betracht.

Unter Bezugnahme auf das Ergebnis der Erörterungen mit den obersten Finanzbehörden der Länder vom 28.07.2015 ist das Urteil über den entschiedenen Einzelfall hinaus nicht anzuwenden.

3.

Mit Blick auf die mittelbare Änderung des Gesellschafterbestandes einer grundbesitzenden Personengesellschaft hat der Bundesfinanzhof in der Entscheidung vom 12.03.2014 unter dem Aktenzeichen II R 51/12 entschieden: Verkauft ein Kommanditist einer grundbesitzenden GmbH und Co. KG seine Gesellschaftsbeteiligung an den einzigen anderen Kommanditisten und ist die Kommanditgesellschaft die einzige Gesellschafterin ihrer Komplementär-GmbH, ist – vorbehaltlich einer Besteuerung nach § 1 Abs. 2a GrEStG – der Tatbestand einer Anteilsvereinigung nach § 1 Abs. 3 Nr. 1 GrEStG erfüllt.

Aufgrund des gleichlautenden Ländererlasses vom 09.12.2015 sollte das Urteil über den entschiedenen Einzelfall hinaus nicht angewendet werden. Dies ist aber mittlerweile auch wieder geändert, denn aufgrund eines neuen gleichlautenden Ländererlasses der obersten Finanzbehörden vom 12.11.2018 gilt ganz aktuell: Die gleich lautenden Erlasse der obersten Finanzbehörden der Länder vom 09.12.2015, nach denen die Grundsätze des Urteils im Grunderwerbsteuerrecht nicht anwendbar sind, soweit der Bundesfinanzhof für die Zurechnungsentscheidung einen Rückgriff auf das wirtschaftlichen Eigentum nach § 39 Absatz 2 Nummer 1 AO vornimmt, werden aufgehoben.

Der Erlass ergeht im Einvernehmen mit den obersten Finanzbehörden der anderen Länder und ist auf alle offenen Fälle anzuwenden. Damit reduziert sich faktisch die Zahl der Nichtanwendungserlasse auf sechs Stück, und die Entscheidung des Bundesfinanzhofs ist auch auf Seiten der Finanzverwaltung anwendbar.

4.

Unter dem Aktenzeichen I R 10/14 hat der Bundesfinanzhof vom 11.03.2015 entschieden, dass es sich bei dem Hinzurechnungsbetrag nach § 10 Abs. 1 Satz 1 des Außensteuergesetzes (AStG) um einen Teil des Gewerbeertrages eines inländischen Unternehmens handelt, der auf eine nicht im Inland gelegene Betriebsstätte entfällt. Der Gewinn des inländischen Unternehmens ist deswegen um diesen Betrag zu kürzen.

Aufgrund des gleichlautenden Ländererlasses vom 14.12.2015 ist die Entscheidung des Bundesfinanzhofs mit einem Nichtanwendungserlass belegt worden.

5.

Im Urteil des BFH vom 17.12.2014 ging es um die Sperrwirkung von Normen eines Doppelbesteuerungsabkommens, die inhaltlich dem Art. 9 Abs. 1 des OECD-Musterabkommens entsprechen.

Die Entscheidung wurde seitens des Bundesfinanzministeriums am 30.03.2016 mit einem Nichtanwendungserlass belegt.

6.

Den wohl bekanntesten und erfreulichsten Nichtanwendungserlass der jüngsten Vergangenheit gibt es zu der Entscheidung des Bundesfinanzhofes vom 23.08.2017 unter dem Aktenzeichen I R 52/14. In diesem Urteil hatte der Bundesfinanzhof klargestellt, dass der sogenannte Sanierungserlass des BMF-Schreibens vom 27.03.2003 gegen den Grundsatz der Gesetzmäßigkeit der Verwaltung verstößt und daher auf Altfälle nicht angewendet werden kann.

Mit Schreiben des Bundesfinanzministeriums vom 29.03.2018 sieht sich die Finanzverwaltung jedoch an ihre positive Verwaltungsauffassung im vorherigen Schreiben weiterhin gebunden. Demnach ist für den Schuldenerlass bis zum 08.02.2017 aus Vertrauensschutzgründen entsprechend dem Schreiben des Bundesfinanzministeriums vom 27.03.2003 zu verfahren.

7.

Mit Urteil vom 24.10.2017 hat der Bundesfinanzhof unter dem Aktenzeichen II R 44/15 entschieden, dass Wohnungen, die eine Wohnungsvermietungsgesellschaft an Dritte überlässt, nur zum begünstigten Vermögen im Sinne der erbschaftsteuerlichen Regelung nach § 13b Abs. 2 Satz 2 Nummer 1 Satz 2 d des Erbschaftsteuergesetzes (ErbStG) gehören, wenn die Gesellschaft neben der Vermietung im Rahmen eines wirtschaftlichen Geschäftsbetriebes Zusatzleistungen erbringt, die das bei langfristigen Vermietungen übliche Maß überschreiten.

Seine Entscheidung hat der Bundesfinanzhof maßgeblich damit begründet, dass die Vermietungstätigkeit nach ertragsteuerlichen Grundsätzen die Grenze der privaten Vermögensverwaltung überschreiten und als originär gewerblich zu qualifizieren sein müsse. Hierfür reiche die bloße Verwaltung und Bewirtschaftung von Wohnungen nicht aus. Auch auf die Anzahl der vermieteten Wohnungen komme es entgegen der Verwaltungsauffassung nicht an.

Das Urteil ist aufgrund des Nichtanwendungserlasses der obersten Finanzbehörden der Länder vom 23.04.2018 über den entschiedenen Einzelfall hinaus nicht anzuwenden. An der bisherigen typisierenden Betrachtungsweise in R E 13b.13 Abs. 3 ErbStR 2011 ist somit weiterhin festzuhalten.